Wolfgang Bee liegt mit seiner "SV Saoirse" in Saint-Martin fest. Seit zwei Jahren ist der 47-jährige Segler mit Heimathafen Heiligenhafen mit Frau und zwei Kindern unterwegs - über Nordafrika und die Kanaren kreuzten sie bis in die Karibik. Ursprünglich wollten sie erst 2021 zurückkehren nach Deutschland. Diesen Plan hat der weltweite Ausbruch des Coronavirus zunichte gemacht.
"Die Versorgungslage hier ist gut", sagt Bee über das französische Überseegebiet im Norden der Kleinen Antillen. "Supermärkte, Apotheken und Tankstellen sind geöffnet. Es herrscht das französische Ausgangsverbot, das auch mal von Polizisten mit Maschinenpistole kontrolliert wird." Da sie sich auf europäischem Gebiet befinden, haben sie keine Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung. Doch Weitersegeln ist nicht möglich. Tropische Gewässer, angenehme Temperaturen - warum nicht einfach in der Karibik bleiben? Doch Bees Familie sowie mehrere Dutzend weiterer deutscher Segler sehen stürmischen Zeiten entgegen. Die Hurrikansaison steht Ende Mai bevor, und die Skipper müssten eigentlich jetzt bereits die bedrohte Zone verlassen – in dieser Zeit haben ihre Schiffe dort keinen Versicherungsschutz.
Aber wohin? Sie finden kaum mehr Häfen in der Karibik, in die sie einlaufen können. Die Grenzen sind auf absehbare Zeit dicht. Und auch die Häfen auf dem Weg in die Heimat wie auf den Azoren und den Kanaren sind geschlossen. Somit fehlt es an Proviant, Diesel und Wasser. Was auch fehlt, sind die erfahrenen Crews, die viele Skipper über den Atlantik begleiten. Denn die dürfen wegen internationaler Flugverbote nicht einfliegen.
Im Verband nach Hause segeln
"Wir können nur auf unabsehbare Zeit hier bleiben – oder doch nach Hause fahren." Bee plant nun, sobald das Wetter das in einigen Wochen zulässt, mit anderen Booten im Verband zurück nach Deutschland zu segeln.
Er hat eine WhatsApp-Gruppe für betroffene Skipper gegründet, erst auf Deutsch, dann auf Englisch. Und er hat eine Liste aufgestellt, in die sich betroffene Skipper eintragen können - bisher seien es knapp 80 aus aller Welt, sagt er. Damit habe er sich an das Piraterie-Präventionszentrum der Bundespolizei gewandt und erhofft sich nun Unterstützung und Monitoring bei der Überfahrt. Vielleicht sogar ein Begleitschiff der Marine.
18 deutsche Yachten mit etwa 40 deutschen Staatsangehörigen hätten sich bisher bei dieser Abteilung gemeldet, bestätigt Udo Luchterhand von der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt. Das Piraterie-Präventionszentrum sei zwar der richtige Ansprechpartner – aber dann auch wieder nicht. "Wir sind zuständig für Segler weltweit, wir sind der Erstkontakt. Wir haben die Daten der Skipper aufgenommen. Aber wir können die am Ende auch nur an das Auswärtige Amt weitergeben", sagt der Polizist. Denn das sei eigentlich zuständig.
Aus dem Auswärtigen Amt (AA) wiederum heißt es, dass Botschaften und Konsulate vor Ort die Skipper unterstützen würden. Im Kontakt mit den Behörden der jeweiligen Staaten würden sie etwa Versorgungsmöglichkeiten vereinbaren oder Sonderanlandegenehmigungen beantragen.
Manche Skipper überlegen nun schon, ein Frachtschiff zu chartern, das die Boote über den Atlantik bringt. Ab 12.000 Euro aufwärts kostet der Service – nicht für jede Crew ist das machbar. "Transportlösungen für Segelboote können wir nicht anbieten", teilt dazu das AA mit. Die Bundesregierung wolle aber die gestrandeten Deutschen nach Hause holen, sofern sie es nicht aus eigenen Mitteln schaffen - sie arbeite "mit Hochdruck an Lösungen".
Petition für Nothäfen
Auch Skipperin Siri Mannherr, 50, ist in der Hurrikanzone ausgebremst worden. Bereits vor Tagen hat die Weltumseglerin aus Berlin eine Online-Petition eingerichtet, die mittlerweile fast 600 Segler unterschrieben haben. Mannherr, die schon seit sechs Jahren per Schiff unterwegs ist, will ab kommender Woche einen Katamaran von Grenada über Martinique und die Bermudas nach Europa überführen.
Bisher allein – und das war nicht geplant: "Die Crew aus Deutschland und Mexiko, die in Martinique aufgenommen werden sollte, darf die Karibik nicht mehr anfliegen." Sie wisse auch nicht, ob sie die Insel überhaupt noch anlaufen darf. Auf Facebook bietet sie dennoch Seglern oder Reisenden, die sich schon auf Martinique, Antigua oder Saint Martin befinden, eine Mitsegelgelegenheit an.
In ihrer Petition berichtet sie von mehr als 80 Booten, die eine Transatlantiktour planen. Sie fordert, dass es auf den Azoren, Madeira und den Kanaren Nothäfen geben sollte, "die im Fall einer Havarie das Havariekommando, die Koordination der Rettungs- und Bergungskräfte" übernehmen. Dazu Quarantänestege in den Häfen der Karibik.
"Ich erwarte von der Regierung, dass sie sich um uns kümmert", fordert Mannherr, "nicht nur um die Pauschaltouristen, sondern auch um die Individualtouristen." Peter Wiedekamm, Vorsitzender des Vereins Trans Ocean, hat eine Vermutung, warum bisher seiner Meinung nach nicht genug geholfen wurde: "Das Bild vom wohlhabenden Jachtbesitzer ist sehr verbreitet. Manche denken, wir haben ein Luxusproblem."
Noch kein Plan B
Aber es gibt auch Betroffene, die bleiben wollen. Noch. Zum Beispiel Vincent Goymann aus Bad Tölz. Seit eineinhalb Jahren segelt der 19-Jährige mit dem 22-jährigen Tim Hund auf der "Arrya" um die Welt. "Eigentlich wollten wir seit einer Woche in Kolumbien sein und dort eine Zeit an Land reisen. Dann wäre es weiter durch den Panamakanal gegangen mit anschließender Pazifiküberquerung", schreibt Goymann per E-Mail.
Aber jetzt liegen die jungen Männer vor Anker in Spanish Water, einer Bucht auf der holländisch-karibischen Insel Curaçao. Sie haben Glück, die Region befindet sich außerhalb der vom Hurrikan bedrohten Zone. "Und wir sind gerade noch eine Woche vor Schließung der Grenzen eingereist. Wären wir später gewesen, säßen wir jetzt für Wochen in Quarantäne fest." Drei Monate dürfen sie nun bleiben - "länger ist unser Visum nicht gültig". Und dann? Einen Plan B, falls die Coronakrise zu lang dauert, haben sie noch nicht.
spiegel
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