Ein Coronavirus-Test in unter 45 Minuten

  24 Juni 2020    Gelesen: 1208
  Ein Coronavirus-Test in unter 45 Minuten

Der Technologiekonzern Bosch will noch im Juni einen Corona-Test auf den Markt bringen, der in weniger als einer Dreiviertelstunde das Resultat ausweist. Künftig soll das Analysegerät auch Tests für weitere Erkrankungen möglich machen.

Der Stuttgarter Stiftungskonzern Bosch ist vor allem in der Autobranche bekannt, nicht aber in der Medizintechnik. Somit war es im März schon überraschend, als Bosch mit einem molekulardiagnostischen Corona-Test auf den Markt kam, der in weniger als zweieinhalb Stunden nach Probenentnahme das Ergebnis ausweist. Nun geht der Konzern noch einen Schritt weiter: Bald soll ein Corona-Test folgen, der in weniger als 45 Minuten anzeigt, ob sich der Getestete mit dem Coronavirus angesteckt hat. „Wir stehen kurz vor dem Abschluss der Entwicklung und erwarten, dass wir den Test noch im Juni anbieten können. Für Anfang August ist dann auch die CE-Kennzeichnung geplant“, sagte Marc Meier, Geschäftsführer der Sparte Healthcare-Solutions, im Gespräch mit der F.A.Z. Bosch-Chef Volkmar Denner hatte auf der Bilanzpressekonferenz Ende April angekündigt, solch einen Test sehr bald anbieten zu wollen.

Beide Corona-Tests nutzen ein vollautomatisches Verfahren zum Nachweis von Virenerbgut, für welches ein Abstrich aus dem Nasen- oder Rachenraum nötig ist. Während der bisherige Test neben Corona noch auf neun weitere Atemwegserkrankungen prüft, zielt der neue Test nur noch auf das Coronavirus ab. Die entnommene Probe wird dabei zunächst in eine Kartusche gegeben, die schon alle erforderlichen Reagenzien enthält und so ein abgeschlossenes System bildet. Die Kartusche wird dann wiederum in das von Bosch über Jahre entwickelte Analysegerät eingeführt. Jedes Analysegerät kann immer nur einen Test gleichzeitig bearbeiten. Am Tag schafft das Gerät, das einen niedrigen fünfstelligen Eurobetrag kostet, vom bisherigen Test rund zehn Proben, vom neuen Test können dann rund 30 Proben verarbeitet werden. Der bisherige Test kostet einen hohen zweistelligen Eurobetrag, der neue Test wird nach Angaben Meiers etwas günstiger und einen mittleren zweistelligen Eurobetrag kosten.

„Die Nachfrage nach unseren bisherigen Sars-CoV-2-Tests ist extrem hoch, und wir sind gut damit beschäftigt, die Nachfrage zu decken“, sagte Meier. Dass sich die Tests nun kannibalisieren könnten, glaubt der Manager nicht. In der Grippesaison, die im Herbst wieder anstünde, sei der bisherige Test gut geeignet, um andere Indikationen ebenfalls abzufragen.

Produktion läuft auf Hochtouren

Die Test-Produktion wird derzeit ausgebaut. In diesem Jahr sollen mehr als eine Million Tests gefertigt werden, im kommenden Jahr sollen es drei Millionen sein. „Wir haben unsere Fertigung in Waiblingen so ausgelegt, dass wir die Kartuschen beider Tests flexibel produzieren können“, sagte Meier. Trotz der hohen Nachfrage solle die Fertigung allerdings nicht auf andere Standorte ausgeweitet werden: „Wir fertigen die Tests ausschließlich im Werk in Waiblingen bei Stuttgart und planen, dies auch in den kommenden Jahren zu tun.“ Bosch zielt mit dem Analysegerät, das nach Unternehmensangaben in der Handhabung kein besonders geschultes Personal braucht, eher auf das Gesundheitswesen ab, also etwa den Einsatz in Kliniken, wie es Denner im Gespräch mit der F.A.Z. schon im Frühjahr erklärt hatte.

Ein großer Teil der Analysegeräte werde tatsächlich in Kliniken eingesetzt, aber auch Industrieunternehmen zählten zu den Kunden, da sie auf diesem Wege ihre Mitarbeiter testeten, sagte Meier nun. Auch Bosch selbst setze die Geräte an vielen Standorten ein. „Die Produktion unserer Analysegeräte läuft auf Hochtouren. Alle Geräte, die wir aktuell fertigen, sind in der folgenden Woche schon wieder verkauft“, sagte Meier. In einer Woche produziere man eine „mittlere zweistellige“ Zahl, rund 500 Geräte seien im Markt.

Bosch ist nur eines von vielen großen und kleinen Unternehmen auf der Welt, das Corona-Tests anbietet. Diagnostik- und Medizintechnikkonzerne wie Roche, Siemens oder Abbott setzen dabei auf eigene riesige Maschinen, die in industriellem Maßstab teilweise mehrere tausend Tests am Tag verarbeiten können. Große Labore mit entsprechendem Durchsatz greifen auf solche Geräte zurück. Bosch sieht im eigenen System, das im Vergleich täglich nur einen Bruchteil an Tests verarbeiten kann, den Vorteil, dass lange Transportwege entfallen, da Probenentnahme und Analyse an einem Ort geschehen.

Der medizintechnische Bereich ist mit 150 Mitarbeitern im großen Bosch-Konzern vergleichsweise klein. Allerdings hat Meier noch viel vor. „Wir haben unsere Zulassungsprozesse zunächst auf Deutschland und Europa fokussiert und arbeiten aktuell daran, die Zulassung in den Vereinigten Staaten zu bekommen“, sagte er. Zudem sollen in Kooperation mit verschiedenen Partnern, die für die Entwicklung der biologischen Komponenten zuständig sind, noch weitere Tests für das Analysegerät folgen, etwa für Pilz-, Magen-Darm- oder Harnwegserkrankungen.

FAZ.net


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