Nach dem 11. September wurde die Region vor allem im Rahmen des Afghanistaneinsatzes bedeutsam – die USA nutzten für eigene Operationen gegen die Taliban ehemalige sowjetische Militärstützpunkte. Als Gegenleistung boten sie zentralasiatischen Staaten militärisches Training und Wirtschaftshilfe an.
Auf Betreiben der USA wurde auch 1994 das NATO-Programm „Partnership for Peace“ ins Leben gerufen. Für Länder mit Beitrittsbestrebungen zur NATO wurde der „Membership Action Plan“ erarbeitet. Auf politischer Ebene wurde der Euro-Atlantic Partnership Council gegründet. Hier konnte beispielsweise auch Tadschikistan, welches an keinem der Militärprojekte beteiligt ist, an Konsultationen teilnehmen.
All diese Verflechtungen trugen sukzessive dazu bei, dass die USA ihre Präsenz in der Region ausbauen konnten und nicht zuletzt ihren Energie-Warenkorb vom Erdöl aus der Golfregion unabhängiger gestalten konnten. Neben den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aspekten ist Zentralasien auch aufgrund seiner geografischen Nähe zu Europa, Russland und China vom grundlegenden Interesse für die USA: Zentralasien gilt als das zentrale Bindeglied Eurasiens.
Doch der Fall der Rohstoffpreise, der anstehende Abzug aus Afghanistan und der Syrienkonflikt führen sllesamt dazu, dass sich der Interessensschwerpunkt von Zentralasien für Washington verlagert und sukzessive abschwächt.
Die USA werden ihre Ressourcen vermehrt auf aktuelle Krisenherde richten. Zentralasien dürfte in diesem Zuge an Bedeutung für die USA verlieren. Zudem scheinen die USA, sich einzugestehen, dass allein aus historischen Gründen Russland und China bessere Karten in dieser Region haben. Insbesondere Russland setzt über die Sprache Russische, die in Zentralasien als Verkehrssprache genutzt wird, erheblich Soft-Power um. Auch besteht ein reger Austausch zwischen den russischen und zentralasiatischen Eliten, die größtenteils bereits zu UdSSR-Zeiten existierten.
Investitionen in den wirtschaftlichen und (sicherheits-)politischen Ausbau der Beziehungen verstärken zudem schon vorhandene Muster. Im Ergebnis stehen Russland und auch China als wichtigster Handelspartner konsolidiert in Zentralasien da und sind anders als die USA die Ton angebenden Mächte in Zentralasien.
Trotz vereinzelter Grenzkonflikte haben es beide Länder geschafft, durch Investitionen und groß angelegte Pipelineprojekte relevante Dependenzen aufzubauen. So präsentierte China letztes Jahr Pläne für den Bau von Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverbindungen quer über den eurasischen Kontinent bis nach Russland. Dies markiert den Versuch, eine neue Seidentrasse aufzubauen und den Einfluss Chinas auf die Weltwirtschaft nachhaltig zu stärken. Geplant sind Straßen, Eisenbahnen, Häfen und Pipelines, die China mit Europa auf dem Landweg verbinden. Pipelines verbinden Zentralasien schon seit Jahrzehnten mit Russland. Seit 2009 verbindet eine Pipeline Kasachstan auch mit China.
Vor allem aber vertreten sowohl China als auch Russland – anders als die USA oder die EU – zumindest offiziell das Prinzip der Nichteinmischung in die Innenpolitik fremder Staaten. Für die zumeist autoritär regierten Republiken Zentralasiens bietet dieser Umstand eine angenehmere Grundlage als die von den USA regelmäßig vorgebrachten Forderungen nach mehr Demokratie.
Während also Zentralasien für die USA an Bedeutung verliert, gewinnt es an Relevanz für China und Russland: Für China als neue Seidenstraße und Energielieferant; für Russland vor allem als historisch betrachtetes „nahes Ausland“ – womit stets politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen verbunden sind.
Die Region ist selbst aufgrund interner Konflikte und Spannungen zerrissen. Nur ein Mindestmaß an regionale Zusammenarbeit und Infrastruktur ist tatsächlich zwischen den Turkstaaten existent. Investitionen und die Förderung wirtschaftlicher Prosperität sowie politische Teilhabe haben das Potenzial integrativ zu wirken – vor allem dann, wenn Russland, China und die USA erkennen, dass sie ein gemeinsames Interesse an einem stabilen Zentralasien haben sollten. Die Außenpolitik der Staaten darf sich in diesem Fall allerdings nicht ausschließlich auf geostrategische oder kurzfristige Incentives reduzieren.
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