SUV – das waren damals drei Buchstaben, die für den reinsten Frevel standen. Sogar die größte SUV-Nation der Welt, die USA, ließ von ihrem liebsten Spiel- und Fahrzeug. Eine kurze Zeit.
Zu den vielen Dingen, die sich mit dem in den Keller gefallenen Ölpreis geändert haben, zählt der Umstand, dass der Begriff SUV heute ein Verkaufsargument ist – eines, das stärker zieht als jedes andere. Auf dem europäischen Automarkt erzielte das Segment im Vorjahr 22 Prozent Wachstum, während der Gesamtmarkt nur um etwas über acht Prozent gewachsen ist (bereits dies respektabel, nach wesentlich schwächeren Jahren davor). Noch in diesem Jahr wird man davon reden können, dass jeder vierte verkaufte Neuwagen dem SUV-Segment entstammt. Das ist in Österreich bereits der Fall.
In allen Klassen
Wie umfangreich die Gattung mittlerweile geworden ist, zeigt ein Rundgang durch die Genfer Messehallen. Dort tummeln sich SUVs in allen Größen- und Preisklassen.
Der größte Lärm dringt vom Maserati-Stand herüber, dort sind die Lautstärkeregler auf Anschlag gedreht. Das Trommelfell wird erschüttert vom Geröhre eines Autos, das auf dem Video allerdings nur harmlos durch die Stadt rollt. Vielleicht mit defektem Auspuff.
Jenes SUV, der Levante, wird vom Sprecher hernach gepriesen als „Maserati, in dem man sich nicht mehr von anderen SUVs einschüchtern lassen muss“.
Dass Maserati-Fahrer unter so geringem Selbstwertgefühl leiden, war uns nicht bekannt, die Angstzustände haben aber nun offenbar ein Ende. Der Levante sieht aus wie ein Porsche Cayenne, dem mit etwas Tuning optisch nachgeholfen wurde. Dass Maserati einst die schönsten Autos der Welt gebaut hat – eine zunehmend verblassende Erinnerung.
Was bleibt den Herstellern auch anderes übrig? Speziell im Überdrüber-Segment kommt die Nachfrage erst richtig auf Touren. Bentley wollte vom 610-PS-SUV Bentayga zunächst 3600 Stück pro Jahr bauen, erhöhte unter Aufbietung aller Kräfte auf 5500 Stück – dabei habe man, so Bentley-Chef Dürheimer, schon 10.000 Bestellungen vorliegen.
Mit langen Wartezeiten muss aber nicht nur die betuchte Klientel leben. Auch in den kleineren SUV-Klassen kommen die Hersteller mit dem Liefern kaum nach.
Audi steigt Ende des Jahres mit dem Q2 in den Ring, dem kleinsten SUV der Marke. Das knapp 4,2 Meter lange SUV basiert auf dem dreitürigen A3 und verfügt in den Topmotorisierungen über Allrad.
Mit dem Q2 ist man der Schwestermarke Volkswagen ein Stück voraus – das kleinste SUV-Segment gedenkt man dort mit dem T-Roc zu besetzen, der in Genf als Studie eines Cabrios gezeigt wird. VWs neues Einstiegs-SUV basiert auf dem Polo, wird 2017 marktreif sein – und irgendwann womöglich auch in einer Cabrio-Version verfügbar sein. Solange es sich um ein SUV handelt, ist derzeit alles möglich.
So auch PS-Gedöns, das von den traditionell dafür vorgesehenen Sportwagen ein paar Stockwerke höher gelegt wurde. Der Audi Q7 zum Beispiel wird in neuer S-Variante aus einem V8-TDI samt elektrisch angetriebenem Turbolader 435 PS und 900 Nm entfachen.
In die Höhe drängt auch Škoda mit dem Vision S. Die 4,7 Meter lange, siebensitzige Studie gibt einen Ausblick auf ein Format deutlich über dem Yeti.
Mit dem Ateca feiert Seat seine Premiere im Fach. Das kompakte SUV, das technisch mit dem VW Tiguan verwandt ist und von Škoda in Tschechien gebaut wird, soll mit besonders dynamischen Fahreigenschaften glänzen.
Etwas mehr Fantasie hätte man Toyota beim Namen gewünscht, falls man nicht doch noch etwas Blumigeres findet als C-HR. Das neue kompakte SUV spielt mustergültig mit den Formen, die das Format so beliebt machen. Hier geht es optisch nicht mehr ums Geländefahren, sondern um Verwegenheit im Ausdruck. Der Hersteller stürzt sich also mit Geschrei in das boomende Segment – man sei vielleicht spät dran, hört man am Toyota-Stand, doch habe man die Verfügbarkeit der neuen Prius-Architektur abwarten müssen. Prius? Jawohl, der C-HR besteht aus vielen Bausteinen des Hybriden und wird auch selbst als Hybrid angeboten werden.
Die elektrischen Wesen hielten sich in Genf stark zurück. Allenfalls ein paar sehr unverbindliche Studien waren zu sehen, von Teslas Model X abgesehen. Der e-Méhari von Citroën ist ulkig, aber wohl nicht viel mehr. Nach Österreich kommt er ohnehin nicht.
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