Der gefallene Magier der Märkte
"Der großartigste Zentralbanker in der Weltgeschichte", hieß es in den Lobeshymnen der Politiker noch, als die USA Greenspan zur Jahrtausendwende für weitere vier Jahre an die Spitze der Notenbank Federal Reserve (Fed) beriefen. Der damals bereits seit 13 Jahren amtierende Fed-Chef galt in der Welt des Geldes als Maß aller Dinge, genoss Kultstatus an den Finanzmärkten und hatte die Rückendeckung sowohl von Republikanern als auch von Demokraten.
Dabei war Greenspan zuvor in große Fußstapfen getreten. Er hatte den Job vom legendären Paul Volcker übernommen, dem es gelungen war, die galoppierende Inflation mit einer gewagten Hochzinspolitik zu zügeln.
"Greenspan Put"
Aber Greenspan, der im New Yorker Stadtteil Washington Heights aufgewachsene Sohn eines Börsenmaklers und Finanzanalysten, wurde selbst rasch zum Superstar unter den Geldpolitikern. Der hagere Ökonom mit der großen Brille, der 1977 an der New York University promoviert hatte, schien einfach alles richtig zu machen. 1987, direkt nach seinem Amtsantritt, meisterte er in einer Art erster Nagelprobe das als "Schwarzer Montag" in die Finanzgeschichte eingegangene Börsenbeben. Die Fed öffnete die Geldschleusen, um die Panik der Anleger mit massenhafter Liquidität zu kontern.
Die Methode wirkte. Sie sollte zum Markenzeichen des Notenbankchefs werden. Geboren war das Versprechen, das in den Handelssälen der Finanzprofis fortan als "Greenspan-Put" bezeichnet wurde: Wenn es hart auf hart kommt, könnt ihr euch auf die Fed verlassen. Von den unangenehmen Risiken und Nebenwirkungen niedriger Zinsen und billigen Geldes war damals noch nicht so viel zu hören.
Greenspans Erfolg hielt an - unter seiner geldpolitischen Führung legte die US-Wirtschaft eine der längsten Blütezeiten in ihrer Geschichte hin. Anfang 2000 wurde es dem "Economist" unheimlich: Das renommierte Wirtschaftsmagazin beschrieb den Notenbanker als "Allmächtigen" der Finanzwelt. "Investoren verlassen sich so sehr auf Greenspans magische Hand, dass sie die Aktien in der Annahme hochbieten, dass er sie schon retten wird, wenn es schief geht."
Geldschwemme sorgte für Spekulationsblasen
Es dauerte dann noch sieben Jahre, bis es richtig krachte. Zunächst wurde Greenspan weiter für seine vermeintliche Weitsicht als Orakel gefeiert. Als der Terroranschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Centers vom 11. September 2001 die Börsen erneut taumeln ließ, griff Greenspan einmal mehr zum bewährten Allheilmittel - und senkte entschlossen die Leitzinsen. Es wirkte. Doch wenn der Geldhahn zu lange offen steht, kann es zu Flurschäden kommen.
Heute gilt es als weitgehend unumstritten: Die Geldschwemme aus dem Greenspan-Tropf war ein Wegbereiter der Spekulationsblasen, die 2007 zum Zusammenbruch des Häusermarktes und dann zum konjunkturellen Kollaps führten. Die schlimmste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit fiel aber nicht mehr in Greenspans Amtszeit. Er ging 2006 in Rente - die Aufräumarbeiten übernahm sein Nachfolger Ben Bernanke. Teilweise ist auch die jetzige Fed-Chefin Janet Yellen noch damit beschäftigt.
Fehler gesteht Greenspan indes nicht ein - er habe schließlich wiederholt vor Übertreibungen an den Immobilien- und Kreditmärkten gewarnt. Mit dieser Einschätzung ist er aber ziemlich allein. Die Weigerung, eine Mitschuld an der Krise einzuräumen, brachte Greenspan harsche Kritik von Fachkollegen wie dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman ein: "Er hat noch immer nicht die Integrität, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen."
Quelle: n-tv.de , Hannes Breustedt, dpa