Die Parlamentswahl vor einer Woche hat Montenegro eine bislang ungekannte Situation beschert: Nach 30 Jahren an der Macht hat die prowestliche Partei DPS von Präsident Milo Djukanovic es erstmals nicht geschafft, zusammen mit ihren Partnern eine Mehrheit der Sitze zu holen. Stattdessen ging die überwiegend proserbische Opposition als Siegerin aus der Wahl hervor.
Der anstehende Umbruch hat nun massive Proteste hervorgerufen. In der Hauptstadt Podgorica und anderen Städten des Landes versammelten sich am Sonntagabend Zehntausende Menschen, um für den Erhalt ihres unabhängigen Staats zu demonstrieren. "Wir haben die 'Tschetnik-Freiheit' satt", rief einer der Redner laut Nachrichtenagentur dpa auf der Kundgebung in Podgorica. Die Tschetniks waren serbische Freischärler, die im Zweiten Weltkrieg und in den jugoslawischen Zerfallskriegen der neunziger-Jahre Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verübt hatten. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge riefen Teilnehmer der Demo auch "Dies ist nicht Serbien" und "Wir geben Montenegro nicht her".
Bei der Parlamentswahl hatten drei Oppositionsbündnisse zusammen 41 der 81 Mandate errungen. Sie wollen eine Expertenregierung bilden, um die Macht des seit fast 30 Jahren über Montenegro herrschenden Präsidenten Djukanovic zu brechen. Sie werfen ihm Korruption, Verbindungen zur Mafia und Anschläge auf Regierungskritiker vor. Djukanovic hatte das kleine Balkanland 2006 in die Unabhängigkeit von Serbien geführt und als Partner des Westens etabliert. Zugleich sicherte er sich eine große Machtfülle.
Stärkste Kraft der Oppositionsallianz ist die proserbische und prorussische Demokratische Front (DF) mit 27 Mandaten. Ihre beiden kleineren Bündnispartner sind prowestlich orientiert. Aufgrund dieser Kräfteverhältnisse befürchten Anhänger der Unabhängigkeit Montenegros, dass sich das Land unter der DF-Dominanz wieder stärker nach Serbien und Russland richten könnte. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hatte die DF ihren Wahlsieg mit Veranstaltungen gefeiert, bei denen serbische Flaggen geschwenkt und die als "serbischer Gruß" bekannte Drei-Finger-Geste gezeigt wurde.
Djukanovic hatte in der vergangenen Woche gesagt, er wolle den Sieg der Opposition akzeptieren. Seine Partei werde auch aus der Opposition heraus für eine demokratische Gesellschaft kämpfen.
Wer die Kundgebungen am Sonntag organisierte, war der Nachrichtenagentur dpa zufolge nicht klar. Die meisten Redner präsentierten sich als "Patrioten", die nur eine einzige Partei, nämlich den Staat Montenegro, kennen würden. Die unabhängige Zeitung "Vijesti" machte aber unter den Teilnehmern zahlreiche prominente Politiker der Djukanovic-Partei DPS aus.
spiegel
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