Neben Apotheken, Optikern und Lebensmittelläden bleiben hierzulande bis auf Weiteres auch Zahnarztpraxen regulär geöffnet. Die aktuelle Empfehlung des Robert-Koch-Instituts lautet dazu, dass die in der Zahnarztpraxis üblichen Standard-Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen - dazu gehören normaler Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel - bei der Behandlung von symptomlosen Patienten ausreichen. Die Behandlung von Patienten mit Atemwegserkrankungen sollte jedoch verschoben werden.
Diese Empfehlung verunsichert nicht nur Zahnärzte und deren Mitarbeiter, sondern auch Patienten. Denn trotz aller Hygienemaßnahmen könnte es gerade am Zahnarztstuhl zu einer Verbreitung des Coronavirus kommen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Erstens haben viele der Coronavirus-Infizierten nur sehr leichte oder gar keine Symptome. Sie werden deshalb als Verbreiter der Viren gar nicht identifiziert. Infizierte ohne Symptome nehmen ihre manchmal bereits vor Wochen gemachten Termine wahr und gefährden so die behandelnden Zahnärzte, deren Mitarbeiter und andere Patienten.
Zweitens werden die Viren vor allem über den Speichel im Mund weitergegeben. Damit kommt jeder Zahnarzt bei einer Behandlung in Kontakt. Der empfohlene Mindestabstand von anderthalb Metern kann weder von Stuhlassistentinnen noch von Zahnärzten eingehalten werden. Und drittens kommen bei fast allen Behandlungen rotierende und druckluftgetriebene Instrumente, die oftmals zusätzlich Wasser fein zerstäuben, zum Einsatz. So entstehen zwischen dem Patienten und dem behandelnden Personen sehr feine Wassertröpfchen, die in der Luft schweben. Diese sogenannten Aerosole können wiederum hervorragend die Viren transportieren. Es entsteht im schlimmsten Fall ein hochinfektiöser Bereich. Zahnärzte und ihre Mitarbeiter sind sich dieser Risiken bewusst. Viele Zahnärzte verstehen deshalb nicht, warum Zahnarztpraxen nicht geschlossen werden. Viele haben das Gefühl, von der Politik vergessen worden zu sein.
Schließungen gefordert
Eine Reihe von Zahnärzten fordert deshalb die Regierung mit Nachdruck dazu auf, endlich auch alle Zahnarztpraxen im Land zu schließen beziehungsweise nur noch nach Notdienstplan arbeiten zu lassen. Nur so könne man die Verantwortung für Mitarbeiter, Patienten und sich selbst tragen, erklärt Dr. Kunath, Zahnarzt mit eigener Praxis in Brakel. Eine Petition an die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahnärztekammer dazu haben bisher fast 40.000 Menschen unterschrieben.
Doch was simpel erscheint, ist gar nicht so leicht und ohne Folgen umsetzbar. Die Frage, die sich für Dr. Joachim Hüttmann vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. stellt, ist: Wer soll denn dann die Notfall-Versorgung übernehmen? "Damit würden manchen Praxen die gesamte Last der Notfallbehandlungen tragen, während andere schließen müssten", sagt Hüttmann ntv.de.
Für Kunath wäre die behördliche Schließung seiner Praxis dennoch denkbar. Rund zwei Drittel seiner Patienten bleibt bereits heute zu Hause, erzählt der Zahnarzt ntv.de. "Ich könnte mir vorstellen in einem geregelten Notdienstsystem für Schmerzpatienten zwei oder drei Stunden am Tag zu öffnen", so Kunath weiter, der sich schon jetzt auf die Behandlungen konzentriert, die wirklich gemacht werden müssen. "Diese Notdienstregelung sollte aber nicht die behördliche Anordnung tangieren, denn für Freiberufler in allen Bereichen ist diese Anordnung extrem wichtig, um bei existenzgefährdenden Umsatzeinbrüchen Ansprüche auf Unterstützungen zu erhalten", führt Kunath aus und spricht gleichzeitig einen wichtigen Aspekt an.
Denn viele Zahnärzte könnten sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht leisten, ihre Praxen einfach zu schließen. "Die finanziellen Ausfälle, die dadurch entstehen, würden für manchen niedergelassenen Arzt und dessen Mitarbeiter das sichere Aus bedeuten", erklärt eine in Berlin praktizierende Zahnärztin, die namentlich nicht genannt werden will. In ihrer Praxis wurden einerseits wegen der Risikoabwägung, andererseits wegen der fehlenden Mitarbeiterinnen alle Prophylaxe-Termine in dieser Woche abgesagt. "Wir können in dieser Situation sowieso nur von Tag zu Tag neu entscheiden", erklärt die Zahnärztin. Es gebe ja auch eine Reihe von Patienten, die sich mit Provisorien mitten in einer Behandlung befänden. Diese Behandlungen müssten auch noch zu Ende gebracht werden, denn Provisorien können nur eine bestimmte Zeit im Mund bleiben.
Mundschutz wird knapp
Als weiteres Problem kommt hinzu, dass bei einigen Zahnärzten in Deutschland bereits Mundschutz und Handschuhe knapp werden. Nachbestellungen funktionieren nicht wie gewohnt. Einem Schreiben der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vom 18. März zufolge hat das "Bundesgesundheitsministerium zur Unterstützung der Versorgung des Bundesbeschaffungsamt verbindlich beauftragt, den durchschnittlichen Monatsverbrauch an Persönlicher Schutzausrüstung (PS) in deutschen Zahnarztpraxen zu beschaffen". Viel zu spät, meint Dr. Kunath. In Spanien und Italien mussten Zahnarztpraxen wegen fehlender Hygiene- und Schutzausrüstung bereits ihre Arbeit einstellen. In den USA, Kanada und der Schweiz sind Zahnärzte aufgefordert, nur noch zwingende Behandlungen auszuführen, schreibt zm-online.
Patienten, die in den nächsten Tagen einen Behandlungstermin bei ihrem Zahnarzt haben, sollten zuerst mit ihm telefonisch in Kontakt treten. Auf diese Weise kann eine Risiken-Nutzen-Abwägung gemacht und entschieden werden, ob die Behandlung tatsächlich durchgeführt werden muss.
Quelle: ntv.de
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