Die Lufthansa ist ein großes Unternehmen, weltweit beschäftigt sie etwa 138.000 Mitarbeiter. Zwei von ihnen arbeiten für eine kleine Tochterfirma auf Malta. Die ist so klein, dass die beiden die einzigen Mitarbeiter sind. Trotzdem haben sie voriges Jahr fast 200 Millionen Euro Gewinn für die Fluggesellschaft gemacht. "Das ist ein Indiz, dass es sich nicht um eine übliche Arbeitsstätte handelt", sagt Konrad Duffy, Referent für Finanzkriminalität bei der Bürgerbewegung Finanzwende. Als bekannt wurde, dass die Lufthansa in der Corona-Krise mit milliardenschweren Staatshilfen vor der Pleite gerettet werden soll, hat der gemeinnützige Verein deshalb beim Netzwerk Steuergerechtigkeit eine Untersuchung in Auftrag gegeben.
Das Ergebnis ist aus Sicht der Lufthansa wenig schmeichelhaft: Die Airline habe in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt auffällig wenig Unternehmenssteuern gezahlt, heißt es im Fazit. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sie Gewinne in Schattenfinanzzentren verschiebt, also in Steueroasen. Durch Tochtergesellschaften wie der mit zwei Mitarbeitern auf Malta. Denn davon hat die Lufthansa insgesamt 92.
Der niedrigste Steuersatz der EU
"Eine hohe Zahl", sagt Steuerexperte Duffy. "Die könnte legitimiert werden, wenn die Lufthansa transparent aufzeigt, wieso das so ist. Wir finden, der Wert wirft Fragen auf: Beim genaueren Hinschauen hat sich der Verdacht auf Steuer getriebene Unternehmensstrukturen immer nur erhärtet."
Dabei sieht der maltesische Unternehmenssteuersatz auf den ersten Blick alles andere als verdächtig aus. Mit 35 Prozent verlangt die Mittelmeerinsel sogar fünf Prozent mehr als Deutschland. Aber ausländische Unternehmen bekommen einen Großteil ihrer gezahlten Steuern wenig später zurück. "Im Endeffekt reduziert das den Steuersatz auf zirka fünf Prozent", sagt Duffy. "Das ist der niedrigste innerhalb der EU."
Um diese Art von Steuerumgehung und dadurch sinkende Steuereinnahmen der Staaten zu vermeiden, wünschen sich Organisationen wie die Bürgerbewegung Finanzwende mehr Transparenz. Im vergangenen November war die EU auch kurz davor, ein sogenanntes "Country by Country"-Reporting einzuführen.
EU-Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, Italien und Polen waren für den Vorschlag, denn sie profitieren, wenn Unternehmen dort ihre Steuern zahlen, wo sie sitzen - nämlich in der Regel in den großen Staaten. Kleinere Länder wie Malta, Irland und Luxemburg waren gegen die Regelung. Sie wollen die Steuern über Tochtergesellschaften bei sich verrechnen.
Am Ende ging die Abstimmung knapp verloren. Unter anderem, weil Deutschland sich enthielt. Die SPD hatte das Vorhaben in der Großen Koalition zwar unterstützt, die CDU stellte sich allerdings quer. Das "Country by Country"-Reporting würde deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen, ließ Wirtschaftsminister Altmaier damals mitteilen. Die Botschaft war eindeutig: Steuerumgehungen sind in Ordnung, wenn deutsche Unternehmen davon profitieren. In diesem Fall verzichtet die Bundesregierung auch auf wichtige Einnahmen, die sie in Situationen wie der Corona-Krise eigentlich gut gebrauchen könnte - um die betroffenen Unternehmen zu retten.
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Quelle: ntv.de
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