Alpina XB7 - das große Ding aus Buchloe

  26 Juni 2020    Gelesen: 808
  Alpina XB7 - das große Ding aus Buchloe

Mit dem XB7 hat Alpina jetzt das ganz große Ding im Programm. Und hier sind nicht nur die Ausmaße des SUV gemeint, sondern auch das, was der Veredler bei Motor und Fahrwerk geleistet hat. Fragt sich nur, ob man das braucht. Alpina gibt die Antwort am Bilsterberg.

Um der Faszination für einen BMW Alpina anheimzufallen, braucht es nicht nur ein gut gefülltes Bankkonto, man muss sich wahrscheinlich auch mit der Geschichte und der daraus resultierenden Philosophie auseinandersetzen. Alpina ging, gegründet von Burkhard Bovensiepen, 1963 als Fahrzeugtuner an den Start. Bereits damals konzentrierte man sich darauf, BMW-Modelle noch spritziger zu machen. Allerdings kam man recht schnell darauf, dass das pure Aufmotzen von bayrischen "Freude-am-Fahren-Autos" nicht ausreicht, um sich von anderen Tunern zu unterscheiden. Also ging man dazu über, sich nur noch die Rosinen aus dem Motorenportfolio zu picken und mit denen die dazugehörigen Fahrzeugen auf temporeiche Langstreckenautos zu trimmen.

Und dabei ist es bis heute geblieben. Alpina probt dauerhaft den Spagat zwischen Sportlichkeit und Langstrecke, ohne dabei der M GmbH zu nahe zu kommen oder aber zu dicht am normalen BMW zu bleiben. Was in Zukunft um so schwieriger wird, weil das optische Aushängeschild der Autoveredlers aus Buchloe im Landkreis Ostallgäu viele Jahrzehnte auf charakteristisches Grün und Blau, goldene oder silberne Dekorstreifen und 20-Speichen-Räder setzte. Eine Kombination, die mit Verlaub heute mehr als altbacken aussieht. Auch die changierenden Lackierungen beißen inzwischen das Auge mehr, als dass sie ihm schmeicheln. Natürlich bietet Alpina hier unterdessen schicke Alternativen, die sich dann aber kaum noch von einem BMW von der Stange unterscheiden.

Wo liegt der Unterschied?

Wo also liegt dann der entscheidende Unterschied? Zum einen in der dem Fahrzeug durch Alpina verabreichten Leistung, zum anderen in der Spreizung zwischen Komfort und Sport. Denn, so Andy Bovensiepen, einer der beiden Söhne des Gründers, der heute die Geschäfte leitet: "Unsere Fahrzeuge sind für Vielfahrer. Leute, die im Schnitt 80.000 Kilometer im Jahr fahren. Die setzen ganz klar auf Langstreckenkomfort." Klar! Ein Grund also, warum der Alpina XB7 in den Fahrmodi nicht nur das Programm Comfort, sondern auch Comfort Plus anbietet. Aber braucht es das? Also, nicht nur das aufgeblähte Komfort-Programm, das sich auf einem ersten Test sehr US-amerikanisch anfühlt, sondern braucht es überhaupt die Modifizierung eines BMW X7?

Zumal die Alpina-Grundlage der X7 M50i ist, unter dessen Haube ein V8 aus 4395 Kubikzentimetern Hubraum 530 PS schöpft und ein maximales Drehmoment von 750 Newtonmeter an alle vier Räder weiterreicht. Wenn Alpina mit dem Bayern fertig ist und er das Kürzel XB7 trägt, sind es 621 PS und 800 Newtonmeter maximales Drehmoment. Was dieses 2,7 Tonnen schwere Ungetüm dann auch in die Lage versetzt, in 4,2 Sekunden auf Tempo 100 zu beschleunigen und 290 km/h schnell zu werden. Beide Werte gehören zu den Alpina-Aushängeschildern: Ein hohes Drehmoment sorgt für super Beschleunigungswerte und bei der Höchstgeschwindigkeit macht man in Buchloe eh keine Gefangenen, die ist immer offen. Nur zum Vergleich: der X7 M50i braucht 4,7 Sekunden, um aus dem Stand Landstraßentempo zu erreichen und ist bei 250 km/h abgeregelt.

Für den Geschwindigkeitsrausch

Aber sind diese Werte, die ein normalsterblicher Autofahrer im besten Fall mit einem hochachtungsvollen Nicken zur Kenntnis nimmt, dann auch knapp 35.000 Euro Aufpreis wert? Tatsächlich kostet so ein Alpina XB7 mindestens 150.000 Euro. Klar, dafür verspricht Andy Bovensiepen dann auch, dass man "den Wagen auf der Autobahn bei 195 einfach verreißen kann und nichts passiert". Mal davon abgesehen, dass außer dem Chef von Alpina kein Mensch sein Auto bei 195 km/h verreißen möchte, schon gar nicht auf einer Autobahn, will Herr Bovensiepen darauf aufmerksam machen, was technisch noch alles am XB7 verändert wurde. Dass zum Beispiel ein traktionsorientiertes Allradsystem und verstärkte Gelenk- und Abtriebswellen verbaut wurden. Und dass natürlich auch das neueste achtstufige Sport-Automatik-Getriebe von ZF mit Alpina Switch-Tronik für kürzeste Schaltzeiten sorgt.

