Wie der Mythos BMW geboren wurde

  29 Februar 2016    Gelesen: 1420
Wie der Mythos BMW geboren wurde
In einer unscheinbaren Dorfschmiede in Milbertshofen im Norden Münchens liegt die Geburtsstätte eines deutschen Weltkonzerns, dessen drei Buchstaben heute für sportliche Noblesse stehen. Dass das so ist, verdanken sie einem "Nobody".
Mythen beruhen in der Regel auf kollektiven Erinnerungen an Dinge, die es gab und manchmal immer noch gibt. Auf einem Gemisch aus Erzählungen, Darstellungen in Filmen und anderen Medien, Überlieferungen und/oder kollektiven Erlebnissen, an die man sich verklärend erinnert.

Die Bayerische Motorenwerke AG aus München ist das beste Beispiel für einen solchen Mythos, der bis zum jüngsten Tag putzmunter und lebendig ist. Und das, obwohl es in den letzten Jahrzehnten durchaus zu strategischen Fehlentscheidungen gekommen ist. Zum einen mit herben Verlusten für die Eigentümer (etwa die über neun Milliarden DM teure Übernahme der britischen Rover Group 1994 mit ihren Automarken Rover, MG, Mini und Land Rover; oder infolge der temporären Rückkehr in den Triebwerksbau durch die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens BMW Rolls Royce AereEngines GmbH). Zum anderen auch durch manche Fehlbesetzung in der obersten Unternehmensführung.

All das konnte dem Erfolg von BMW jedoch nichts anhaben. Wieso das? Was begründet den Mythos von BMW? Was sind die Erfolgsgeheimnisse dieses bayerischen Automobilunternehmens bis zum heutigen Tag?

Die Gründe für diesen Mythos lassen sich abstrakt mit drei Aphorismen beschreiben, in denen sich das widerspiegelt, was BMW zum dem gemacht hat, was der Konzern heute ist:

"Fest und stark ist nur der Baum, der unablässig Windstößen ausgesetzt war, denn im Kampf festigen und verstärken sich seine Wurzeln." (Seneca)

"Ein Heer von Schafen, das von einem Löwen geführt wird, schlägt ein Heer von Löwen, das von einem Schaf geführt wird." (Arabisches Sprichwort).

"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muss, dann ist kein Wind der richtige." (Seneca)


Ein Blick auf die BMW-Unternehmensgeschichte der letzten 100 Jahre und vor allem auf die Menschen, die diese Geschichte geschrieben haben, belegt das: Wechselvoller kann eine deutsche Industriegeschichte nicht sein, immer mäandrierend zwischen Konkurs und Exitus sowie einmaligen technischen Höchstleistungen und Markterfolgen.

Vom Himmel auf die Straße

Angefangen hat es im Flugzeugmotorenbereich mit Höhenweltrekorden und Produktionsverbot nach dem Ersten Weltkrieg. Der Neubeginn erfolgte 1923 mit der Entwicklung einer neuen Produktionslinie: Motorräder. Die legendäre R 32 wurde in nur fünf Wochen entwickelt. Das Grundprinzip dieses Motorrades - Boxermotor und Kardanantrieb im Doppelrohrrahmen - blieb bis heute erhalten.

1928 übernahm BMW die Fahrzeugfabrik Eisenach A.G., den Hersteller des Kleinwagens Dixi, und avancierte so zum Automobil-Hersteller. Danach ging es Schlag auf Schlag: Die erste Neukonstruktion unter der BMW-Ägide war der 1933 vorgestellte 303 mit 1,2 Liter Sechszylindermotor.

Legendäre Motorsporterfolge wie vor allem mit den Sportwagenlegenden BMW 303 (1933), BMW 326 (1935), 327 (1937) und dem 1936 vorgestellten Sport-Roadster 328 folgten. Besonders der 328 überzeugte nicht nur durch seine Konstruktion, sondern auch durch zahlreiche Erfolge bei Sportwagen-Rennen, unter anderem der Mille Miglia 1940. Dieses Modell begründete den Mythos von BMW als Hersteller sportlicher Sieger-Automobile, der auch nach dem Krieg bis heute anhielt, obwohl damals nur wenige Hundert BMW gebaut werden konnten. Die Triebwerksproduktion, der legendäre Sternmotor, stand in Kriegszeiten im Mittelpunkt.

