Die CDU ist kopflos, etwa 18 Stunden lang. Die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist mit Ende des ersten von zwei Parteitagen offiziell verabschiedet. Am frühen Samstagnachmittag soll feststehen, welcher Nordrhein-Westfale ihr Nachfolger wird. Und wäre das der Ungewissheit nicht genug, muss die Partei auch noch erstmals einen Parteitag mit Personalwahlen digital über die Bühne bringen. Und Angela Merkel, die so lange als Kapitänin auf der Brücke von Land und Partei stand, geht ebenfalls von Bord. Daran erinnert sie selbst, als die Bundeskanzlerin sich ganz ungewohnt selbst lobt. Doch der Reihe nach.
Der Freitag steht klar im Zeichen des AKK-Abschieds, bevor am Samstag endlich das quälend lange Kandidatenrennen zwischen dem Trio Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen entschieden wird. Formalrechtlich steht der kommende Vorsitzende zwar erst mit Bekanntgabe des Briefwahlergebnisses am 22. Januar fest. Dennoch ist klar: Am Samstag läutet die CDU ihre Nach-Merkel-Zeit ein - im zweiten Anlauf. Da macht es schon Sinn, dass die Partei Bilanz zieht, wo sie steht.
Viel Lob für AKKs Wirken
Parallel zu den starken Umfragewerten für die Union kommt auch die aktuelle Parteiführung beim Blick in den Spiegel zu dem Schluss, dass ihr gefällt, was sie da sieht. "Die programmatischen Lücken sind geschlossen", sagt Kramp-Karrenbauer über ihr eigenes Wirken. "Die Kampagnenfähigkeit und die digitale Kommunikation sind entscheidend verbessert."
Die Bundesverteidigungsministerin betont auch die programmatischen Neuausrichtungen bei der Frage der Parität auf den CDU-Kandidatenlisten, der Befürwortung der Frauenquote und die Anerkennung der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) als eigenständige Parteiorganisation. Ihr Laudator Volker Bouffier bestätigt die Fortschritte: "All das, was wir unter deiner Führung erarbeiten durften, das bleibt", sagt der Ministerpräsident von Hessen. Dass es nicht gelungen ist, vor dem Superwahljahr das neue Grundsatzprogramm fertig zu bekommen, erwähnt an diesem Abend lieber keiner.
Als Kramp-Karrenbauers größte Leistung, da sind sich die Redner einig, gilt die von ihr angeführte Aussöhnung mit der CSU, die sich mit der Merkel-Union über die Flüchtlingspolitik verkracht hatte. "Es ist ohne dich meines Erachtens nicht möglich gewesen, dass wir diese Zeit überwunden haben", sagt Bouffier. Weitere Redner, darunter die stellvertretende Vorsitzende Julia Klöckner und Präsidiumsmitglied Annette Widmann-Mauz, sind ebenfalls voll des Lobes, insbesondere über Kramp-Karrenbauers menschliche Qualitäten. "Warum muss dann die Frau überhaupt gehen?", könnte der unbedarfte Beobachter fragen.
Merkel fordert Team-Lösung
Ganz und gar nicht unbedarft ist die frühere Vorsitzende Merkel, die nicht ein Wort über den Zustand der Partei verliert und auch keines über die von ihr lange Zeit geförderte Kramp-Karrenbauer. Das überrascht, weil sie direkt nach der AKK-Verabschiedung spricht; zumal Merkels Redetext handgeschrieben aussieht, sie sich also persönlich daran gesetzt haben dürfte. Stattdessen spricht Merkel über Merkel.
"Für mich persönlich ist dieser Parteitag auch etwas Besonderes", sagt sie mit Blick auf ihren nahenden Abschied aus der Bundespolitik. "Es ist zumindest was Wahlparteitage angeht auch mein letzter als Bundeskanzlerin." Merkel wirft einen Blick zurück auf ihre Regierungszeit, wie lange diese gedauert habe und welche Krisen sie gemeistert hat: Finanzcrash, Euro-Krise, das Flüchtlingsjahr 2015 und nun die Pandemie, ihre nach eigenem Bekunden "schwerste Krise".
Dass Land und Leute am Ende dieser Krisen "immer wieder zu neuer Stärke finden konnten, ist auch das Verdienst der CDU", befindet Merkel. Die CDU habe immer für "Ausgleich" gesorgt und "Verständnis für alle Teile unserer Gesellschaft" gezeigt. Dass sie den Wunsch äußert, dass die Partei am Samstag "ein Team" wählt, kann als diskreter Fingerzeig Richtung Laschet gewertet werden. Doch andererseits ist eh klar, dass sie weder ihre Nemesis Merz noch den von ihr als Bundesminister geschassten Röttgen an der Parteispitze sehen mag.
Auftritt Ziemiak
Teil des Führungsteams wird aller Voraussicht nach Paul Ziemiak bleiben. Der von AKK installierte Generalsekretär hat schon im Vorfeld viel Lob erfahren für die Handhabung des Kandidatenrennens und für die Organisation des Bundesparteitags. Die moderne Parteitagsbühne in der Messehalle Berlin und die technische Umsetzung sind am ersten Tag tatsächlich beeindruckend, die technischen Abläufe reibungslos. Alle Parteien müssen dieser Tage Digitalkompetenz demonstrieren, und es zeichnet sich ab, dass sich die CDU in diesem Punkt bei Ziemiak wird bedanken können. Auch die ersten Abstimmungen verlaufen ohne Verzögerung.
Ziemiak hält selbst eine schmissige Rede, die einzige dieser Art an diesem Abend. "Wir haben dafür gesorgt, dass die CDU die digitalste Partei Deutschlands ist", sagt er und begibt sich auf Augenhöhe mit den ganz Großen in der Partei, wenn er Kramp-Karrenbauer, Merkel und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff für ihre Arbeit dankt. Ziemiak wird auch für die Wahlkampfkampagne verantwortlich sein und bringt die Partei schon einmal entsprechend in Stimmung. So sagt er über mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen auf Bundesebene: "Die Grünen werden wahrscheinlich mehr Kröten schlucken müssen als sie jemals in ihrem Leben über die Straße getragen haben."
Ziemiak ist es auch, der am Ende eines Grußworts vom CSU-Vorsitzenden noch kurz mit Markus Söder plauscht. Dieser nutzt seine Ansprache, um zu betonen, dass er mit jedem der drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz gut zusammenarbeiten werde. Im Hintergrund hat Söder eine Strauß-Büste stehen, einem von zwei CSU-Chefs, die sich als Kanzlerkandidaten versucht haben. Am Ende fragt Ziemiak ihn, ob er auf dem Pult eine CDU-Parteitagstasse stehen habe. Söder sagt, er habe keine. Ziemiak bietet an, eine zu schicken. Söder sagt: "Wenn ein Angebot der CDU an mich kommt, dann werde ich das entsprechend gewichten." Eine Antwort, die nicht so richtig passen mag. Zu einer anderen Frage, nämlich die nach der Kanzlerkandidatur, dagegen schon.
Quelle: ntv.de
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