Die Stuttgarter Polizei hat in den vergangenen Tagen viel Kritik für ihre Ermittlungen zu den Krawallen Ende Juni einstecken müssen. Nun verteidigt der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann ihr Vorgehen. "Ich kann kein Fehlverhalten der Polizei erkennen", sagte der Grünenpolitiker. Durch den falsch transportierten Begriff der "Stammbaumrecherche", den die Polizei offenbar nie verwendete, sei eine "völlig vergiftete Debatte" aufgekommen.
Es sei wichtig, mehr über die mutmaßlichen Täter der Stuttgarter Krawallnacht und auch über ihre Lebensumstände zu erfahren, sagte Kretschmann. Das sei auch nicht problematisch, solange man sich an das Gesetz halte.
Für Aufsehen gesorgt hatte ein Bericht der "Stuttgarter Zeitung", wonach Stuttgarts Polizeipräsident Franz Lutz im örtlichen Gemeinderat eine "Stammbaumrecherche" zu deutschen Tatverdächtigen der Krawalle angekündigt hatte. Dabei ging es um die Frage, wie viele der Beschuldigten einen Migrationshintergrund haben. Um den Begriff der Stammbaumrecherche oder -forschung entbrannte daraufhin eine hitzige Debatte, allerdings wurde er laut Protokoll der Gemeinderatssitzung überhaupt nicht benutzt.
In Stuttgart hatte es in der Nacht zum 21. Juni schwere Auseinandersetzungen gegeben. Randalierer zerstörten Schaufenster und plünderten Geschäfte, es kam zu heftigen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Nach Angaben der Polizei waren 400 bis 500 Menschen an den Ausschreitungen beteiligt oder hatten zugeschaut, 32 Polizisten wurden verletzt. 44 Verdächtige wurden bis Dienstag ermittelt, gegen 23 Beschuldigte wurden Haftbefehle erlassen.
Die Polizei wird kritisiert, weil sie nach eigenen Angaben bei elf ermittelten Tatverdächtigen über die Standesämter die Nationalität der Eltern erfragt hat, nachdem in den Vernehmungen entsprechende Angaben verweigert wurden.
Kretschmann bat seinen Innenminister um weitere Nachforschungen
Kretschmann hatte Ende Juni ein genaueres Bild von den Beteiligten der Chaosnacht gefordert. Mit der Information, wie viele der Beteiligten einen Migrationshintergrund haben, könne man erst mal nicht viel anfangen, sagte Kretschmann damals. Es brauche präzisere Auskünfte. "Wenn das bestimmte Milieus sind, die jetzt aus Migranten-Communitys oder so kommen - das sind wichtige Dinge, mit denen kann man dann was anfangen."
Der Ministerpräsident bat den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) um einen dezidierten Bericht bis spätestens nach der Sommerpause. Die Aussagen Kretschmanns waren jedoch an das Innenministerium und nicht an die Polizei gerichtet, hieß es am Montag aus dem Staatsministerium.
Vor Kretschmann hatte bereits Innenminister Strobl das Vorgehen der Polizei verteidigt. "Die Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse kann ein Teil der polizeilichen Ermittlungen sein, das ist wichtig etwa für die strafrechtliche Aufarbeitung und für geplante Präventionsmaßnahmen", teilte Strobl am Montag mit. Es finde aber keine "Stammbaumforschung" statt.
"Es kann freilich die Nationalität der Eltern, und nur der Eltern - ich betone: nicht der Großeltern und schon gar nicht die der Urgroßeltern - von Tatverdächtigen erhoben werden", sagte Strobl. Er rief zum "verbalen Abrüsten" und zur Rückkehr zu einer sachlichen Debatte auf.
spiegel
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