Politiker fordern Aufnahme von Flüchtlingen

  10 September 2020    Gelesen: 633
Politiker fordern Aufnahme von Flüchtlingen

Der Großbrand im griechischen Flüchtlingslager Moria macht Tausende Menschen obdachlos. In Deutschland bieten Länder und Kommunen an, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch das scheitert an Innenminister Seehofer. Der bevorzugt eine europäische Lösung.

Nach dem Großbrand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos mehren sich die Hilfsangebote - aber auch Warnungen vor einem deutschen Alleingang. So drang Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken nachdrücklich auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem zerstörten Lager. Bundesinnenminister Horst Seehofer "muss sich jetzt bewegen", sagte er im Bayerischen Rundfunk. Es gebe bereits klare Signale in dieser Richtung auch aus Bayern oder Nordrhein-Westfalen. "Das heißt, es ist keine isolierte Aktion der Linken oder von Rot-Rot-Grün in Berlin oder in Thüringen", betonte Ramelow. "Sondern es gibt ein länderübergreifendes Signal: Wir müssen jetzt handeln."

Den Vorschlag von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller von der CSU, Deutschland solle 2000 Flüchtlinge aus Moria aufnehmen, unterstützte Ramelow. "Wenn es die Möglichkeit gibt, die 2000 jetzt zu transportieren und unterzubringen, dann ist das ein großer Schritt", sagte der Linken-Politiker. Es gehe jetzt um eine europäische Regelung, dabei müsse auch Deutschland vorangehen. "Wenn wir eine europäische Lösung wollen, dürfen wir uns nicht wegducken."

Auch nach Ansicht des menschenrechtspolitischen Sprechers der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Brand, soll Deutschland Flüchtlinge aufnehmen. Er habe Innenminister Seehofer seine Meinung mitgeteilt, "dass Deutschland möglichst gemeinsam mit anderen EU-Staaten - notfalls zunächst auch alleine - 5000 Flüchtlinge vom griechischen Festland aufnehmen sollte", sagte der CDU-Politiker dem SWR. Das sei dringend notwendig nach allem, was dort "jahrelang passiert und ignoriert" worden sei. Brand betonte, dass es sich bei den 5000 Menschen um Flüchtlinge handeln müsse, die bereits ein Asylverfahren in Griechenland durchlaufen haben.

Seehofer gegen Gesetzesänderung

Die Bundesregierung will nach Angaben von Arbeitsminister Hubertus Heil Soforthilfe vor Ort leisten. "Was jetzt zu tun ist, ist erstens Soforthilfe zu leisten, das haben wir in der Bundesregierung auch besprochen, zum Beispiel mit den Möglichkeiten des Technischen Hilfswerks", sagte der SPD-Politiker im Sender Phoenix. Zur Aufnahme von Menschen aus dem Lager sagte der SPD-Politiker: "Ich finde, dass auch Deutschland einen nennenswerten weiteren Beitrag leisten muss." Man habe sich immer dafür stark gemacht, vor allem Kindern und Jugendlichen zu helfen, "aber das muss jetzt in der akuten Lage großherziger gehandhabt werden (...). Das sollten wir jetzt miteinander in der Koalition auch zügig klären".

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte appellierte an Kanzlerin Angela Merkel, sich für eine rasche Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Lager Moria einzusetzen. Merkel sei nun "gefordert, die Blockadehaltung des Innenministers zu durchbrechen", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Die Lage auf der Ägäis-Insel Lesbos und in weiteren Camps sei sehr ernst: "Bund und Länder müssen sich umgehend an einen Tisch setzen, um sich über die Aufnahme von Menschen zu verständigen."

Mehrere Bundesländer hatten konkrete Zahlen von Migranten genannt, die sie bereit seien, zusätzlich aufzunehmen. Den für die Aufnahme von Flüchtlingen zuständigen Bund - Innenminister Seehofer - forderten sie auf, dem zuzustimmen. Allerdings müsste der Bund dann auch einen Großteil der Kosten tragen. Ein Sprecher des Innenministeriums hatte am Mittwoch betont, Seehofer lehne eine Änderung der aktuellen Gesetzeslage ab.

CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg sprach sich gegen einen deutschen Alleingang aus. "Es geht um das politische Signal das man setzt." Wenn Deutschland nun im Alleingang Flüchtlinge aufnehme, würden sich die anderen europäischen Staaten zurücklehnen. Stattdessen plädierte der CDU-Politiker im ZDF für einen "Kreis der Willigen" - also EU-Staaten, die sich gemeinsam für die Aufnahme von Menschen aus Moria entscheiden könnten. Dadurch könnten auch schnelle Lösungen erreicht werden. Generell brauche es aber ein einheitliches Asylsystem an den EU-Außengrenzen.

Pro Asyl fordert Luftbrücke

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff forderte, EU und Bund müssten "zeitnah eine gemeinsame Lösung finden". "Sachsen-Anhalt wird seine daraus resultierenden humanitären Verpflichtungen, die aus einer EU-Einigung entstünden, erfüllen und sich solidarisch zeigen", erklärte der CDU-Politiker in Magdeburg.

Die AfD lehnte die Aufnahme von Flüchtlingen kategorisch ab. Ko-Parteichef Tino Chrupalla gab Bewohnern des Lagers die Schuld an dem Feuer und warf ihnen Brandstiftung vor. "Die Botschaft wäre: Wer sein Lager niederbrennt, wird nach Deutschland evakuiert", erklärte Chrupalla. Dies würde das Leben der Insassen anderer Lager gefährden, "wo Brandstifter dem Beispiel Moria folgen könnten", warnte der AfD-Politiker. Chrupalla sieht nun vor allem "die EU in der Pflicht, den Griechen zu helfen, vor Ort Hilfe zu leisten". Dazu müsse "Deutschland selbstverständlich seinen Beitrag leisten", erklärte er.

Pro Asyl forderte eine Luftbrücke nach Deutschland und in andere europäische Länder. Jetzt müssten die gleichen Maßnahmen ergriffen werden, "wie wenn sich über 10.000 europäische Touristinnen und Touristen in akuter Gefahr befänden", erklärte die Organisation in Berlin. Zudem müssten Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen, die Versorgung mit Essen und Wasser sichergestellt und medizinisches Personal eingeflogen werden. Pro Asyl begrüßte Vorschläge, einen Teil der obdachlos gewordenen Migranten in Deutschland aufzunehmen. Das sei aber nicht ausreichend. Vielmehr müsse eine Lösung für alle etwa 12.500 Schutzsuchenden gefunden werden.

In der Nacht zum Mittwoch waren in Griechenlands größtem Flüchtlingslager mehrere Feuer nahezu zeitgleich ausgebrochen. Die Einrichtung, in der zu diesem Zeitpunkt rund 12.700 Menschen untergebracht waren, wurde größtenteils zerstört. Am Mittwochabend waren nach neuen Angaben der Behörden noch immer mindestens 3500 Flüchtlinge obdachlos. Sie sollen vorerst auf einer Fähre und zwei Schiffen der griechischen Kriegsmarine untergebracht werden. Etwa 400 unbegleitete Minderjährige wurden auf das griechische Festland ausgeflogen.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP


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