Das Betreiberkonsortium der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 will ihr Projekt trotz der US-Sanktionen fertigstellen. „Die Nord Stream 2-Pipeline ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Versorgungssicherheit“, teilte das Unternehmen am Samstag mit. „Zusammen mit unseren Partnerfirmen arbeiten wir an der schnellstmöglichen Fertigstellung des Projektes.“ Wie dies laufen soll, sagte ein Sprecher auf Anfrage zunächst nicht.
Die Bundesregierung verurteilte die Inkraftsetzung der US-Sanktionen als „Einmischung“ . „Die Bundesregierung lehnt derartige extraterritoriale Sanktionen ab“, teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, am Samstag mit. „Sie treffen deutsche und europäische Unternehmen und stellen eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten dar.“
Demmer erklärte weiter, die US-Maßnahmen würden insbesondere mit dem Schutz der Ukraine begründet. Sie verwies in dem Zusammenhang auf die am Donnerstag in Berlin erzielte Grundsatzeinigung über einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine. Die Inkraftsetzung der US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 sei vor diesem Hintergrund „besonders unverständlich“, erklärte Demmer.
US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am Freitagabend (Ortszeit) auf einer Luftwaffenbasis bei Washington ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt. Das Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 ist Teil des Pakets und trat mit Trumps Unterschrift in Kraft.
Unmittelbar vor der Unterzeichnung kündigte die am Projekt beteiligte Schweizer Firma Allseas an, den Pipeline-Bau angesichts der Sanktionen bis auf Weiteres auszusetzen.
Die US-Strafmaßnahmen des „Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ zielen auf die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe ab, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Washington argumentiert, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Moskau begeben würde.
Deutschland will keine Gegen-Sanktionen
Die Bundesregierung will nach Angaben ihres Transatlantik-Koordinators Peter Beyer zunächst nicht mit Gegenmaßnahmen auf die US-Sanktionen reagieren. Die Strafmaßnahmen würden sich nicht gegen Deutschland, sondern gegen privatwirtschaftliche Unternehmen richten, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur zur Begründung. „Deshalb wird Deutschland keine Gegenmaßnahmen einleiten. Wenn, müsste dies sowieso auf europäischer Ebene geschehen, aber auch das wird nicht passieren.“
Die SPD hat die von den USA geplanten Sanktionen gegen Firmen des Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2 scharf kritisiert. „Dieser unilaterale Schritt ist eine Belastung der bilateralen Beziehungen. Die beschlossenen US-Sanktionen werden die Fertigstellung von Nord Stream 2 jedoch nicht verhindern, sondern lediglich verzögern“, sagte Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der Deutschen Presse-Agentur. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich äußerte deutliche Kritik an den US-Sanktionen. Der US-Kongress habe mit seinem Sanktionsbeschluss bereits erheblich in die energiepolitische Souveränität der Europäischen Union eingegriffen, sagte Mützenich der Deutschen Presse-Agentur.
Mützenich über US-Sanktionen: „Erpresserische Methoden“
Die unmittelbare Inkraftsetzung durch Präsident Donald Trump sei nun ein zusätzlicher Schritt, der das transatlantische Verhältnis weiter belasten werde. „Die EU und Deutschland sind für Trump offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen.“ Eigenständigkeit werde sanktioniert. „Diesen erpresserischen Methoden werden wir uns nicht beugen“, sagte der SPD-Fraktionschef.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Mittwoch die geplanten Sanktionen im Bundestag kritisiert und den USA Gespräche angeboten. "Ich sehe keine andere Möglichkeit, als Gespräche zu führen, aber sehr entschiedene Gespräche, dass wir diese Sanktionen nicht billigen", sagte Merkel. Sie stellte klar: "Wir sind gegen extraterritoriale Sanktionen."
Bundesaußenminister Heiko Maas hatte das Votum des US-Repräsentantenhauses für die Sanktionen in der vergangenen Woche ebenfalls scharf kritisiert. "Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA", erklärte er. Auch die EU-Kommission verwahrte sich gegen Sanktionen.
USA drohen Schweizer Unternehmen Allseas
Ins Visier der USA ist die Schweizer Firma Allseas geraten. Zwei prominente US-Senatoren forderten den Offshore-Pipelinespezialisten zum sofortigen Stopp der Arbeiten auf. „Wir verstehen, dass die russische Regierung Allseas eine sehr bedeutende Geldmenge dafür bezahlt, die Nord-Stream-2-Pipeline fertigzustellen“, hieß es in einem Brief der republikanischen Senatoren Ted Cruz - der das Sanktionsgesetz eingebracht hat - und Ron Johnson an Allseas-Chef Edward Heerema. Sollte die Firma die Arbeiten aber „auch nur für einen einzigen Tag“ nach Unterzeichnung des US-Sanktionsgesetzes fortführen, drohten ihr „potenziell vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen“.
Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bislang wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Allseas hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, man spekuliere nicht über potenzielle Auswirkungen von Sanktionen.
USA wollen verhindern, dass Nord Stream 2 fertig wird
In dem Schreiben verweisen die beiden Senatoren unter Berufung auf das Nord-Stream-2-Konsortium darauf, dass Allseas mit der „Pioneering Spirit“ mindestens ein Schiff im Einsatz habe, das Rohre für die Pipeline verlege. In dem von Cruz' Büro veröffentlichten Schreiben heißt es, dass die US-Regierung dem Kongress zwar erst 60 Tage nach Unterzeichnung des Gesetzes berichten werde, gegen welche Firmen Sanktionen verhängt würden. Allerdings würden dann bei Verstößen rückwirkend Strafmaßnahmen auch für diesen Zeitraum verhängt.
Eine 30-tägige Übergangsfrist nach Inkrafttreten gelte nur, wenn Unternehmen überzeugend darstellten, dass sie ihre Arbeiten an dem Projekt abwickelten, warnten die Senatoren. „Sollten Sie versuchen, die Pipeline in den nächsten 30 Tagen fertigzustellen, würden Sie ihren Aktionärswert vernichten und die künftige finanzielle Existenzfähigkeit ihres Unternehmens zerstören.“ Ziel der Sanktionen sei es, sicherzustellen, dass die Pipeline nicht fertig werde.
Die Senatoren verwiesen auf die Konsequenzen, sollte Allseas gegen die Sanktionen verstoßen: Wer Schiffe für die Verlegung der Rohre zur Verfügung stelle, werde bestraft, hieß es in dem Brief. Gegen betroffene Personen würden Einreiseverbote in die USA verhängt. Etwaiger Besitz von Allseas in den Vereinigten Staaten würde eingefroren. Das würde auch das Vermögen von Allseas USA mit Sitz in Houston (Texas) sowie Schiffe des Unternehmens betreffen, die US-Hoheitsgewässer befahren sollten.
tagesspiegel
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