Kaum jemand freut sich so auf das Finale der Champions League wie die Fluggesellschaft Qatar Airways. Die Welt werde "zum Stillstand" kommen, wenn "unsere beiden Partner" um den Henkelpott spielen, jubelt das Staatsunternehmen aus Katar auf Twitter - und ruft das Endspiel zum "Qlassico" aus, dem "Classico" mit einem Q für "Qatar" an erster Stelle. In Lissabon wird der Fußball endgültig zum Spielball eines Landes, in dem sonst vor allem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. In Paris St. Germain und Bayern München treten ein staatliches Projekt des Emirats am Persischen Golf und ein diesen Staat hofierender Klub gegeneinander an: Das Finale der Königsklasse ist beschmutzt.
PSG - 2011 von der staatlichen Firma Qatari Sports Investments übernommen - ist nicht weniger ein Agent der katarischen Soft Power. Ein Teil eines umfassenderen Versuchs, das Image des Emirats durch Sport zu verbessern und den Wüstenstaat bekannter und anerkannter zu machen. Die katarischen Eigentümer träumten immer vom großen europäischen Triumph, der jetzt mit dem Einzug ins Champions-League-Finale bereits teilweise gelungen ist. Der Staat mit einer miserablen Menschenrechtsbilanz hat es geschafft, sich in das weltweit wichtigste Spiel des Vereinsfußballs einzukaufen. Selbst nach modernen Maßstäben des Sports ist das Königsklassen-Endspiel damit stärker befleckt als jemals zuvor.
Denn auch der FC Bayern baut seine Kooperation mit dem Emirat nach und nach aus. Jahr für Jahr fahren die Münchner ins Trainingslager nach Doha, hofieren damit die Machthaber, die sich dank der weltweiten Popularität des Rekordmeisters als weltoffene Gastgeber darstellen können. Es folgte der Sponsoren-Deal mit dem Hamad International Airport (auf dem es sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse gab) und seit der Saison 2018/19 ist Qatar Airways (für diskriminierenden Umgang mit Mitarbeitern bekannt) ein Premium-Partner samt Ärmel-Werbung, die den Bayern zehn Millionen Euro pro Jahr einbringt.
Der perfide Plan geht auf
Paris und München gewähren also einem Staat Einlass in das größte Vereinsfußballspiel der Welt, in dem Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht mal auf dem Papier annähernd existiert, Menschen aufgrund ihrer Religion, sexueller Selbstbestimmung oder sexueller Orientierung diskriminiert werden und in dem die Ausbeutung von Migrationsarbeitern systematisch betrieben wird. Das diesjährige CL-Finale darf daher nicht kommentarlos über die Bühne gehen. In Katar selbst könnte man es nicht kritisieren: Freie Meinungsäußerung, ein internationaler Menschenrechtsstandard, wird dort stark eingeschränkt. Frauen werden durch Gesetze und im Alltag benachteiligt und das Strafmündigkeitsalter liegt bei sieben Jahren.
"Sportswashing" nennt sich die Strategie von Unrechtsstaaten, sich international mittels Sportveranstaltungen und -mannschaften als Saubermänner zu präsentieren. Katar, auch der Gastgeber der Fußball-WM 2022 und der Leichtathletik-WM 2019, versucht über seine Menschenrechtsverletzungen hinwegzutäuschen und seine Vergehen zu vertuschen, indem es viel Geld in Fußballmannschaften investiert - und mit PSG sogar ein Team komplett aufkauft. Das Emirat versucht durch Bayern München und den Pariser Klub also sein Image reinzuwaschen, zieht so vermehrt Investoren ins Land und erlangt zu Unrecht eine bessere Reputation auf der internationalen Bühne. Das Finale der Champions League ist die ultimative Bühne.
Der perfide Plan geht auf: Denn auch wenn Geld den Fußball schon länger dominiert, diese Situation - ein staatliches Projekt tritt in der größten Nacht des Klubfußballs gegen ein Team an, das vom gleichen Staat gesponsert wird an - ist niemals dagewesen. Sie verunreinigt die sportlich so hochinteressante Begegnung, aber Menschenrechte sind rund um das Finale kein Thema. Dabei darf das Spiel nur in diesem Kontext betrachtet werden. Ansonsten unterstützen Spieler, Medien und Zuschauer das katarische Sportswashing und werden ein Teil des Problems.
Die Offiziellen der Vereine sind dies längst geworden. Man würde gerne von den Funktionären aus Paris oder München hören und sehen, dass sie die Menschenrechtsvergehen Katars öffentlich ansprechen und kritisieren. Aber wenn die Millionenbeträge aufs Konto flattern, dann wird bei solchen Themen weggeschaut und die Klappe gehalten. Hand auf, Geld rein, Mund und Augen zu. Auch die Spieler, die sich in den sozialen Medien sonst gerne sprechen hören und beim Thema Black Lives Matter richtige und wichtige Botschaften aussandten, dürften in Bezug auf Katar ruhig mal den Mund aufmachen. Es wäre ein starkes Signal am Finaltag, wird aber sicherlich nicht passieren.
Das schmutzigste CL-Finale seiner Geschichte
Denn Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ist sogar der Meinung, dass seit der Partnerschaft mit Katar die Dinge im Land verbessert hätten. Franz Beckenbauer war schon 2013 der Meinung: "Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Ich weiß nicht, woher diese Berichte kommen." Die Analysen von Human Rights Watch und Amnesty International beweisen, dass beides Quatsch ist. Die Aussage Rummenigges diskreditiert auch die akribische, langjährige und mühsame Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, die in Katar für ihre Ziele kämpfen, anstatt einmal im Jahr vor Ort in die Kamera zu winken und mit frisch gefülltem Geldbeutel und einer funkelnden, aber unverzollten Rolex am Handgelenk die Rückreise anzutreten.
Wenn die fußballerischen Schwergewichte am Sonntagabend (21 Uhr/ZDF, Sky, Dazn und im Liveticker auf ntv.de) im Estádio da Luz in Lissabon in den Ring steigen, verschwinden die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen des Wüstenstaats im blendenden Licht der unzähligen Scheinwerfer. Und letztlich spielt es keine Rolle, wie das Endspiel ausgeht. Denn einer der Gewinner ist bereits im Vorfeld Katar. Das Emirat reibt sich die Hände und zeigt, dass man sich Glanz und Gloria ohne Hinderlichkeiten kaufen kann, egal wofür man steht. Das Königsklassen-Finale wird damit zum schmutzigsten seiner Geschichte.
Die Gewinner auf dem Rasen, ob nun Kylian Mbappé und Neymar oder Thomas Müller und Robert Lewandowski, sie werden im Anschluss gemeinsam feiern, mit ihren Familien telefonieren und diese bald darauf glücklich in den Arm nehmen. Nie wieder umarmen können allerdings seine zwei Kinder den katarischen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Fahd Bohendi. Der Familienvater, mit Mitte 30 nur wenig älter als die Neymars und Müllers, wurde nur knapp vier Monate vor dem Finale der Champions League in einem Gefängnis in Katar zu Tode gefoltert. Seine Familie durfte ihn nicht begraben.
Ein Verlierer steht somit ebenfalls fest, bevor das Finale überhaupt angepfiffen wird: die Menschenrechte.
Quelle: ntv.de
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