Bologna “ist der Tod vieler Lehrformen“

  01 März 2016    Gelesen: 948
Bologna “ist der Tod vieler Lehrformen“
Andrea Jördens ist Papyrologin an der Uni Heidelberg. Ein Gespräch über ihre Studenten aus verschiedensten Fachbereichen und die Modularisierung im Studium.
In den Unigesprächen befragen wir Forscher und Hochschullehrer, die sich mit einem sehr speziellen Fachgebiet beschäftigen. Diesmal im Interview: Andrea Jördens, die am Institut für Papyrologie der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität forscht und lehrt.

SZ.de: Frau Jördens, wie sind Sie zu Ihrem sehr speziellen Forschungsbereich gekommen?

Ich bin Klassische Philologin und habe einen Teil meines Studiums in Florenz absolviert. Damals hat mir eine Freundin geraten, alles das zu machen, was es in Deutschland nicht gäbe, wie etwa die Papyrologie. Nach meiner Rückkehr nach Heidelberg wurde das Fach dort gerade eingerichtet. Ein glücklicher Zufall.

Worum geht es in der Papyrologie?

Wir beschäftigen uns mit dem griechischen Millennium, also den tausend Jahren von 300 vor bis 700 nach Christi Geburt, als Griechisch im Raum Ägypten Amts- und Umgangssprache war. Die meisten denken ja bei Papyri direkt an Ägypten - das ist bezüglich der Herkunft der Texte richtig, es hat aber nichts mit den ägyptischen Sprachen oder Hieroglyphen zu tun. Wir wollen die Papyri in den Kontext der Alltagskultur einordnen und so die Welt der Antike in Ägypten und anderswo, wo schließlich vieles ganz ähnlich verlief, besser kennen und verstehen lernen.

Lassen Sie uns über das Studium sprechen. Welche Lehrveranstaltungen können Studierende bei Ihnen besuchen?

Ich biete eine Vorlesung an, in der ich versuche, anhand der Papyri ein Bild der Epoche zu entwerfen - immer mit einem anderen Schwerpunkt. Per Studienordnung sind die Studierenden verpflichtet, Module zu belegen, in denen sie fachübergreifende Kompetenzen erwerben. Viele kommen deswegen zur Papyrologie. Wer genau, hängt vom Thema der Veranstaltung ab. Bei "Griechische Literatur und Bildung in Ägypten" kommen viele Philologen, wenn ich kommendes Semester die Verwaltung des kaiserzeitlichen Ägyptens bespreche, werden wohl hauptsächlich Althistoriker teilnehmen. "Jüdisches Leben in Ägypten" besuchen vorwiegend Theologen oder Studenten von der Hochschule für Jüdische Studien. Ich treffe aber auch auf Soziologen oder Altorientalisten.

Bekommen Sie Feedback dazu, warum sich Studierende für die Papyrologie interessieren?

Es gibt drei Gruppen: Manche kommen aus einem benachbarten Fach und halten es für eine sinnvolle Ergänzung; manche sagen "Irgendwas muss ich ja machen und das ist wenigstens mal was anderes"; bei der dritten Gruppe passt die Vorlesung halt gerade gut in den Stundenplan. Zu meinen Vorlesungen kommen teilweise mehr als 30 Studierende, zu Seminaren deutlich weniger.

Was bedeutet das gemischte Publikum für Sie als Hochschullehrerin?

Mir macht das Spaß, weil jeder Student das Wissen aus seinem speziellen Fachbereich einbringen kann, was der Diskussion meistens sehr gut tut. Es ist nicht so wichtig, aus welchem Fach die Studierenden kommen, da wir sowieso mit vielfältigen Methoden arbeiten. Für die Seminare wäre es natürlich gut, wenn Teilnehmer Griechisch könnten. Lateinkenntnisse sind nicht so wichtig, weil Latein im damaligen Ägypten eigentlich nur in der Armee verwendet wurde.

Kommen viele Studenten aus dem Ausland zu Ihnen?

Auf jeden Fall. Ich veranstalte regelmäßige Kaffeetrinken für alle hier Beschäftigten und Studierenden. Da sind die einzigen Deutschen am Tisch meistens das technische Personal und ich als Leitung. Auch in meinen Seminaren sitzen zu etwa 80 Prozent Studierende aus dem Ausland. Viele kommen nach dem Master im Rahmen einer Promotion zu uns.


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