Endlich ist Sommer, viele Menschen treffen sich unbesorgt in Biergärten oder auf Restaurantterrassen. Dort fühlen sie sich sicher, weil sich das Coronavirus sich an der frischen Luft nicht so gut verbreitet wie in geschlossenen Räumen. Trotzdem müssen die Feiernden auch irgendwann einmal auf die Toilette. Das stille Örtchen haben chinesische Forscher nun zu einem potenziellen Risikoort erklärt.
In der Studie, die im Fachblatt "Physics of Fluids" veröffentlicht wurde, untersuchten die Forscher wie sich kleine Schwebeteilchen beim Spülen einer Toilette in der Luft verteilen. Es sei möglich, dass diese virusbelasteten Aerosol-Wolken von anderen Menschen eingeatmet werden könnten, schlussfolgern die Forscher. Vorangegangene Studien hatten bereits gezeigt, dass der Stuhl von Infizierten Coronavirus-Material enthalten kann.
Die Physiker der Universität von Yangzhou nutzten detaillierte Computermodelle, um die Wasser- und Luftströmungen nachzuzeichnen, die beim Spülen mit verschiedenen Toilettentypen entstehen. Demnach werden in der Toilette Wirbel erzeugt, die sich in Form von Aerosol-Wolken über der Schüssel fortsetzen - bis auf eine Höhe von knapp einem Meter, wo sie eingeatmet werden oder sich auf Oberflächen absetzen könnten.
Aerosole sind winzige Schwebeteilchen, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Als ein Gemisch aus festen oder flüssigen Mikrotröpfchen schweben sie in der Luft. Haften sich Bakterien oder Viren an die Partikel, heißen sie Bioaerosole. Bisher untersuchten Forscher vor allem die Ansteckungsgefahr der Teilchen durch Niesen, Husten oder Sprechen. Wie lange sich die Teilchen in der Luft halten, ist in der Forschung jedoch noch umstritten.
Doch auch Aerosole von Ausscheidungen könnten ansteckend sein, wenn sich dort Coronaviren befinden, so die Forscher.
Die simple Lösung
Die Lösung sei indes einfach: Klodeckel vor dem Spülen schließen. Allerdings hätten viele Toiletten im öffentlichen Raum vor allem in den USA keinen Deckel - eine Tatsache, auf die auch Clemens Wendtner von der Münchner Klinik Schwabing in einem unabhängigen Kommentar hinweist.
Der Infektiologe erinnert in diesem Zusammenhang an Diskussionen über die Verbreitung des Virus auf Kreuzfahrtschiffen. "Ein derartiges Spreading halte ich nicht für ausgeschlossen." Zudem gebe es mehr und mehr Studien zur Virenlast im Stuhl von Covid-19-Patienten.
Wendtner selbst hatte zusammen mit dem Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité eine Analyse im Fachblatt "Nature" veröffentlicht, in der der Infektionsverlauf von neun deutschen Patienten rekonstruiert wurde. Dabei wurde gezeigt, dass sich das Coronavirus vermutlich auch im Magen-Darm-Trakt vermehrte. Im Stuhl der Patienten ließen sich indes keine infektiösen Viren dokumentieren. "Das ist allerdings bei Stuhlproben immer schwer, weil E.-coli-Bakterien immer alles andere überwuchern", merkt Wendtner an. "Wir konnten aber keine replikationsfähigen Viren nachweisen."
Chefarzt rät: "Nicht auf Toilettenbrillen setzen"
Nichtsdestotrotz kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass auch von fäkalen Ausscheidungen ein Infektionsrisiko ausgeht. Das ist zumindest auch die Warnung von Forschern des US-amerikanischen Swedish Medical Centers, die in einer Metaanalyse 29 Studien zu gastrointestinalen Folgen einer Covid-19-Erkrankung mit 4805 Patienten ausgewertet haben. Wie sie im Fachblatt "JAMA Network Open" berichten, gehörten bei mehr als zehn Prozent aller Infizierten Durchfall, Übelkeit oder Erbrechen zu den Symptomen.
Unabhängig davon zeigte sich bei 40 Prozent der Erkrankten das Virus im Stuhl. "In unserer Analyse einiger Studien, in denen Sars-CoV-2-RNA aus dem Stuhl isoliert wurde, könnte der fäkal-orale Übertragungsweg eine zusätzliche potenzielle Quelle für die Ausbreitung von Infektionen sein", fassen die Mediziner zusammen. Ein womöglich entscheidendes Detail dabei: Nur eine Studie habe von lebensfähigen Viren im Stuhl berichtet und das auch nur in zwei von 153 Stuhlproben. Über totes Virenmaterial aber ist keine Ansteckung möglich.
Für die Wissenschaftler sind die Magen-Darm-Probleme daher vor allem weitere Symptome, auf die Ärzte im Zuge einer Corona-Infektion achten sollten - und das vor allem auch mit Blick auf entsprechende Tests. Auch Clemens Wendtner merkt an, dass Stuhlproben gerade bei Kindern ein diagnostisches Mittel sein könnten. Mit Blick auf das Ansteckungsrisiko stelle die Toilettenproblematik aber eher einen Nebenschauplatz dar.
Dennoch sollte das Problem nicht verharmlost werden: "Es ist ein interessanter Aspekt, wenn es um Toiletten in engen Räumen wie auf Kreuzfahrtschiffen, in Zügen, Flugzeugen, Sammelunterkünften oder Asylheimen geht", so der Chefarzt. Entsprechend solle man sich im öffentlichen Raum nicht auf Toilettenbrillen setzen und gängige Hygieneempfehlungen beachten. Er betont aber auch: "Nachdem die Infektionskette über die Lunge läuft, ist es bestimmt relevanter, Abstandsregeln im öffentlichen Raum einzuhalten und Massenveranstaltungen zu vermeiden."
spiegel
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