Wirecard stellt Insolvenzantrag - Aktienkurs rauscht weiter ab

  25 Juni 2020    Gelesen: 754
Wirecard stellt Insolvenzantrag - Aktienkurs rauscht weiter ab

Der Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard droht das Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit zu stürzen. 

Der Vorstand entschied am Donnerstag, beim zuständigen Amtsgericht München Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, wie Wirecard mitteilte. Die Deutsche Börse setzte den Handel mit der Wirecard-Aktie zeitweilig aus - danach rauschte der Kurs weiter in die Tiefe.

Den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stelle Wirecard wegen "drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung", teilte das Unternehmen mit. Es werde zudem geprüft, ob Insolvenzanträge für Tochtergesellschaften der Wirecard-Gruppe gestellt werden müssten.
Wirecard hatte die Finanzmärkte am Donnerstag vor einer Woche mit der Nachricht schockiert, dass in der Jahresbilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen. Am Montag hatte der Konzern dann eingeräumt, dass das Geld bei zwei philippinischen Banken mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht existiert.

Die Staatsanwaltschaft München I wirft dem vergangene Woche zurückgetretenen Wirecard-Chef Markus Braun angesichts des Milliardenlochs vor, mit weiteren mutmaßlichen Tätern die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben. Ziel sei es gewesen, das Unternehmen finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver darzustellen.

Braun war am Dienstag wegen des Verdachts der Marktmanipulation festgenommen worden, wurde gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro noch am selben Tag aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Einen Haftbefehl gibt es laut Medienberichten zudem auch gegen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der sich demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit in der philippinischen Hauptstadt Manila aufhalten soll.

Wegen des 1,9-Milliarden-Euro-Lochs in der Bilanz konnte Wirecard bislang keinen Jahres -und Konzernabschluss vorlegen. Der Zahlungsdienstleister hatte deshalb bereits vergangene Woche gewarnt, die Banken könnten Kredite in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro kündigen.

Die Wirecard-Aktie hatte wegen des Bilanzskandals bis Donnerstagvormittag bereits rund 90 Prozent an Wert verloren. Kurz vor der Veröffentlichung der Nachricht über den Insolvenzantrag wurde der Handel mit der Aktie für 60 Minuten ausgesetzt. Im Anschluss stürzten die Wirecard-Titel weiter ab und notierten gegen Mittag bei rund vier Euro - damit hat die Aktie binnen einer Woche gut 95 Prozent an Wert verloren.

Wirecard stand seit der Gründung 1999 immer wieder im Zentrum von Aktienspekulationen. Anfang 2019 standen sogar schwere Betrugsvorwürfe im Raum. Die britische "Financial Times" berichtete wiederholt über vorgetäuschte Umsätze und gefälschte Verträge bei Wirecard in Singapur. Wirecard wies die Anschuldigungen stets als verleumderisch zurück.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz, Mitglied im Finanzausschuss, bezeichnete den Insolvenzantrag als beispiellosen Vorgang. "Dass ein Dax-Konzern innerhalb kürzester Zeit als Börsenstar in die Insolvenz schlittern konnte, wirft ein schlechtes Licht auf den gesamten Standort Deutschland", kritisierte er. Besonders die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und die Abschlussprüfer müssten nun "umfassend erklären, warum diese Entwicklung zu keinem Zeitpunkt vorhergesehen und verhindert werden konnte", forderte er. Nötig sei eine umfassende parlamentarische Aufarbeitung.

FDP-Chef Christian Lindner forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Donnerstag, die Finanzaufsicht müsse internationaler arbeiten können und brauche mehr Wissen über die internationalen Kapitalmärkte. "Die Bafin ist nicht mehr auf Augenhöhe mit den neuen Entwicklungen am Kapitalmarkt."

"Sie braucht mit Sicherheit eine personelle Verstärkung, damit sie die komplizierten Vorgänge und Strukturen auch wirklich verstehen und prüfen kann", forderte Lindner. "Es muss aufgearbeitet werden, warum die Bafin nicht aus eigener Initiative eine vertiefte Prüfung der Vorgänge vorgenommen hat." Es habe über Monate Berichterstattung über Manipulationen gegeben. "Das hätte ein Anlass sein müssen für eine detaillierte Tiefenprüfung dieses Finanzmarktakteurs."

AFP.com


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