“Wir hören von Mitgliedsverbänden und Unternehmen, dass sie derzeit ihre Arbeitszeitkonten leermachen, Überstunden abbauen, Sonderschichten zurückfahren”, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber wir hören immer mehr auch, dass den Unternehmen jetzt langsam die Luft ausgeht.”
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte Reuters, in den nächsten Jahren stünden sehr grundsätzliche Veränderungen von großen Bereichen der deutschen Industrie an. “Wir brauchen eine aktive Begleitung durch die Arbeitspolitik”, forderte der SPD-Politiker. “Deswegen ist eine zügige Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes notwendig.”
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat für kommenden Mittwoch Vertreter der Autokonzerne, der Bundesländer sowie von Gewerkschaften und Verbänden eingeladen. Dabei soll es um die Zukunft der Beschäftigung in der Automobilwirtschaft gehen. Angesichts von Digitalisierung und der weniger beschäftigungsintensiven Produktion von Elektroautos droht in der Branche nach Einschätzung von Experten in den nächsten zehn Jahren der Verlust von mehreren zehntausend Arbeitsplätzen.
KAMPETER: VERORDNUNGSERMÄCHTIGUNG FÜR BUNDESREGIERUNG
An dem Treffen nimmt auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil teil. Der SPD-Politiker hatte bereits in einem im November vorgelegten Gesetzentwurf mit dem Titel “Arbeit von morgen” eine Ermächtigung für die Bundesregierung vorgesehen, die Regeln für Kurzarbeitergeld per Verordnung zu lockern. Dagegen sperrt sich bislang aber die Union. Zudem liegt der Gesetzentwurf auf Eis, da Heil darin auch weitergehende Regelungen vorsieht, um vom Jobverlust bedrohte Beschäftigte mit Geld der Bundesagentur für Arbeit für andere Tätigkeiten zu qualifizieren.
Dies lehnen die Arbeitgeber strikt ab und fordern stattdessen, die Regelungen zur Kurzarbeit aus dem Entwurf auszukoppeln und rasch zu verabschieden. “Wir unterstützen die Verbindung von Weiterbildung und Kurzarbeit”, sagte Kampeter. “Aber es kann nicht sein, dass die Politik eine Pipeline des Geldes von der Bundesagentur in die Personalhaushalte von Unternehmen zu legen versucht. Das käme einem staatsfinanzierten Strukturwandel sehr nahe. Das lehnen wir entschieden ab.”
Die Arbeitgeber dringen auf eine rasche Entscheidung. “Die Frage von Geschwindigkeit ist hier maßgeblich”, sagte Kampeter. “Wir würden gerne, bevor eine Krise ausbrechen könnte, eine gesetzliche Verordnungsermächtigung haben, die die Bundesregierung sofort scharfstellen kann.” Konkret fordern die Arbeitgeber einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld sowie eine Kostenentlastung der Arbeitgeber, die während der Kurzarbeit auch Weiterbildungsmaßnahmen anbieten. “Zudem wollen wir das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängern”, sagte Kampeter. “Das sind unsere Kernforderungen. Das werden wir auch beim kleinen Auto-Gipfel am Mittwoch deutlich machen.”
Mit Kurzarbeitergeld können Arbeitgeber in konjunkturellen Flauten Entlassungen vermeiden. Beschäftigte bekommen für den Arbeitsausfall 60 Prozent ihres Lohns oder 67 Prozent, wenn sie Kinder haben, aus der Arbeitslosenversicherung erstattet. Laut Bundesagentur für Arbeit steigt die konjunkturelle Kurzarbeit seit Monaten, auf zuletzt rund 84.000 Kurzarbeiter im Oktober. Für Januar geht die Arbeitsbehörde in ersten Schätzungen von etwa 113.000 Kurzarbeitern bundesweit aus. Am stärksten betroffen ist der Bereich Metall und Technik, zu dem auch der Maschinenbau und die Automobilwirtschaft gehören.
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