Droht in Deutschland eine Netflix-Bremse?

  19 März 2020    Gelesen: 822
  Droht in Deutschland eine Netflix-Bremse?

Die Corona-Krise ist auch eine Belastungsprobe für die Internet-Anbieter. Droht in Deutschland ein vorübergehendes Verbot von Streaming-Diensten, um Homeoffice-Arbeitern den Vorang zu lassen?

Um die Verbreitung des Coronavirus wenigstes zu verlangsamen, sollen so viele Menschen wie möglich zu Hause bleiben und auch von dort aus arbeiten. Dafür benötigen sie stabile Internetverbindungen mit ausreichend hohen Bandbreiten. Weil gleichzeitig durch die unfreiwillige Stubenhockerei mehr Streamingdienste genutzt werden, sind die Netze in diesen Krisen-Tagen stark belastet. In der Schweiz gibt es laut "Neue Zürcher Zeitung" daher Überlegungen, im Falle von Engpässen notfalls Netflix & Co. auszubremsen und den wichtigen Diensten den Vorrang zu lassen. Könnte so etwas in Deutschland auch passieren?

Bis zu 20 Prozent höhere Datennutzung

Tatsächlich ist auch hierzulande die Internetnutzung durch Homeoffice, TV-Streaming und Online-Spiele stark gestiegen. Vodafone stellte am 17. März im Festnetz eine um 15 bis 20 Prozent höhere Datennutzung gegenüber normalen Tagen fest. Im Allgemeinen sei die Nutzung abends dreimal so hoch wie tagsüber - und dann immer noch stabil, schreibt Pressesprecher Alexander Leinhos. "Wenn sich diese Kurve nach unseren Prognosen künftig über den Tag stärker verteilt, kann unser Kabel-Glasfasernetz in Zeiten von Corona ein Vielfaches der bisherigen Last aufnehmen."

Allerdings sieht Vodafone "seit einigen Tagen" in Nachbarländern einen massiven Anstieg bei Online-Spielen. Downloads von Updates und Spielen habe zu einer Verzehnfachung des Datenverkehrs in diesem Bereich geführt. "Zudem sehen wir dort eine Vervierfachung der Streaming-Nutzung durch massiven Einsatz von Netflix und Co. Beides hat dort insbesondere nachmittags und abends zu erhöhter Last auf die Netze geführt und Einschränkungen nach sich gezogen."

Stabilität vor Ausbau

Damit so eine Entwicklung in Deutschland nicht zu Engpässen führt, konzentriere sich Vodafone derzeit auf möglichst störungsfreie Netze und reduziere zugunsten der Versorgungssicherheit "kurzfristig" das Ausbautempo", schreibt Leinhos. Außerdem arbeiteten Experten in besonders geschützten Betriebscentern im Schichtbetrieb und könnten zur Not auch von zu Hause aus arbeiten.

Die Telekom schreibt in einem Blogpost, ihr Netz sei aktuell stabil, durch den Ausbau der vergangenen Jahre reichten die Kapazitäten "zum jetzigen Zeitpunkt" aus. Zudem seien Techniker rund um die Uhr im Einsatz und beobachteten die Situation um die Netze weiter aufrecht zu erhalten.

Probleme eher im Heimnetz

Sollte es doch zu kleineren Störungen bei Video-Konferenzen, Telefonaten oder Streaming-Angeboten kommen, könne dies auch an der Infrastruktur der Nutzer und der beteiligten Unternehmen liegen. Das sieht auch der Branchenverband Bitkom so. Bei Beeinträchtigungen sollten Nutzer prüfen, die Router-Einstellungen zu optimieren, etwa indem der Datenverkehr im eigenen Heimnetz für einzelne Geräte oder Anwendungen priorisiert wird, zum Beispiel für den Arbeitslaptop, schreibt Pressesprecher Bastian Pauly.

Auch Telefónica (O2) registriert laut ihrem Netzexperten Michael Horn während der Arbeitszeit von 8 bis 17 Uhr eine Zunahme im Festnetz- und DSL-Bereich. "Bei der Datennutzung in den Abendstunden sehen wir hingegen noch keinen nennenswerten Effekt im Vergleich zu früheren Tagen. Die Nutzungssituation lässt sich insgesamt mit einem Tag am Wochenende vergleichen."

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass es aktuell so aussieht, als könnten die deutschen Netze die erhöhte Datennutzung in der Coronakrise verkraften. Zwischen den Zeilen liest man aber auch eine gewisse Unsicherheit heraus, was die weitere Entwicklung betrifft. Offenbar hängt viel davon ab, dass die Techniker der Anbieter gesund bleiben - und das kann derzeit auch bei den besten Schutzmaßnahmen wohl niemend garantieren.

EU spricht mit Netflix

Wegen der Sorgen, die verstärkte Nutzung von Video-Streamingdiensten könnten in der Coronavirus-Krise das Internet ausbremsen, hat sich die EU-Kommission an Netflix gewandt. Dabei sei es unter anderem um die Idee gegangen, die Bildqualität bei starker Auslastung automatisch von HD- auf Standard-Auflösung runterzuschrauben, teilte die Behörde mit. Bei einer höheren Bildauflösung gibt es ein schärferes Bild, weil mehr Pixel dargestellt werden. Dafür werden aber auch mehr Daten übertragen.

Netflix empfiehlt für HD (High Definition) eine Internet-Geschwindigkeit von fünf Megabit pro Sekunde, während es bei Standard-Auflösung drei Megabit pro Sekunde sind. Einen richtig großen Sprung gibt es dann aber bei dem noch besseren Utra-HD-Format: Hier empfiehlt Netflix 25 Megabit pro Sekunde. Die Ultra-HD-Qualität gibt es dabei nur in den teureren Tarifmodellen von Netflix.

Die Kommission rief die Streaming-Plattformen insgesamt auf, mit Internet-Anbietern zusammenzuarbeiten und ihren Datendurchsatz anzupassen, um das Arbeiten von zu Hause aus nicht zu bremsen. Der in Frankfurt basierte weltgrößte Internet-Knoten DE-CIX hatte zuvor mitgeteilt, der durchschnittliche Datenverkehr habe zuletzt um zehn Prozent zugelegt. Man sei aber für den Anstieg gerüstet. Der Datenverkehr durch Videokonferenzen sei binnen sieben Tagen um 50 Prozent gestiegen.

Quelle: ntv.de, mit dpa


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