Eigentlich sollte der bayrische Bulle bereits in den vergangenen Wochen in Milwaukee einreiten und dem US-amerikanischen Bison in Form von Harley-Davidson die Hörner in die Seite rammen. Doch am Ende hat Corona den Kampf verhindert und so musste sich die R 18 den Journalisten für einen ersten Ausritt rund um die bayrische Landeshauptstadt präsentieren.
Dabei ist die R 18, so wie das Gros der BMW-Motorräder, eine echte Berlinerin. Denn dort, wo seit über 50 Jahren die Zweiräder mit dem Propeller-Logo zusammengebaut werden, wird auch der Big Boxer in den Doppelschleifen-Rohrrahmen gehängt. Und der ist es am Ende auch, der der R 18 den Beinamen Bulle eingebracht hat. Spätestens wenn man auf der 342 Kilogramm schweren First Edition Platz genommen hat und ein Druck auf den über Keyless Ride aktivierten Startknopf dieses unglaubliche Kraftwerk zwischen den Beinen zum Leben erweckt, weiß man auch, warum.
Die rüttelt sich und schüttelt sich
Die Kolben in den riesigen Zylinderköpfen des mit 1800 Kubikzentimetern Hubraum gesegneten und luftgekühlten Big Boxermotors schlagen zur Seite aus, dass man das Gefühl hat, der Büffel muss sich vor dem Start erst einmal alle Muskeln lockern. Gut, dass man den fein gekröpften Lenker an beiden Enden fest in den Händen halten kann und die Beine bei einer Sitzhöhe von 69 Zentimetern auch bei kleingewachsenen Menschen fest auf dem Boden stehen. Doch bereits jetzt wird deutlich, dass die R 18 gar nicht so bedrohlich ist, wie der Autor dachte, als er noch andächtig schweigend neben dem mächtigen Gefährt stand.
Also linker Fuß auf die Raste, Klick nach unten, Kupplung kommen lassen und ab geht die Luzie. Wie, das geht nicht, ist doch ein Cruiser? Und ob das geht. Ja, dieses Monster-Triebwerk stellt nur 91 PS zur Verfügung, generiert aber ein maximales Drehmoment von 159 Newtonmetern. Auch wenn man die nicht mit einem epischen Hammerschlag über die frei rotierende Kardanwelle ans Hinterrad schmettert, zieht der Bulle kernig an. Denn von 2000 bis 4000 Kurbelwellenumdrehungen sind jederzeit über 150 Newtonmeter abrufbar. Allerdings klickt man spätestens bei 3000 Umdrehungen, eben dann, wenn das volle Drehmoment das Hinterrad erreicht, den nächsten Gang ein und freut sich an dem herrlich kernigen Lied aus den zwei stylishen Endrohren.
Etwas verhalten im Ton
Zugegeben, vergleicht man den Sound der R 18 mit dem einer Harley, kommt einem der Ton schon etwas verhalten vor. "Wir haben alles rausgeholt, was hier regelkonform ist", kommentiert Gerd Wösle, der Projektleiter der BMW R 18, die dahingehende Anfrage. Und tatsächlich soll es ja auch so sein, dass das Erste, was an einer Harley nach dem Kauf verändert wird, der Auspuff ist, damit der Sound dann endlich fahrzeugkonform ist. Nun, auch für die BMW gibt es natürlich diesbezügliches Zeug zum Nach- oder Aufrüsten. Ob es not tut, sollte der aufrechte Fahrer seine Ohren entscheiden lassen.
Für den sauberen Swing, den die bayrischen Ingenieure der Berlinerin gegeben haben, braucht es jedenfalls kein Endrohrgetöse. Denn der Spaß bei der Fahrt mit der R 18 liegt nicht nur in der ausgesprochen entspannten Sitzhaltung auf einem tatsächlich auch über 280 Kilometer nicht unnötig hart werdenden Sitzbrötchen, sondern vor allem im extrem guten Handling des Bikes. Zudem nehmen die Federwege von 120 Millimetern vorn und 90 Millimetern hinten den Unbill der Straßen recht konsequent in sich auf. Zudem lässt es sich mit dem fetten Cruiser, trotz des Gewichts und eines mit 1,73 Meter üppigen Radstandes, ganz charmant um die Kurven flitzen. Selbstredend ist der Neigungswinkel bauartbedingt auf maximal 30 Grad beschränkt. Aber wer sich der Kehre etwas früher zuneigt, wird auch mit diesem Winkel erstaunlich schnell ums Eck kommen.
Erstaunliches Handling
"Wir haben uns auch bei der R 18 bemüht, BMW-typische Eigenschaften unserer Motorräder beizubehalten. Dazu gehört eben auch ein einfaches Handling", so Wösle. Und damit meint der Mann natürlich nicht nur einen flotten Kurvenlauf. Bei der ersten Ausfahrt war auch zu beobachten, dass sich die mechanischen Teile wie Kupplung und Bremse über die wuchtigen Hebel ganz famos bedienen ließen. Zumal Zweitgenannte auf Zug, angenehm gut dosierbar, die zwei Zangen in die Doppelscheiben des Vorderrades beißen ließ und mit oder ohne Unterstützung der Hinterradbremse die Massen ausgezeichnet ab- und einfing.
