Nordkorea hat erstmals offiziell einen Coronavirus-Verdachtsfall bestätigt. Bei einer Krisensitzung des Politbüros erklärte Staatschef Kim Jong Un laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA den "maximalen Alarmzustand". Über die Stadt Kaesong an der Grenze zu Südkorea wurde eine Ausgangssperre verhängt.
Bei dem mutmaßlich Infizierten soll es sich nordkoreanischen Angaben zufolge um einen "Überläufer" handeln, der vor drei Jahren nach Südkorea gegangen sei. Vor einer Woche habe er dann die Grenze "illegal überquert" und sei nach Nordkorea zurückgekehrt. Unabhängige Beobachter halten diese Darstellung für wenig plausibel: Die Grenze zwischen den beiden koreanischen Bruderstaaten wird von beiden Seiten scharf bewacht.
Coronavirus längst in Nordkorea?
Ein unbemerkter Grenzübergang erscheint nahezu unmöglich: Über Hunderte Kilometer zieht sich der mehrere Kilometer breite Sperrgürtel mit Stacheldraht bewehrten Zäunen, Minenfeldern, Wachtürmen und elektronischen Signalanlagen quer durch die koreanische Halbinsel. Von südkoreanischer Seite wurde keine Überquerung der Grenze gemeldet.
Laut KCNA befindet sich der Patient in Kaesong unter "strikter Quarantäne". Es handele sich um eine "gefährliche Situation", die zu einer "tödlichen und zerstörerischen Katastrophe führen" könne. KCNA zitierte Staatschef Kim mit den Worten, "das bösartige Virus könnte ins Land gelangt sein".
In den vergangenen sechs Monaten seit Beginn des Coronavirus-Ausbruchs im Nachbarland China hatte Nordkorea laut offiziellen Verlautbarung bislang keinen einzigen Ansteckungsfall zu verzeichnen. Eine Ausbreitung des Erregers in Nordkorea hätte wohl verheerende Folgen in der international isolierte, nahezu vollkommen abgeschotteten und autoritär geführten Militärdiktatur. Experten befürchten, dass das nordkoreanische Gesundheitswesen einer Epidemie nicht gewachsen wäre.
Abgeschottet und international isoliert
Nordkorea hatte die wenigen Verbindungen ins Ausland aufgrund der Coronavirus-Pandemie bereits Ende Januar gekappt und alle Grenzübergänge geschlossen. Allerdings gilt die 1400 Kilometer lange Grenze zu China als durchlässig, vor allem im Winter, wenn zugefrorene Flüsse den Übertritt ermöglichen und der Schwarzmarkt entlang der Grenze blüht. Beobachter vermuten, dass das Virus schon vor der Grenzschließung ins Land gelangt sein dürfte.
Es bestehe kein Zweifel, dass das Coronavirus aus China längst ins Land gelangt sei, sagte Go Myon Hyun vom Asan-Institut für Politologie. Seiner Einschätzung nach könnten die jüngsten Verlautbarungen als Ablenkungsmanöver gedacht sein. Pjöngjang hänge den angeblich aus Südkorea eingeschleppten Fall an die große Glocke, um Überläufer als "gefährliche Wesen" zu brandmarken. Sollte das Virus bereits in der Bevölkerung Nordkoreas zirkulieren, wäre mit steigenden Totenzahlen zu rechnen. Bislang jedoch gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie viele Menschen sich in Nordkorea bereits angesteckt haben. Belastbare Daten dazu liegen nicht vor.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP
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