Die am späten Freitagabend in Syrien in Kraft getretene Waffenruhe ist zunächst offenbar weitgehend eingehalten worden. Sowohl in der Hauptstadt Damaskus als auch im nördlichen Aleppo hätten die Waffen Punkt Mitternacht Ortszeit geschwiegen, berichteten Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP. Seit Mitternacht seien keine russischen Kampfjets mehr im Norden Latakias gesichtet worden, berichtete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Auch in den Provinzen Homs und Hama sei es ruhig, berichtete die Organisation mit Sitz in Großbritannien, die sich auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien stützt. Wenige Stunden zuvor hätten Russland und die syrische Armee ihre Gegner noch einmal verstärkt angegriffen.
Allerdings ereignete sich wenige Stunden nach Beginn der Waffenruhe eine tödliche Autobombenexplosion. Die Bombe sei am Samstag am Stadtrand von Salamije explodiert, meldete die staatliche Nachrichtenagentur. Dabei seien zwei Menschen getötet und mehrere weitere verletzt worden. Salamije wird von den Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad gehalten.
Wer hinter dem Anschlag steckte, war zunächst unklar. In der Nähe von Salamija verläuft die Grenze zu dem Gebiet, das von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beherrscht wird. Der IS hat sich zu mehreren Bombenanschlägen in Syrien in den vergangenen Wochen bekannt.
Vorbedingung für neue Friedensgespräche
Die USA und Russland hatten sich Anfang der Woche auf die Feuerpause geeinigt. Die Regierung, das in der saudischen Hauptstadt Riad ansässige Hohe Verhandlungskomitee (HNC) der Regimegegner und rund 100 Milizen haben der Waffenruhe zugestimmt. Ausgenommen von ihr sind der IS und die Al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Die Waffenruhe soll den Weg für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche am 7. März ebnen. Dieses Datum teilte UN-Sondervermittler Staffan de Mistura am Freitag dem Weltsicherheitsrat kurz vor Inkrafttreten der Feuerpause mit. Bedingung sei allerdings, dass die Waffenruhe weitgehend eingehalten werde. Das höchste UN-Gremium verabschiedete am Abend eine Resolution, die die Waffenruhe in Syrien begrüßt und unterstützt.
Der Sprecher des Weißen Hauses in Washington, Josh Earnest, sagte, die USA würden in den nächsten Tagen nicht sofort über einen Erfolg oder Misserfolg des Schrittes urteilen. Es werde einige Hindernisse auf dem Weg geben, sagte der Regierungssprecher. "Es wird Verstöße geben." Auch De Mistura vermutete, dass es mehrere Versuche geben wird, den Prozess zu untergraben.
Waffenruhe wohl nur in sechs kleinen Gebieten
Vor der Waffenruhe gingen die Kämpfe am Freitag noch unvermindert weiter. Regierungstruppen eroberten im Norden der Provinz Aleppo drei Dörfer vom IS zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, die Dörfer befänden sich in der Nähe der Stadt Chanaser. Diese war von der Terrormiliz erst am Montag besetzt worden. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, die Regierungstruppen versuchten, die einzige Straße zu öffnen, die die Stadt Aleppo mit Zentral- und Westsyrien verbindet.
Die Waffenruhe wird nach Erwartungen des russischen Militärs zudem nur in sechs sehr kleinen Gebieten Syriens gelten. Experten des kritischen Moskauer Internetportals Conflict Intelligence Team bezogen sich auf ein Video des russischen Verteidigungsministeriums vom Mittwoch, in dem die entsprechende Karte eingeblendet wurde.
In den Tagen vor dem Beginn der Feuerpause gab es massive Zweifel, ob die Waffenruhe hält. Regimegegner äußerten die Befürchtung, das Regime und seine Verbündeten könnten Angriffe auf Terrorgruppen nutzen, um gegen moderatere Milizen vorzugehen. Syrien und Russland hatten angekündigt, den IS und die Al-Nusra-Front weiter zu bekämpfen. Mehrere Milizen haben ihre Stellungen in der Nähe der Al-Nusra-Kämpfer.
Es ist innerhalb kurzer Zeit der zweite Versuch, die Gewalt nach fünf Jahren Bürgerkrieg zu beenden. Ein erster Termin für eine Feuerpause war in der vergangenen Woche ausgelaufen, ohne dass die Gewalt endete.
Quelle : WELT.DE
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