Nach Bekanntwerden des Missbrauchsfalls in Nordrhein-Westfalen rücken die Behörden in den Fokus vieler Fragen, weil sie offenbar von der Neigung eines der Täter wussten. Wie die Stadt Münster einräumte, hatte das Jugendamt der Stadt 2015 bis 2016 Kontakt zu der Familie eines der drei Missbrauchsopfer, "weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war". Das Familiengericht habe damals aber keinen Anlass gesehen, das Kind aus der Obhut der Eltern zu entfernen.
Haben die Behörden Fehler gemacht? "Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist", sagte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe dazu. Ob es sich bei der behördenbekannten Familie um den Hauptverdächtigen, seine Lebensgefährtin und deren zehnjährigen Sohn handelt, ist unklar. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll der 27-Jährige den Ermittlungsbehörden schon seit 2010 bekannt sein. Damals sei das erste Mal gegen ihn wegen des Vorwurfs des Kindesmissbrauchs ermittelt worden. Außerdem soll er damals schon kinderpornografisches Material verbreitet haben.
In den Folgejahren soll insgesamt sieben Mal gegen den Mann ermittelt worden sein. Der IT-Techniker soll seinen Ziehsohn in einer Gartenlaube mehreren Männern zum Missbrauch überlassen haben. Bilder und Videos der Taten bot er im Darknet an. Die Laube gehört der Mutter des Hauptverdächtigen. Sie soll von den Taten gewusst haben und sitzt laut "Bild"-Informationen ebenfalls in Untersuchungshaft. Das zweite Opfer war Behördenangaben zufolge der fünfjährige Sohn eines Beschuldigten aus Staufenberg (Hessen).
Oberbürgermeister Lewe reagierte bestürzt auf den Missbrauchsfall in seiner Stadt. "Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war", teilte der CDU-Politiker mit. "Unsere Aufmerksamkeit und unsere Gedanken sind bei der Kindern, die nun in sicheren Einrichtungen sind und dort umfassende professionelle Hilfe bekommen." Der Fall zeige in erschreckender Weise, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Brutalität der Täter viel größere Dimensionen habe, als noch vor wenigen Jahren allgemein bekannt gewesen sei.
Am Wochenende wurde der Tatort in der Kleingartenanlage im Norden Münsters von Polizisten bewacht. Kleingärtner und Besucher der gepflegten Anlage zeigten sich entsetzt, wollten sich aber nicht zu den mutmaßlichen Geschehnissen auf der durch die Polizei versiegelten Parzelle äußern.
Der Fall wurde bekannt, nachdem in mehreren Bundesländern Tatverdächtige festgenommen wurden. Die Ermittler stellten inzwischen mehr als 500 Terabyte versiert verschlüsselten Materials sicher. Nach der Auswertung der ersten Daten gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass bislang nur ein kleiner Teil der mutmaßlichen Verbrechen bekannt geworden ist. Von elf Festgenommenen sitzen sieben in Untersuchungshaft.
Quelle: ntv.de, jug/dpa
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