Bitte kein Mitleid! - Melanie Trump

  17 Juni 2020    Gelesen: 598
  Bitte kein Mitleid! -   Melanie Trump

Lange fremdelte Melania Trump mit ihrer Rolle im Weißen Haus. Für die Gegner des Präsidenten ist sie praktisch seine Gefangene. Jetzt will ein neues Buch zeigen, dass Amerikas First Lady zufrieden an der Seite des Präsidenten lebt und ihre eigenen Ziele verfolgt.

„Rettet Melania!“ Kaum eine Anti-Trump-Demonstration kam in den vergangenen Jahren ohne ein solches Schild aus. Dass Melania Trump unfreiwillig im Weißen Haus sei oder unglücklich in ihrer Ehe mit dem Präsidenten, galt vielen Trump-Gegnern als ausgemacht. Sobald Donald Trump das Weiße Haus verlassen müsse, werde sich Melania ohnehin trennen, lautet eine beliebte Spekulation. In einem neuen Buch bemüht sich die Journalistin Mary Jordan jetzt um ein differenzierteres Bild der First Lady. „The Art of her Deal“ (Etwa: Die Kunst ihres Deals, eine Anspielung auf Donald Trumps Buch „The Art of the Deal“) beschreibt eine Frau, die ihre eigenen Ziele durchsetze und im Weißen Haus angekommen sei. Tatsächlich war Melania Trump in den letzten Monaten präsenter als zuvor – vielleicht auch, weil es ihr mehr liegt, ihre Botschaften von zu Hause aus unters Volk zu bringen.

Die First Lady hat Meinungsforschern zufolge eine größere Reichweite bei Frauen als bei Männern. Ihre Zustimmungswerte scheinen auch nicht an die ihres Mannes gekoppelt zu sein. Laut einer Umfrage von Ende 2019 ist sie nach Michelle Obama die am meisten bewunderte Frau des Landes. Sie lasse Oprah Winfrey und Hillary Clinton hinter sich, wenn es um das Kriterium der Bewunderung gehe. Das kann natürlich vieles heißen: Man kann eine Frau auch für die Ruhe bewundern, mit der sie etwas erträgt.

Will sie Trump widersprechen?

Viele, die Melania in Umfragen bewundern, dürften weiße konservative Frauen sein. Das ist eine Wählergruppe, die der Präsident nicht verlieren darf und bei der die First Lady ihm helfen kann. Weiße Frauen wählten Trump 2016 mehrheitlich, wenn auch knapper als weiße Männer ins Amt. Was Melania tun kann, um ihrem Mann dieser Gruppe anzudienen, das tut sie auch. Ihre betont gemäßigten Wortmeldungen wirken zum Teil, als wolle sie Trump widersprechen, ihn dabei aber auch für bürgerliche Frauen „übersetzen“. Als Trump den Teilnehmern der antirassistischen Demonstrationen der letzten Wochen mit den Worten drohte:„Wenn das Plündern losgeht, geht das Schießen los“, da rief Melania bei Twitter alle zu „Frieden“ auf.

Es war nicht das erste Mal, dass ihre Botschaft der ihres Mannes zu widersprechen schien. Trump wehrt sich zum Beispiel vehement, eine Maske zum Schutz gegen das Coronavirus zu tragen. Seine eigenen Experten beschimpfte er in den vergangenen Monaten – und er unterstützte schließlich explizit jene, die gegen die Schutzmaßnahmen demonstrierten. Melania Trump dagegen zeigte sich Anfang April mit einer Maske auf ihrem Instagram-Account und verwies auf die Empfehlungen der Zentren für Seuchenkontrolle und Prävention, CDC. Das Tragen einer Maske ersetze nicht die Notwendigkeit des „Social Distancing“, schrieb die First Lady. Bei Twitter dankte sie den Mitarbeitern im Dienstleistungssektor und in den Krankenhäusern. „Die First Lady scheint ihre Stimme gefunden zu haben“, kommentierte etwa die „Washington Post“.

Nur wenige namentlich genannte Quellen

Melania Trump wisse sehr genau, welche Botschaften sie wann senden wolle, so Mary Jordan in ihrem Buch. Hierbei handele die First Lady aus Überzeugung und meist letztlich im Interesse ihres Mannes. Von diesem müsse sie, anders als viele Beobachter meinten, nicht „befreit“ werden. Die Ehe zwischen dem Präsidenten und seiner Frau sei im Grunde sehr erfolgreich und inzwischen sei Melania sehr gern First Lady, so die Autorin, die sich auf Interviews mit über hundert Menschen in fünf Ländern stützt.

Ihre Quellen sind meist anonym, aber sie gibt auch einige davon preis: den ehemaligen republikanischen Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, etwa, oder den ehemaligen Kommunikationschef von Trump, Anthony Scaramucci, der nur wenige Tage im Amt war. Melania soll demnach auch ihren Ehevertrag neu ausgehandelt haben. Nicht nur erhalte sie dadurch wohl mehr Geld – sie habe auch sichergestellt, dass ihr Sohn Barron stets behandelt werde wie die anderen Trump-Kinder.

Abgesprochene Strategie für unterschiedliche Zielgruppen

Wenn es indessen den Anschein habe, dass Trump und die First Lady einander widersprechen, dann könne das durchaus stimmen, so Jordan. Denn Melania Trump habe zu allem ihre eigene Meinung, die der Präsident so sehr respektiere, dass er sie nach öffentlichen Auftritten stets als erste danach frage. Dass der Secret Service das Präsidentenpaar „Mogul“ und „Muse“ nenne, sei mithin kein Zufall. Und manchmal handele es sich auch um einen koordinierten Dissens oder um eine Strategie für unterschiedliche Zielgruppen, glaubt Jordan. Besonders bekannt wurde der Umstand, dass Melania Trump ihren Mann aufforderte, Kinder an der Grenze zu Mexiko nicht mehr von ihren Eltern zu trennen. Mitten in der öffentlichen Wut über Kinder in Käfigen erklärte Melanias Sprecherin, die First Lady sei entsetzt. „Beide Seiten“ seien schuld an der Situation, also auch die Demokraten.

Trump nahm die Praxis kurze Zeit später zumindest offiziell zurück. Gegenüber Buchautorin Jordan sollen gleich mehrere Mitarbeiter des Weißen Hauses behauptet haben, die öffentliche Reaktion Melania Trumps sei mit dem Präsidenten abgesprochen gewesen. Er habe zunehmend an der Politik gezweifelt, weil er so viel Kritik auch aus den eigenen Reihen dafür hörte. Trump habe aber gewollt, dass wenigstens seine Frau für seinen Meinungsumschwung verantwortlich gemacht werden würde und nicht seine politischen Gegner einen Triumph feiern.

FAZ.net


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