Die Wucht der Pandemie verändert New York

  16 Juli 2020    Gelesen: 496
Die Wucht der Pandemie verändert New York

Eine Situation wie in diesen Wochen, die gab es in New York seit über zehn Jahren nicht mehr: Es herrscht Leerstand an Mietwohnungen. Grund dafür: die Corona-Pandemie. Viele Bewohner erkennen die Stadt nicht mehr wieder. Aber in der Krise liegt auch eine Chance für die Metropole.

Auf den Straßen von New York City sind zurzeit viele Umzugswagen unterwegs. Nach den traumatischen Erfahrungen zum Anfang der Corona-Epidemie in den USA, in denen die New Yorker tagein tagaus in zu kleinen Wohnungen saßen und Angst vor einer Ansteckung in ihrer dicht bevölkerten Millionenmetropole hatten, kehren viele der Stadt nun den Rücken und ziehen in ihre Vororte oder aufs Land. Überall im Zentrum stehen nun leere Wohnungen - und New York steht wieder einmal vor einem Umbruch.

"Ich war noch nicht bereit zu gehen", erinnert sich Nick Barnhorst an seine Gefühlslage im Februar, als das Coronavirus New York noch nicht in einen Ausnahmezustand versetzt hatte. Der 41-Jährige lebte seit elf Jahren in NYC und liebte die Stadt. Wegziehen, um mehr Platz für seine wachsende Familie zu haben, wollte er frühestens in einem Jahr. Dann aber überschlugen sich die Ereignisse: Barnhorsts Frau wurde mit ihrem dritten Kind schwanger - und Sars-CoV-2 wütete in New York. Barnhorst traf die Erkenntnis wie ein Schlag: "Nichts wie raus hier, und das schnellstmöglich".

Kommende Woche ziehen Barnhorst und seine Familie nach Mamaroneck, einem wohlhabenden Vorort. "Ich habe immer gedacht, dass man mich hier wegschleppen muss - aber jetzt kann ich mich gar nicht genug freuen," sagt der 41-Jährige. Er ist nicht der einzige in seinem Umfeld. Ein Freund und dessen im achten Monat schwangere Frau flohen Anfang März für ein Wochenende aus New York zu Verwandten nach Massachusetts - und kamen nicht mehr in den Big Apple zurück. Der Freund tauschte seine Eigentumswohnung gegen ein Heim in einem Vorort in Westchester County.

"Nichts, was die Stadt ausmacht ..."

"Mit zwei Kindern vier Monate lang in einer kleinen Wohnung gefangen zu sein, und nichts, was diese Stadt ausmacht, findet mehr statt - das macht es leicht wegzugehen", sagt auch Barnhorst. Die Suche nach einer neuen Bleibe war für ihn allerdings nicht einfach, weil die Preise in New Yorks Vororten in die Höhe geschossen sind. Eine satte Preissteigerung um 20 Prozent sind keine Seltenheit, sagt Richard Stanton, Immobilienmakler in Montclair. Eine "wahre Flut" an Kaufinteressenten komme in die Kleinstadt im benachbarten Bundesstaat New Jersey.

Die Corona-Krise vergleichen Gouverneur Andrew Cuomo und Bürgermeister Bill de Blasio oft mit der Situation nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, die die Stadt würdevoll meisterte. Dillon Kondor empfindet das ganz anders. Der "New Yorker Stolz" nach 9/11 habe ihn in die Stadt gezogen, sagt der Gitarrist, der für Broadway-Musicals gearbeitet hat. Jetzt sei aber alles, was New York zu einem Anziehungspunkt gemacht habe - seine Restaurants, Theater und Läden - lahm gelegt, sagt Kondor. Und die Menschenmassen seien für ihn keine Quelle der Inspiration mehr, sondern ein Grund zur Beunruhigung.

Klar wurde dem Musiker das, als er im Frühling mit seiner Frau durch den Central Park spazierte und sie allzu vielen Leute ohne Masken begegneten. Auf dem Heimweg "sagte einer von uns: Wir müssen aus der Stadt raus". Und tatsächlich zog das Paar im Juni nach Tarrytown im Hudson Valley.

Im Süden von Manhattan stehen mehr als fünf Prozent der Mietwohnungen leer - so etwas gab es seit zehn Jahren nicht mehr. Doch der aktuelle Exodus ist auch eine Chance für die Stadt, sich wie so oft schon zu erneuern, meint Immobilienmakler Stanton. "Sollten in New York City die Preise fallen, wäre das für junge Leute eine gute Gelegenheit, dort hinzuziehen."

Quelle: ntv.de, Thomas Urbain, AFP


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