In Jerusalem haben erneut Tausende Demonstranten gegen den Premierminister Benjamin Netanyahu protestiert und seinen Rücktritt gefordert. Im Laufe des Abends bildete sich eine Gegendemonstration, als sich Unterstützer des Regierungschefs versammelten.
Die Polizei trennte zunächst die beiden Lager, forderte die Teilnehmer beider Seiten aber auf, die nicht genehmigte Kundgebung aufzulösen. Als sich die Demonstranten weigerten, gingen die Beamten kurz nach Mitternacht unter Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern gewaltsam vor. Nach Angaben der Polizei wurden 55 Menschen vorläufig festgenommen. Ihnen wurden demnach Störungen der öffentlichen Ordnung vorgeworfen.
Netanyahu wegen Corona-Maßnahmen und Korruptionsprozess unter Druck
In Jerusalem und Tel Aviv hat es in den vergangenen Tagen mehrfach Demonstrationen gegen Netanyahu gegeben. Die Kundgebungen begleiten den Korruptionsprozess gegen den Regierungschef. Zuletzt wurde Netanyahu auch wegen seiner Handhabung der Coronakrise kritisiert. Vorgehalten werden ihm unter anderem vorschnelle Lockerungen und eine mangelnde Vorbereitung auf eine zweite Welle.
Die Regierung hatte zunächst eine großflächige Ausbreitung des Virus verhindert, indem sie Mitte März eine strikte Ausgangssperre verhängte. Ende Mai wurden viele Corona-Einschränkungen aber gelockert, in der Folge schnellten die Infektionszahlen in die Höhe. Die Regierung ordnete daraufhin eine Reihe neuer Maßnahmen an.
Netanyahu hat bereits eingeräumt, die Corona-Maßnahmen zu früh gelockert zu haben. Angesichts der anhaltenden Proteste kündigte er vor Kurzem finanzielle Soforthilfen für alle Bürger an. Experten halten dies jedoch für ungeeignet. Sie fordern stattdessen gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft.
Der Regierungschef steht derzeit auch wegen einer Korruptionsanklage unter erheblichem Druck. Seit Mai muss Netanyahu sich wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit, des Betrugs und der Untreue vor Gericht verantworten. Der Premier bestreitet sämtliche Vorwürfe, den Prozess bezeichnet er als politisch motivierte "Hexenjagd" seiner Gegner. Rechtsexperten erwarten einen langen und schwierigen Prozess.
spiegel
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