Ebenso wichtig für den schnellen Ritt ist natürlich die überarbeitete Luftfederung mit "Alpina-spezifischer Auslegung". Wer zum Beispiel im Sportmodus ab 160 km/h unterwegs ist, wird um 20 Millimeter abgesenkt. Weitere 20 geht es Richtung Asphalt, wenn Sport Plus gewählt wurde und man bereits 250 km/h zur Reisegeschwindigkeit erkoren hat. Wer aber, wie für den Test des XB7 geschehen, auf die Rennstrecke geht, noch dazu, wenn es eine solch anspruchsvolle ist wie die am "Bilsterberg", sollte ohnehin eines der Sportprogramme gewählt haben. Im Komfortmodus, einmal mehr in Comfort Plus, schaukelt das Trumm nämlich wie ein Fischkutter im Hochseesturm ums Eck und der Glaube daran, dass man diese physikalische Urgewalt noch beherrschen kann, wenn man bei "195 km/h das Lenkrad verreißt", schwindet ganz schnell.

Echt gutmütig

Andererseits muss man dem XB7 ein gerütteltes Maß an Gutmütigkeit testieren. Schaukelt er sich wirklich mal neben die Spur, dann greift die Traktionskontrolle und schiebt die Fuhre sanft zurück. Besser ist es natürlich, wenn man hier die Alpina-Sportauslegung des Fahrwerks gewählt hat. Selbstverständlich arbeiten auch jetzt noch die ungefederten Massen gegen jede vorgegebene Richtung, aber man merkt schon, dass hier viel Arbeit in die Applikation des Fahrwerks investiert wurde. Am deutlichsten wird das beim Test auf der Rennstrecke an zwei Dingen.

Zum einen kann man ohne große Kraftbeigabe durch das Gaspedal die schiere Masse sehr flüssig und schnell durch die Kurve fliegen lassen, zum anderen reagiert der Wagen ausgesprochen souverän, wenn er vor dem Kurvenausgang, verursacht durch einen nervösen Fuß des Fahrers, zu viel Drehmoment bekommt. Ob sich das Vermögen jetzt exponentiell von dem eines BMW X7 M50i unterscheidet, kann an dieser Stelle nicht gesagt werden, weil der direkte Vergleich fehlt. Fakt ist aber, dass das Kürzel M im Namen schon darauf hindeutet, dass es auch hier etwas sportlicher zur Sache gehen darf. Bei der spontanen Beschleunigung auf 185 km/h dürfte es sich aber allenfalls um Zehntelsekunden handeln, die der BMW hier an den XB7 von Alpina abgeben muss.

Die Konkurrenz im Blick

Was natürlich einmal mehr die Frage aufwirft, warum es nun unbedingt ein Alpina XB7 sein muss. Um das zu verstehen, muss man sich auch die anderen Mitbewerber ansehen. Was den Sprint und die Höchstgeschwindigkeit betrifft, sind das der Audi RS Q8 und der Porsche Cayenne Turbo. Beide beschleunigen zwar schneller als der XB7, aber keiner übertrifft das Buchloer Super-SUV in der Spitzengeschwindigkeit. Und da wir ja schon geklärt haben, dass die Kundschaft von Alpina viel Strecke mit ihren Autos macht, darf man bei dem Preis auch davon ausgehen, dass es noch einige andere Feinheiten für das Geld gibt. Dazu zählen natürlich eine Alpina Sportabgasanlage - wäre ja schade, wenn man im Sportmodus nicht hören würde, dass da was Gewaltiges angeflogen kommt - und natürlich die Innenausstattung.

Nimmt man das optionale und sündhaft teure Lavalina-Leder für die Polster, dann fallen solche Beigaben wie beleuchtete Einstiegsleiste, Glas-Applikationen, Produktionsnummernschild, Fußmatten, handgenähtes Sportlederlenkrad, Intarsien in "Walnuss Natur Anthrazit", alles im Alpina-Design, kaum noch ins Gewicht und sind somit auch gleich eingepreist. Das ist wichtig, denn in Buchloe rechnet man fest damit, dass die Vielfahrerkundschaft auch Fahrzeuge wie einen Mercedes-AMG GLS 63 oder einen Range Rover SVAutobiography mit Blick auf den XB7 links liegen lässt. Preislich würde die Rechnung sogar aufgehen. Denn für weniger Geld bekommt man die auch nicht.

Quelle: ntv.de


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