Selbst das Rangieren war mit der R 18 kein Problem. Das Bike lässt sich problemlos in einem Zug auf einer Bergstraße wenden und wenn das mal nicht geht, kann es mit etwas Kraft aus der Sitzposition rückwärts manövriert werden. Wer glaubt, dass er die Massen so nicht bewegen kann, der hat in der Optionsliste die Möglichkeit, ein Kreuz bei der "Rückfahrhilfe" zu machen. Bei Bedarf lässt sie sich per Wählhebel an der linken Motorseite aktivieren. So werden die Vorwärtsgänge gesperrt und der Rückwärtsgang wird eingelegt. Durch Druck auf den Startknopf wird das Bike dann in Bewegung gesetzt. Aber noch mal: Eigentlich braucht man dieses Feature nicht, denn das Handling dieses Brockens ist auch ohne zusätzliche Kraftbeigabe möglich.
Dauerläufer mit Sprinteinlagen
Aber kommen wir noch einmal auf den Fahrspaß zurück. Für Menschen wie den Autor dieser Zeilen, der mantramäßig die Worte "das ist nicht deine Art, Motorrad zu fahren" in seinen Bart brabbelte, seien hier noch ein paar Fahrdaten angemerkt. Das Trumm auf zwei Rädern beschleunigt nämlich in schlanken 4,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Wer die 342 Kilogramm dann mal richtig fliegen lassen möchte, der kann den Hahn aufziehen und wird sich wundern, wenn die Nadel im analogen Rundinstrument an der 180 vorbeizieht.
Aber wir wissen es alle, so ein Cruiser ist keine Rennmaschine, will es auch gar nicht sein. Der Fahrspaß liegt nämlich nicht im Dauersprint, sondern im entspannten Dauerlauf mit kraftvollen Sprinteinlagen. Und das kann die R 18 zweifelsfrei. Damit das noch mehr Freude bereitet, haben die Bayern mal ganz tief in die Humor-Kiste gegriffen und nicht nur einen Fahrmodus mit reduzierter Drehzahl geschaffen, der sich da Rain nennt, sondern sie haben zwei weitere unter dem Namen Rock and Roll beigegeben. Zweitgenannter sorgt für einen sanfte, aber immer noch direkte Gasannahme, der erste versteht es, dem Fahrer die Arme mal so richtig langzuziehen und ein breites Grinsen unter den Helm zu zaubern.
Dabei ist das Prinzip ganz einfach: "Wir haben bei Roll die Gasannahme so gestaltet, dass für ein entsprechendes Ansprechverhalten der Gasgriff um 15 Grad gedreht werden muss. Bei Rock reichen bereits 7 Grad aus. Dementsprechend geht es natürlich nach vorn, wenn man hier den Hahn ordentlich aufreißt", erklärt Wösle. Und der Mann erzählt keine Märchen. In Rock prescht die R 18 vor, als sähe sie bereits die Zielflagge auf dem Gipfel. Zudem wirkt alles etwas rauer. Damit das Tollen mit dem Bullen aber nicht unversehens im Straßengraben endet, hat BMW hier wie bei all seinen neuen Motorrädern ein Sicherheits-Features verbaut. Serienmäßig gibt es eine automatische Stabilitätskontrolle, die der Könner selbstverständlich abschalten kann. Zudem ist die R 18 mit einer Motor-Schleppmoment-Regelung ausgerüstet, die bei abrupter Gaswegnahme oder beim Zurückschalten verhindert, dass das Hinterrad rutscht.
Angemessener Preis
Eine in den Bergen durchaus hilfreiche Sonderausstattung ist übrigens die Hill Start Control, auf gut Deutsch der Anfahrassistent. Wer jetzt den Hand- oder Fußbremshebel kurz betätigt, sorgt dafür, dass das Bike an einem Hang nicht mehr zurückrollen kann. Und auch beim Anfahren muss die Bremse nicht mehr betätigt werden. Gang rein, Hahn auf und los. Und wer dann das volle Paket haben will, kann auch noch Heizgriffe ordern, die sich über drei Stufen schalten lassen und außerdem gibt es auch noch eine elektronische Geschwindigkeitsregelung und ein adaptives Kurvenlicht.
Ergo: Für die BMW R 18 gibt es am Ende nicht viel weniger als für die anderen Motorräder mit dem Propeller-Logo am Tank. Und weil das so ist, lohnt es sich jetzt einfach mal auf den Preis zu gucken. Für die First Edition, die momentan bestellt werden kann, ruft BMW 22.225 Euro auf. Das geht mit Blick auf die US-amerikanische Konkurrenz gar nicht so wenig Geld. Wer jetzt bei den nicht unattraktiven Zugaben sein Kreuz macht, wird am bei 24.150 Euro landen. Am Ende also ein recht ordentlicher Preis für eine voll ausgestattete R 18. Aber Halt, Sie müssen nicht sofort ihr Konto auflösen und zum nächsten BMW-Händler flitzen. Nach Aussage des Chefs von BMW Motorrad, Markus Schramm, sind die Bestellbücher derart gut gefüllt, dass sich Interessenten momentan mindestens ein halbes Jahr gedulden müssen, bis sie ihre BMW R 18 zwischen die Schenkel nehmen können.
Quelle: ntv.de
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