„Das Beste kommt erst noch“

  05 Februar 2020    Gelesen: 619
  „Das Beste kommt erst noch“

Donald Trumps Ansprache ist ein Wahlkampfauftritt im Kapitol. Einen Tag vor seinem erwarteten Freispruch jubeln ihm die Republikaner zu. Der Oppositionsführerin Pelosi will der Präsident nicht die Hand schütteln. Sie hat die passende Antwort parat.

  Falls noch jemand Zweifel daran hatte, wie geschlossen die Republikaner hinter Donald Trump stehen, dürften sich die am Abend bei der „State of the Union“-Rede erledigt haben. Die Senatoren und Abgeordneten hält es kaum je ein paar Minuten auf ihren Sitzen – dann springen sie schon wieder auf und applaudieren, von der Zuschauergalerie gibt es Jubelrufe. Dass die Senatoren an diesem Mittwoch über die Amtsenthebung des Präsidenten entscheiden sollen, spielt wie erwartet keine Rolle, Trump ignoriert das Thema.

  Im Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses geht es heute um seine Triumphe – und wenn man ihm glaubt, sind die vergangenen drei Jahre eine endlose Abfolge davon. Nicht weniger als „das amerikanische Comeback“ habe er geschafft, beteuert Trump zum Auftakt. Endlich sei Amerika wieder auf dem Weg zu einer „wahrhaft inklusiven“ Gesellschaft, zu der die ganze Welt aufsehen könne. Seine Regierung sei das Beste, was amerikanischen Familien hätte passieren können, verkündet der Präsident – der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahre hätte ohne ihn nicht stattfinden können. Jedes Land der Erde schaue mit Bewunderung zu den Vereinigten Staaten auf. Ja, der Respekt anderer Staaten sei erst durch ihn, Trump, wieder hergestellt worden.

Keine normale Rede

  Trumps Selbstlob und seine patriotischen Appelle können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das hier keine normale Rede zur Lage der Nation ist. Der Präsident ist in seinem Impeachment-Verfahren noch nicht freigesprochen, auch wenn das dank der republikanischen Mehrheit im Senat als reine Formsache gelten muss. Und beide Seiten werfen sich gegenseitig Vertuschung und Betrug vor. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, soll Trump als Gastgeberin eigentlich begrüßen und mit allen Ehren ankündigen. Das fällt heute aus. Trump schüttelt noch nicht einmal die Hand, die sie ihm entgegenstreckt.

  Knapp neunzig Minuten lang entwirft der Präsident dann sein Bild einer Erfolgsgeschichte, alle paar Minuten bejubelt von seinen Republikanern. Die sinkende Arbeitslosigkeit unter Afroamerikanerinnen, die Erfolge von Frauen am Arbeitsmarkt, mehr Jobs für Menschen ohne College-Abschluss – all das und noch viel mehr ist in Trumps Erzählung allein ihm selbst zu verdanken. „Das ist das erste Mal, dass alle diese benachteiligten communities diese Art von Aufschwung erleben“, behauptet er.

Protest in Weiß

  Im Saal sitzen, wie schon bei früheren Reden von Trump, viele Demokratinnen in weißen Hosenanzügen. Die Farbe, die auch Sprecherin Pelosi trägt, erinnert an die erste Frauenbewegung und den Kampf ums Wahlrecht Anfang des 20. Jahrhunderts; zu verstehen ist das als Kritik an Trumps Angriffen auf das Abtreibungsrecht, das der Supreme Court 1973 festgestellt hatte. Vor der Rede hatten mehrere Kongressabgeordnete angekündigt, dem Spektakel fernzubleiben, darunter die New Yorkerin Alexandria Ocasio-Cortez und Ayanna Pressley aus Massachusetts. Einzelne Demokraten verlassen während der Rede den Saal, darunter der Abgeordnete Tim Ryan aus Ohio. Er twittert: „Ich hatte genug. Es ist wie professionelles Wrestling anzuschauen. Es ist alles gefaked.“

  Es ist aber auch wieder zu beobachten, wie zentristische Demokraten ihren Wählerinnen zeigen wollen, dass sie keine Opposition um der Opposition willen machen. Kyrsten Sinema, in der Partei umstrittene Senatorin aus Arizona, gibt Trump eine stehende Ovation, als er Teile seiner Steuerreform lobt – ihre Kolleginnen Kirsten Gillibrand aus New York und Kamala Harris aus Kalifornien sitzen mit ernsten Gesichtern daneben.

Fact-Checker im Einsatz

  Derweil bemühen sich die Zeitungsredaktionen um das Fact-Checking, wie immer, wenn der Präsident seine „alternative“ Realität ausbreitet. Es stimmt, sieben Millionen weniger Menschen als vor ein paar Jahren bekommen Essensmarken, zehn Millionen weniger bekommen Sozialhilfe – aber viele fliegen einfach aus den Programmen, weil die Regeln im Bund und in manchen Bundesstaaten strenger geworden sind. Nicht, weil sie in all den neuen Fabriken arbeiten, deren Existenz sie laut Trump allein ihm verdanken. Ja, es stimmt, dass es nun zwölf Wochen bezahlte Elternzeit im öffentlichen Dienst gibt – aber die ursprüngliche Initiative dazu kam von den Demokraten. Dem „Blue Collar Boom“, Trumps neuem Wahlkampfstichwort, steht wachsende Ungleichheit gegenüber – und der wirtschaftliche Aufschwung begann schon während der Präsidentschaft von Barack Obama, geben Fachleute zu bedenken. Gerade das dürfte den republikanischen Wählern aber herzlich egal sein.

faz.net


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