Die SPD hat ihren Kanzlerkandidaten. Die CDU hat noch nicht einmal einen neuen Vorsitzenden - und sie wird nervös. In Berlin hat eine hektische Unionsdebatte eingesetzt, wie man auf die schwachen Umfragewerte Armin Laschets reagieren soll. Aus dem Springer-Verlag kamen zum Wochenauftakt Meldungen, wonach die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) aktiv eine (weibliche) Alternative für Laschet sucht und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ins Spiel bringen möchte. Die Dementis kamen ebenso prompt wie massiv - und sie sind glaubwürdig.
Wegdementieren lässt sich hingegen nicht, was hinter der Geschichte steht: Die CDU steckt in der Laschet-Krise und bietet jede Menge Raum für Gerangel und Gerüchte. Der NRW-Ministerpräsident hat mit seinem wankelmütigen Management der Corona-Krise so viel Reputation verloren, dass seine Chancen auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur stark geschrumpft sind. Die wöchentlichen Umfragen zu seiner Person sind nicht nur schlecht, sie sind miserabel. Auch innerhalb der Union schrumpft sein Rückhalt. Die ost- und süddeutschen Landesverbände sind nicht auf seiner Seite, die Mittelständler und Konservativen auch nicht, die CSU sowieso nicht.
In der Union werden daher seit Wochen vier Auswege hitzig diskutiert. Der eine heißt Markus Söder. Nicht wenige in der CDU würden sich ihn als Kanzlerkandidaten wünschen. Das Problem dabei ist freilich, dass zunächst einmal ein CDU-Vorsitzender gewählt werden muss und der ein traditionelles Zugriffsrecht haben wird. Obendrein ist Söders Dauerdementi ("Mein Platz ist in Bayern") ernster zu nehmen, als man es in Berlin glaubt.
Eine "weibliche Lösung" mit Julia Klöckner
Der zweite Ausweg aus dem Laschet-Dilemma könnte Jens Spahn heißen. Die Idee eines Führungswechsels im Tandem mit Laschet wurde darum wochenlang eifrig kolportiert. Doch Laschet macht da nicht mit. Und Jens Spahn kann sich eine illoyale Brutus-Aktion nicht leisten. Er sitzt gefangen hinter Laschet im schlingernden Tandem.
Der dritte Ausweg wäre tatsächlich die "weibliche Lösung", Julia Klöckner als beliebte Versöhnungsvorsitzende einzusetzen, um Söder eine Brücke zu bauen. Oder aber AKK ihren Vorsitz verlängern zu lassen und Angela Merkel doch noch einmal antreten zu lassen. Manche in der CDU wünschen sich das. Doch weder Merkel noch AKK noch Klöckner sind dazu ernsthaft bereit.
Der vierte Ausweg trägt den Namen Friedrich Merz. Seine Umfragewerte sind - obwohl er in der Corona-Krise kaum eine Bühne hatte - weiterhin stark, jedenfalls klar besser als die Laschets. Merz verfügt innerhalb der CDU über erstaunlich dauerhaften Rückhalt. Dass er beim letzten CDU-Parteitag knapp die Hälfte der Delegierten hinter sich hatte, gilt nun als Fingerzeig für seine erhebliche Machtbasis.
Und seine Chancen steigen in diesen Tagen, schon weil die drei anderen Auswege aus dem Laschet-Dilemma nicht funktionieren. Zudem kommt mit der akuten Wirtschaftskrise das Kompetenzfeld von Merz in den Blick der Öffentlichkeit. Merz profitiert vom offenen Dauer-Schlagabtausch zwischen Söder und Laschet. Denn der schwächt nicht nur Laschet immer weiter. Er führt auch dazu, dass Söder am Ende lieber Merz unterstützen dürfte als Laschet.
"Wir reden über Themen"
Aus München kommt daher in dieser Woche der bemerkenswerte, fast ermahnende Hinweis, dass es in der CDU-Nachfolgefrage auch um eine Richtungsentscheidung für die Union gehe. Dass die CSU dabei mit dem eher linksgeneigten Kurs Laschets fremdelt und das klassisch bürgerliche Profil von Merz bevorzugt, ist klar. Tatsächlich verkörpert Merz die Rückkehr zum Markenkern der CDU.
Und mit den steigenden Chancen von Merz machen in Berlin nicht nur wilde Gerüchte die Runde, auch Lockerungsübungen alter Feindschaften sind zu beobachten. Aus der Unionsfraktion ist zu hören, dass AKK mit Friedrich Merz inzwischen ein gutes Verhältnis pflege. Auch die Kanzlerin und ehemalige Merz-Rivalin sucht offenbar ihren Frieden mit ihm. So reiste sie in den vergangene Wochen nicht nur nach München/Chiemseeschloss und Düsseldorf/Zeche Zollverein zu Söder und Laschet, sondern empfing wohl auch Merz zu einem Friedenstreffen in Berlin.
In der CDU gilt dies als Signal, dass Merkel mit Merz rechnet. Am Montagabend gab Merz beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf sogar Einblicke in sein neues Verhältnis zur Bundeskanzlerin. Er tausche sich inzwischen alle drei bis vier Wochen mit ihr aus. "Wir reden über Themen, wir reden nicht über Personal. Sie hat ein hohes Interesse an Themen, die mich auch interessieren." Sie sei an seiner Meinung interessiert und er an ihrer. Merz bescheinigte Merkel "unglaublich gute Nerven und auch Durchhaltevermögen". Letzteres hat er auch in erheblicher Dosis.
Quelle: ntv.de
Tags: