Ausländische Studierende an US-Universitäten sollen nach dem Willen der amerikanischen Regierung das Land verlassen, sofern ihre Hochschulen wegen der Corona-Pandemie im Wintersemester ausschließlich Onlinekurse anbieten. Das teilte die US-Einwanderungsbehörde ICE mit. Die Studierenden müssten ausreisen oder an eine Hochschule wechseln, die Präsenzunterricht anbietet.
Ausländern, die ihr Studium an einer Hochschule aufnehmen wollen, die ab Herbst nur digitale Lehre anbietet, wird den Angaben zufolge kein Visum ausgestellt. Ihnen soll die Einreise ins Land verweigert werden. Eine Ausnahme gilt an Unis, die einen Mix aus Fern- und Präsenzunterricht anbieten.
Die Neuregelung betrifft Studierende, die ein F1-Visum, ein Studentenvisum für die USA, besitzen oder beantragen wollen, aber auch Studierende an nicht-akademischen Bildungseinrichtungen wie etwa Flugschulen (M-1-Visum). Man modifiziere damit eine wegen der Ausbreitung des Virus für das vergangene Semester geschaffene Ausnahmeregelung, hieß es von der Behörde. Damit seien wegen der Pandemie mehr Onlinekurse erlaubt gewesen, als eigentlich für Ausländer gestattet sind.
Trumps Eindämmung legaler Einwanderung
Kritiker vermuten allerdings, die US-Regierung nutze die Corona-Pandemie erneut, um die eigene Agenda voranzutreiben und die legale Einwanderung in die USA einzudämmen. US-Präsident Donald Trump hatte im vergangenen Monat bereits die Aussetzung verschiedener Arbeitsvisa verfügt. Er weitete zudem den Stopp legaler Einwanderung bis zum Jahresende aus und begründete dies mit der hohen Arbeitslosigkeit in den USA infolge der Pandemie.
Von der Neuregelung zu Onlinelehre und Studentenvisa könnten einige hunderttausend ausländische Studierende betroffen sein, wie der Sender CNN berichtete. Unter anderem hatte die Elite-Universität Harvard am Montag angekündigt, wegen des Coronavirus im Wintersemester alle Vorlesungen online abzuhalten. Gleichzeitig darf nur eine begrenzte Zahl der Studierenden, die auf dem Campus wohnen, wieder dort in die Wohnheime ziehen.
Von den Bachelor-Studierenden sollen rund 40 Prozent zurückkommen, teilte die Hochschule mit. Die sonst üblichen doppelt belegten Zimmer solle es dabei nicht mehr geben. Auch an der Universität Princeton werde "der meiste Unterricht" online stattfinden, hieß es am Montag. Dort darf auch nur rund die Hälfte der Bachelor-Studierenden wieder in Wohnheime auf dem Campus zurückkommen.
Ankündigung löst Entsetzen aus
Bildungsexperten und Betroffene zeigten sich über die Ankündigung der Einwanderungsbehörde bestürzt. "Diese Mitteilung bringt so viel Unsicherheit mit sich", sagte Valeria Mendiola, 26, eine mexikanische Doktorandin in Harvard, dem Sender CNN. "Das ist so frustrierend. Wenn ich nach Mexiko zurückkehren muss, kann ich das tun, aber viele ausländische Studierende haben gar nicht die Möglichkeit, nach Hause zu reisen."
Theresa Cardinal Brown von der überparteilichen Organisation Bipartisan Policy Center mahnte in dem Bericht, einige Heimatländer der ausländischen Studierenden hätten wegen der Pandemie Reisebeschränkungen: "Die Studierenden können dann nicht nach Hause gehen. Was machen sie dann?"
Die Visa-Regeln für Studierende waren in den USA schon immer streng. Es war auch verboten, ins Land zu kommen, um dort dann nur Onlinekurse zu belegen. Aber die aktuelle Regelung wird Kritikern zufolge den besonderen Umständen der Pandemie überhaupt nicht gerecht. Brad Farnsworth, Vizepräsident der Hochschulvereinigung American Council on Education, warnte vor "Verwirrung und Verunsicherung".
"Wir hatten uns erhofft, dass man den unterschiedlichen Regeln an den Hochschulen mehr Rechnung tragen wird", wird Farnsworth von CNN zitiert. Die neuen Leitlinien würden zu einem großen Problem werden, etwa wenn sich das Infektionsgeschehen im Herbst verschlechtert und Unis, die bis dahin Präsenzunterricht angeboten hätten, auf Onlinekurse umstellen müssten. Sollen die Studierenden dann im laufenden Semester gehen?
Farnsworth mahnte, die Mitteilung treffe einfach "nicht den richtigen Ton". Bei internationalen Studierenden, die bereits in den USA seien, werde die Mitteilung Angst auslösen "und diejenigen, die noch darüber nachdenken, wohin sie im Herbst zum Studium gehen wollen, werden sich wohl für ein anderes Land entscheiden."
spiegel
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