Prozess im Mordfall Walter Lübcke beginnt

  16 Juni 2020    Gelesen: 889
Prozess im Mordfall Walter Lübcke beginnt

In Frankfurt am Main hat der Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen. Die Tat vor einem Jahr hatte großes Entsetzen ausgelöst – denn der mutmaßliche Täter ist ein vorbestrafter Rechtsextremist. In 30 Verhandlungstagen sollen am Oberlandesgericht Frankfurt auch die Hintergründe beleuchtet werden.

Tatverdächtig sind zwei Männer: Dem 46-jährigen Stephan E. aus Kassel wird vorgeworfen, den CDU-Politiker auf dessen Terrasse aus nächster Nähe erschossen zu haben. Der 44-jährige Markus H. soll ihn bei der Vorbereitung der Tat unterstützt haben – unter anderem durch die Beschaffung der Waffe und Schießtraining. H. ist daher wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Der Prozessauftakt vor dem Staatsschutzsenat findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zudem ist die Zahl der Zuschauer aufgrund der Corona-Pandemie stark begrenzt.

Der damals 65 Jahre alte Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 mit einem Kopfschuss getötet worden. Die Bundesanwaltschaft sieht ein rechtsextremistisches Motiv. Lübcke hatte sich 2015 für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen und war so zu einer Hassfigur der extremen Rechten geworden und im Internet bereits massiv bedroht worden. Die Ehefrau und zwei Söhne des Ermordeten werden als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen.

Angeklagter mit Vorstrafen

Die Bundesanwaltschaft sieht bei E. eine „von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung“ als Motiv. Nach seiner Festnahme legte der 46-Jährige ein Geständnis ab, dass er aber später widerrief. E. wird zudem ein Angriff auf einen irakischen Asylbewerber im Januar 2016 vorgeworfen. Das Opfer wurde bei einem Messerangriff von hinten erheblich verletzt. Auch ein verhinderter Anschlag auf ein Asylbewerberheim soll auf das Konto des Tatverdächtigen gehen.

Die hessische SPD-Vorsitzende Faeser erhofft sich deshalb von den Verhandlungen auch Hinweise auf eine Vernetzung der Rechtsextremisten untereinander. Zudem solle ein Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag klären, warum der mutmaßliche Täter vor der Tat nicht mehr vom Verfassungsschutz des Landes beobachtet worden sei, sagte Faeser im Deutschlandfunk.

Bereits vor Prozessbeginn zeigte sich ein großes öffentliches Interesse. Für die Berichterstattung ließen sich mehr als 200 Journalisten von 70 in- und ausländischen Medien beim Oberlandesgericht akkreditieren.

Viele Corona-Auflagen

Der Platz im Gerichtssaal ist jedoch aufgrund der Corona-Pandemie stark begrenzt. Es gelten im Zuschauersaal und auf der Pressetribüne 1,5 Meter Mindestabstand, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen ist ebenfalls vorgeschrieben. Während auf der Pressetribüne normalerweise Platz für 60 Medienvertreter ist, können unter den Corona-Bedingungen nur 19 Journalisten dort Platz nehmen. Für 41 weitere gibt es eine Tonübertragung in einen anderen Saal. Eine von Journalistenverbänden geforderte Videoübertragung wurde aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Im Zuschauerraum finden 18 Besucher Platz.

Die Hauptverhandlung soll am 18. und 30. Juni fortgesetzt werden. Als weitere Termine sind derzeit folgende Tage vorgesehen: 2., 3., 27., 28. und 30. Juli; 5., 7., 10., 13., 19. und 27. August sowie ab dann bis Ende Oktober 2020 jeder weitere Dienstag und Donnerstag.

deutschlandfunk


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