Oppositionsführerin Kolesnikowavon Unbekannten verschleppt

  07 September 2020    Gelesen: 558
Oppositionsführerin Kolesnikowavon Unbekannten verschleppt

Eine der wichtigsten Figuren der belarussischen Demokratiebewegung ist Berichten zufolge in Minsk von Unbekannten festgesetzt und weggebracht worden. Die Behörden gaben zudem die Festnahme von 633 Demonstranten bekannt.

Die belarussische Oppositionsführerin Marija Kolesnikowa ist Berichten zufolge festgenommen worden - unklar ist aber, von wem. Sie sei in der Innenstadt von Minsk von bislang nicht identifizierten Personen festgesetzt worden, meldete die Internetseite tut.by am Montag. Unter Berufung auf eine Augenzeugenaussage heißt es in dem Bericht, Kolesnikowa sei in einem Auto weggebracht worden.

Auch die Nachrichtenagentur AFP meldete mit Verweis auf Unterstützer der Oppositionellen, Zeugen hätten beobachtet, wie Kolesnikowa am Morgen von schwarz gekleideten Männern gepackt und in einen Kleinbus gestoßen worden sei. Sie antworte nicht mehr auf Anrufe.

Insgesamt drei Oppositionelle nicht mehr erreichbar
German Gleb, Sprecher des Wahlbüros von Wiktor Babariko und Marija Kolesnikowa, sagte dem SPIEGEL, dass es seit zehn Uhr vormittags keinerlei Kontakt mehr mit Kolesnikowa gegeben habe. Etwas später seien der Mitarbeiter Iwan Krawzow und der Sprecher des Koordinationsrates, Anton Rodnenkow, nicht mehr erreichbar gewesen. "Unsere Juristen versuchen gerade zu ermitteln, wo sich Marija und die beiden aufhalten, kontaktieren alle Sicherheitsbehörden. Bisher haben wir sie nicht gefunden." Bei der Polizei habe es geheißen, dass sie Kolesnikowa nicht festgenommen hätten.

Der russischen Agentur Interfax zufolge teilte die Polizei in Belarus mit, dass sie Kolesnikowa nicht festgenommen habe. Die Polizei prüfe aber, ob Kolesnikowa entführt worden sei, berichtete die Nachrichtenagentur RIA.

Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen den umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko stellen (lesen Sie hier ein SPIEGEL-Interview mit Kolesnikowa von August). Einige andere Mitglieder des Koordinierungsrates waren zuvor schon festgenommen worden, ausgereist oder zur Ausreise gezwungen worden, darunter die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Sie war nach der Wahl ins EU-Land Litauen geflüchtet.

Im Wahlkampf war Kolesnikowa zusammen mit Tichanowskaja und Weronika Zepkalo aufgetreten. Zuvor hatte sie als Kampagnenchefin für die Kandidatur des Ex-Bankers Babariko gearbeitet, der heute im Gefängnis sitzt.

Nach Angaben des Innenministeriums wurden am Sonntag bei neuen landesweiten Protesten insgesamt 633 Menschen festgenommen. Rund 360 Demonstranten seien noch in Gewahrsam. An den Demonstrationen hatten sich erneut Zehntausende Menschen beteiligt. Die Führung um Präsident Alexander Lukaschenko geht massiv gegen die Demonstranten vor - so auch am Sonntag: Auf Videos war zu sehen, wie Uniformierte Teilnehmer auf den Straßen verfolgten. Zudem sollen Einsatzkräfte Tränengas benutzt haben.

Hintergrund der Proteste ist die Präsidentenwahl vor mehr als vier Wochen. Lukaschenko hatte angeblich 80,1 Prozent der Stimmen erhalten und sich zum Sieger erklärt. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Gewinnerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik - die EU, die USA und weitere Länder erkennen das von offizieller Seite genannte Ergebnis nicht an.

spiegel


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