Tausende Männer, Frauen und Kinder haben auf Lesbos die vierte Nacht im Freien verbringen müssen. Die griechische Regierung forciert derweil den Auf- und Ausbau eines provisorischen Lagers für die Migranten, die in Moria gelebt haben.
Das Lager Moria war in der Nacht zum Mittwoch bei mehreren zeitgleichen Bränden fast vollständig zerstört worden. Statt der vorgesehenen knapp 3000 Migranten waren dort mehr als 12.000 Menschen untergebracht. Einige der Migranten sollen Feuer gelegt haben, nachdem für die Bewohner des Lagers wegen Corona-Infektionen Quarantäne verordnet worden war.
"Alle Menschen müssen dorthin gehen. Nur so werden wir sie richtig versorgen können", erklärte der stellvertretende griechische Migrationsminister Georgios Koumoutsakos im Athener Nachrichtensender Skai. Dem schloss sich der Chef der Niederlassung der Hilfsorganisation Ärzte der Welt, Dimitris Patestos, an: "Das provisorische Lager muss so schnell wie möglich funktionieren", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
"Wir wollen nach Deutschland - nicht ins Lager"
Zahlreiche Migranten sagten Reportern vor Ort, sie wollten nicht ins provisorische Lager und sähen die Lage als Chance, ihre Abreise durchzusetzen. "Wir wollen Freiheit. Wir wollen nach Deutschland - nicht ins Lager", sagen viele.
Über die Frage, welcher EU-Mitgliedsstaat wann wie viele Menschen aufnimmt, wird unterdessen weiter intensiv diskutiert. Der Bewerber um den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, bekräftigt seine Forderung, dass Deutschland schnell 5000 Menschen aufnehmen sollte.
"5000 Menschen weniger würden die Lage in Griechenland erheblich entlasten. Es ist unser christlich-demokratischer Anspruch an Politik, dass wir jetzt helfen", sagte der Außenpolitiker und frühere Bundesumweltminister der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Nach Möglichkeit müssten andere europäische Länder bei der Verteilung der 5000 Flüchtlinge helfen.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, dass sich Bayern an der Aufnahme von Migranten beteiligen werde. Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nannte er es wie Röttgen eine "Christenpflicht", zu helfen. "Am besten wäre eine große europäische Lösung. Aber es ist gut, dass Deutschland und Frankreich vorangehen. Andere sollten folgen."
Claudia Roth attackiert Horst Seehofer
Sein Parteifreund, Innenminister Horst Seehofer, gerät derweil in die Kritik. Er hatte am Freitag erklärt, Deutschland habe seit 2015 insgesamt 1,73 Millionen Asylbewerber aufgenommen. Derzeit kämen an jedem Werktag 300 bis 400 Menschen ins Land. "Wir nähern uns wieder den Höchstzahlen der Vergangenheit."
Die Bundesregierung arbeitet nach den Worten Seehofers dennoch daran, zügig weitere Migranten aus Moria aufzunehmen. "Ich lege persönlich sehr großen Wert darauf, dass wir eine rasche Lösung für Familien mit Kindern finden", erklärte er am Freitagabend.
Vormittags hatte Seehofer mitgeteilt, dass sich zehn europäische Staaten an der Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen beteiligen. Ein Großteil - je 100 bis 150 - werde von Deutschland und Frankreich aufgenommen.
Für die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth ist das zu wenig. "Die Ankündigung von Horst Seehofer, nur zwischen 100 und 150 Minderjährige aus Moria in Deutschland aufzunehmen, ist ein Totalversagen des Innenministers", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen".
Die Zusage entspreche nur einem Bruchteil der Angebote zur Aufnahme von fast 180 Kommunen und mehrerer Bundesländer. "Mit seiner Ablehnung macht Seehofer sich mitverantwortlich an dem unmenschlichen Leid an Europas Haustür", sagte Roth.
spiegel
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