Die Zeiten, in denen Einzylinder-Motorräder stark gefragt und Hubräume unter 500 Kubikzentimeter attraktiv waren, sind in Deutschland schon seit Jahren vorbei. Mindestens zwei Töpfe und 650 Kubik müssen es hierzulande sein, um nennenswerte Stückzahlen absetzen zu können. Doch in einer globalisierten Welt scheuen sich auch Mitteleuropas renommierteste Hersteller nicht, vollwertige Kleinmotorräder zu entwickeln.
Nach BMW mit der G 310 GS bringt nun auch KTM ein Vielzweck-Bike mit weniger als 400 Kubikzentimetern Hubraum auf den Markt: Die KTM 390 Adventure soll zwar primär in anderen Regionen der Erde aufdrehen, aber auch in den etablierten Märkten auf Kundenfang gehen. Mit einer Motorleistung von 44 PS und einem Preis von 6195 Euro passt das 172-Kilo-Zweirad nicht nur vorzüglich ins Reglement des A2-Führerscheins, sondern zeigt bei ersten Fahrten auch großes Talent auf Land- und Bergstraßen sowie im dichten Stadtverkehr. Und es überzeugt zudem, ganz der KTM-Tradition verpflichtet, auch jenseits des Asphalts.
Ein quirliger Geselle
Mit 44 PS bei 9000 Umdrehungen ist der flüssigkeitsgekühlte Einzylinder ein ausgesprochen quirliger Geselle. Fast ist man geneigt zu vergessen, dass die Leistung dem, vergleichsweise kleinen Hubraum von nur 373 Kubikzentimetern entstammt. Wer flott vorwärtskommen will darf natürlich keine Scheu vor Drehzahlen jenseits der 7000er-Marke haben, fällt doch auch das maximale Drehmoment erst bei dieser Drehzahl an. Doch der kleine Single dreht nicht nur leicht, sondern auch sehr vibrationsarm hoch. Andererseits ist es bei zurückhaltender Fahrweise auch gut möglich, mit weit geringeren Drehzahlen unterwegs zu sein. Angesichts der Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ist es kein Problem, auf Autobahnen im Verkehr mit zu schwimmen.
Mehr Spaß machen freilich kleine, möglichst kurvenreiche Strecken, wie es sie auf der Kanareninsel Teneriffa zuhauf gibt. Einlenken, abwinkeln, rausbeschleunigen – alles flutscht ohne Kraftaufwand. Das Fahrwerk mit 19 Zoll-Vorderrad und 17 Zoll-Hinterrad gefällt. Nicht zuletzt dank des mit 172 Kilogramm bescheidenen Leergewichts fällt es leicht, mit der 390 Adventure im Winkelwerk schnell zu sein. Dabei helfen der angenehm breite, gut zur Hand liegende Lenker, die entspannte Sitzposition und die Leichtgängigkeit aller technischen Bauteile.
Maßstäbe in der Klasse der Klein-Motorräder setzt die KTM in punkto Ausstattung: So ist ein Schräglagensensor verbaut, der sowohl ein Kurven-ABS wie auch eine dynamische Traktionskontrolle ermöglicht. Nicht selbstverständlich für diese Klasse ist auch der Einbau einer mit 43 Millimetern vergleichsweise kräftig dimensionierten USD-Gabel, die zudem in zwei Parametern einstellbar ist. Auch die zwei verstellbaren Handhebel für Frontbremse und Kupplung sind nützliche Details.
Einzigartig in dieser Fahrzeugklasse ist die (kostenpflichtige) Möglichkeit, die 390 Adventure mit einem Quickshifter auszurüsten, um ohne Kupplungshilfe die Gänge wechseln zu können. Das funktioniert gut. Die Belastung des linken Unterarms sinkt allerdings nur geringfügig, weil die Kupplung sehr leichtgängig ist. Das gilt auch für die immerhin 320 Millimeter große Radial-Scheibenbremse im Vorderrad; sie verzögert dabei standfest und gut dosierbar, während die hintere Bremse konzeptbedingt über eine unterstützende Funktion nicht hinauskommt.
Als Adventure-Bike muss die kleine KTM sich auch auf Schottersträßchen und Naturwegen behaupten können. Angesichts von 20 Zentimetern Bodenfreiheit und 17 Zentimetern Federweg gelingt das anstandslos. Zur Erleichterung des Vorwärtskommens auf losem Untergrund kann die Traktionskontrolle deaktiviert werden; auch das ABS verfügt über einen Offroadmodus, der das Blockieren des Hinterrads möglich macht. Nachdem die abenteuerlustige 390er nicht als wilder Geländefeger konzipiert worden ist, wird man wohl kaum stundenlang im Stehen fahren; dafür ist nämlich der Lenker etwas zu niedrig montiert.
Auch das farbig gestaltete, vielfältig bestückte und gut ablesbare TFT-Display mit Lenker-Fernbedienung des Bordcomputers ist untypisch für die Kategorie der Klein-Motorräder. Sogar Konnektivitätsmöglichkeiten sind damit gegeben, sofern der Fahrer Wert darauflegt. Weil auch die Polsterung und Kontur der Sitzbank überzeugen, sind auch längere Touren mit der 390 Adventure kein Problem. Dabei hilft der mit 14,5 Litern Fassungsvermögen recht große Tank; knapp 300 Kilometer sind bis zum Aufleuchten der Reservewarnung im Display möglich, wenn man den Motor nicht permanent zu Höchstleistungen treibt. Der Praxisverbrauch liegt zwischen 3,5 und 4,0 Liter pro 100 Kilometer.
Wer Wert auf Handlichkeit, Agilität und geringe Unterhaltskosten legt und ein ausgesprochen vielfältig einsetzbares Motorrad zum günstigen Preis sucht, könnte mit der KTM 390 Adventure glücklich werden. Abstriche an Technologie und Ausstattung müssen Interessenten hier jedenfalls nicht machen.
n-tv
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