Von Kochtöpfen und "Barockengeln"

Nach 1945 war das Münchner Stammwerk fast völlig zerstört und die Fahrzeugfabrik in Eisenach von der sowjetischen Besatzungsmacht übernommen worden. Zunächst hielt sich das Unternehmen mit der Fabrikation von Motorrädern, Kochtöpfen und Fahrzeugbremsen über Wasser.

1948 brachte BMW mit der R24 sein erstes Motorrad nach dem Krieg auf den Markt, 1952 gefolgt vom BMW 501, einem exklusiven Oberklassewagen mit Sechszylindermotor. Der ab 1954 auch mit V8-Motor als BMW 502 erhältliche Pkw erhielt ob seiner geschwungenen Karosserieform bald den Spitznamen "Barockengel". Die Produktion des Typs war so aufwendig, dass BMW bei jedem verkauften Exemplar rund 4000 DM Verlust einfuhr. Auch der 1955 in Produktion genommene Kleinstwagen Isetta konnte die sich schnell verschärfende Finanzkrise nicht abwenden. Ende 1959 drohte dann der Bankrott und die Übernahme durch den damaligen Automobilgiganten Daimler Benz AG. In einer spektakulären Aktion wussten Betriebsrat und Kleinaktionäre das zu verhindern.

Sportlich, statt nobel

Die abermalige Rettung kam 1961. Es erfolgte abermals ein Neustart, diesmal mit der Übernahme von BMW durch den mutigen Investor Herbert Quandt, während zur gleichen Zeit Wettbewerber Borgward Konkurs anmelden musste. Von nun an ging`s bergauf.

1961 stellte das Unternehmen den völlig neu entwickelten BMW 1500 vor. Der Wiederaufstieg von BMW kam mit dem 1966 vorgestellten zweitürigen "Null-Zwei" endgültig in Fahrt. Sportlichkeit war Trumpf, von Nobelklasse (noch) keine Spur.

Sein Name war Nobody

Die entscheidende Weichenstellung nahm Quandt 1970 mit der Bestellung Eberhard von Kuenheims zum Chef von BMW und damals zum jüngsten Vorstandsvorsitzenden in Deutschland vor. Als Nobody wollte von Kuenheim den Automobil-David aus München gegen den Goliath aus Stuttgart führen, nach dem Motto: Du hast keine Chance, nutze sie.

Und von Kuenheim nutzte sie über 40 Jahre lang. Kuenheims Vision war es, BMW image- und produktseitig in die Premium-Klasse von Daimler; und absatzseitig aus Deutschland heraus mit eignen Niederlassungen in den Weltmarkt zu führen - zunächst in Europa, dann in den USA und schließlich in Japan und in China. Produzierte BMW bei Dienstantritt von Kuenheims 1970 ganze 161.165 Automobile, waren es 1990 bereits 519.650, 2010 1,48 Millionen und im vergangenen Jahr 2,279 Millionen. Der Anteil Deutschlands am Gesamtabsatz fiel dagegen von 58 Prozent 1970 auf 11 Prozent 2015. Jener der USA stieg von 6 auf 18 Prozent, der von China von 0 Prozent 1990 auf inzwischen 30 Prozent.

Von Kuenheim hat also seine Vision wahr gemacht: BMW mit Geduld und Ausdauer, mit Fleiß und Mut und völlig unprätentiös global wie quantitativ an die Weltspitze der Premium-Automobile zu führen. Dabei folgte der Preuße von Kuenheim stets dem preußischen Militärstrategen von Clausewitz: "Die Strategie ist eine Ökonomie der Kräfte." Anders wäre dieser Parforceritt auch nicht zu schaffen gewesen. Die preußische DNA, die von Kuenheim dem Unternehmen und den Mitarbeitern bei BMW über 40 Jahre eingeimpft hat - ge- und unterstützt von der Eigentümerfamilie Quandt - wirkt bis heute nach. Und sie entwickelt sich weiter fort. Der Mythos lebt - ohne BMW wäre die Automobilwelt ein gutes Stück ärmer und langweiliger!

Quelle: n-tv.de

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