Sie war die Kandidatin, auf die alles zuzulaufen schien. Sie war stets gut vorbereitet, kampfeslustig und erfahren. Noch im vergangenen November führte Elizabeth Warren das Kandidatenfeld der Demokraten in den nationalen Umfragen an. Kein halbes Jahr später hat sie die Konsequenz aus ihren schlechten Vorwahlergebnissen gezogen und ihren Rückzug erklärt.
Das war keine große Überraschung mehr, nachdem sie am Dienstag selbst in ihrem Heimatstaat Massachusetts nur den dritten Platz belegt hatte. Für die Demokraten ist es dennoch ein einschneidendes Ereignis. Aus einem Bewerberfeld, das als das bunteste und vielfältigste aller Zeiten gelobt worden war, ist die letzte aussichtsreiche Kandidatin ausgeschieden. Als einzige Frau ist nun nur noch die chancenlose Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard im Rennen.
Übrig geblieben sind zwei weiße Männer, Joe Biden, 77 Jahre alt, und der ein Jahr ältere Bernie Sanders. Für eine Partei, die sich viel darauf zugutehält, jünger, weiblicher und ethnisch heterogener zu sein als die republikanische Konkurrenz, ist das ein deprimierender Befund. Und natürlich werden wieder Stimmen laut, die beklagen, dass Frauen nach anderen Maßstäben gemessen werden als Männer, und dass es die gläserne Decke in der Politik immer noch gibt.
Der rhetorische Sieg über Bloomberg kam zu spät
Aber es wäre zu einfach, Warrens Scheitern auf die Tatsache zu reduzieren, dass sie eine Frau ist. Die Demokraten haben beim letzten Mal Hillary Clinton nominiert. Die Partei ist also reif für eine Spitzenkandidatin. Nur hat Warren es nie vermocht, die Begeisterung für sich zu generieren, die für einen Sieg unabdingbar ist.
Bei den ersten Kandidatendebatten agierte sie so zurückhaltend, als traue sie sich den Auftritt auf großer Bühne nicht zu. Was sie kann, zeigte sie erst bei der neunten Debatte Mitte Februar in Las Vegas. Dort zerlegte sie den früheren New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg wegen seiner Politik gegenüber Frauen und Minderheiten. Aber da war es schon zu spät.
Warren konnte sich nicht entscheiden, wie sie sich positionieren sollte. Zunächst sah es so aus, als wolle sie Sanders die Führung des linken Flügels streitig machen. Dann präsentierte sie sich als Kandidatin, die die gesamte Partei hinter sich versammeln kann. Am Ende gelang beides nicht.
Die Klassenbeste
Auch ihre Sachkenntnis konnte sie nicht zu ihrem Vorteil nutzen. Sie hatte Themen wie die Gesundheitspolitik inhaltlich tiefer durchdrungen als Sanders, aber neben dessen Gerechtigkeitsfuror wirkte ihre "Ich habe einen Plan"-Rhetorik kleinkariert. Warren war unter den demokratischen Kandidaten die Klassenbeste. Und die waren ja schon in der Schule nicht beliebt.
Mit ihrem Rückzug hat sie der Partei einen großen Dienst erwiesen. Es gibt jetzt eine klare Alternative. Auf der einen Seite Sanders, der sich einen demokratischen Sozialisten nennt und sich dem Kampf gegen das "Establishment" verschrieben hat. Auf der anderen Seite der frühere Vizepräsident Joe Biden, der die Wähler in der Mitte ansprechen will.
Damit hat sich die Chance erhöht, dass der Vorwahlprozess einen Kandidaten hervorbringt, hinter dem die Mehrheit der Partei steht. Das ist bei dem seltsamen Verfahren, mit dem die Demokraten ihre Präsidentschaftsanwärter auswählen, keineswegs selbstverständlich.
Das Ende von Bernies Siegeszug
Bis vor Kurzem hatte Sanders davon profitiert, dass sich die Stimmen der moderaten Wähler auf mehrere Kandidaten verteilten. Bei den ersten Vorwahlen hatte er in Nevada in keinem Staat die Mehrheit für seine Positionen erhalten, lag aber dennoch nach Delegierten vorne.
Das änderte sich vor dem sogenannten Super Tuesday. Pete Buttigieg und Amy Klobuchar stiegen wegen mangelnder Erfolge aus dem Rennen aus und stellten sich hinter Biden. Das unerwartete Comeback des ehemaligen Vizepräsidenten hat vor allem damit zu tun, dass der gemäßigte Flügel der Partei sich hinter einer Person versammeln konnte.
Das Gleiche wird nun auf der Linken passieren. Warrens Rückzug dürfte vor allem Sanders nutzen, auch wenn sie bislang noch keine Empfehlung für einen der beiden verbliebenen Konkurrenten ausgesprochen hat. Warren steht Sanders in vielen Positionen nahe, auch wenn ihr Stil weniger polarisierend und ihre Argumentation nicht so holzschnittartig war.
Das Risiko eines chaotischen Wahlparteitags ist gesunken
Mit Warrens Ausstieg ist die Chance gestiegen, dass im Juni eine "contested convention" vermieden werden kann. Die würde es geben, wenn keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang eine Mehrheit der 1991 Delegierten erhält. Das könnte zu Chaos auf dem Parteitag führen. Dann nämlich müssten die 771 Superdelegierten mitentscheiden. Das sind Amtsträger und Parteifunktionäre, die keinem der Kandidaten verpflichtet sind. Entschieden diese sich für den Kandidaten, der im ersten Wahlgang weniger Stimmen als sein Konkurrent erhalten hatte, wäre dessen Legitimation fraglich. Es ist ein Szenario, das die Partei unter allen Umständen vermeiden will.
Für künftige Präsidentschaftswahlen muss die Partei das Vorwahlprozedere reformieren. Es folgt fragwürdigen Regeln und beschädigt die Kandidaten. Vorschläge gibt es zur Genüge. Helfen würde auch ein Kandidat, der wirklich die überwältigende Mehrheit der Partei hinter sich vereint. Derzeit gibt es nur eine Person, die das könnte. Aber Michelle Obama steht leider nicht auf den Wahlzetteln.
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