Tern GSD R14 - ein echter Lastesel

  21 Januar 2021    Gelesen: 774
  Tern GSD R14 - ein echter Lastesel

Das Kürzel R14 steht nicht für ein neues Modell von Renault, sondern für die imposant bestückte Topausstattung des Lasten-E-Bikes GSD vom taiwanesischen Hersteller Tern. Allerdings ist dieser Lastesel in etwa so teuer wie das günstigste Auto, das momentan in Deutschland angeboten wird.

Lastenräder werden mittlerweile als ökologische Alternative zum Auto empfohlen. Preislich sind sie es oft allerdings nicht. Wie etwa im Fall des neuen Tern GSD R14, das mit rund 8600 Euro sogar 100 Euro mehr als der von Renault-Tochter Dacia neu aufgelegte Sandero kostet. Zugegeben, der markiert aktuell den günstigsten Einstieg in die Autowelt. Doch während der billige Basis-Sandero zugleich als Symbol für eine rollende Verzichtserklärung steht, bewegt sich das kompakte wie vielseitig nutz- und belastbare Topmodell der frisch überarbeiteten GSD-Reihe in nahezu jeder Hinsicht auf Topniveau. Und dieser Umstand macht in der Testpraxis in mehrfacher Weise Eindruck.

In vielen Belangen beeindruckend

Beeindruckend war bereits die sperrige und schwere Transportbox, in der das fast 1,80 Meter lange Cargorad geliefert wurde. Bereits ohne die vielen möglichen Gepäcklösungen bringt das GSD R14 nämlich stolze 37 Kilogramm auf die Waage, weshalb für das Heben aus der Kiste auch zwei Personen nötig waren. Kommen erschwerend noch große Cargotaschen, eine Sitzbank mit Lehne, die Lenker-Attrappe für den hinteren Passagier sowie der große Frontgepäckträger hinzu, wird man definitiv keine Freude daran finden, das GSD etwa eine Treppe hinaufzutragen. Entsprechend dem üppigen Gewicht hat Tern der Neuauflage einen zweifüßigen Mittelständer von Atlas spendiert, der nicht nur für einen soliden Stand, sondern außerdem noch für Rätsel sorgt. Erst wenn am Ständer ein Seilzug entdeckt wird, der zu einem Entriegelungshebel am Lenkrad führt, kann der störrische Einspur-Muli aus seiner sicheren Parkposition bugsiert werden.

Trotz der vielen Kilos lässt sich das GSD dank E-Antrieb dann doch recht locker weiterbewegen. Ein Knopfdruck auf dem großen und abnehmbaren Intuvia-Display aktiviert die speziell auf Cargo-Einsätze ausgelegte Bosch-Maschine, die über einen extralangen Riemenantrieb ihre Kraft an ein mit elektronischer Rohloff-Nabenschaltung gerüstetes Hinterrad leitet. 14 Gänge? Und dann noch elektrisch? Was für ein Pedelec übertrieben klingen mag, erweist sich in der Lastenrad-Praxis als durchaus sinnvoll. Auf ebenem Terrain wird man auf die ersten sechs oder sieben Übersetzungsstufen praktisch verzichten, doch geht es steiler bergauf, ist man dankbar, dass gleich mehrere Stufen zur Wahl stehen, mit denen sich die schwere Fuhre auch an steilen Gipfeln mit respektablem Tempo hochprügeln lässt.

Der Akku darf nicht schlappmachen

Der bei hoher Last deutlich hörbar surrende Cargo-Motor schiebt in jeder Situation souverän an, maximal sind allerdings 25 Kilometer pro Stunde drin. Dank lang übersetzter Gänge kann auf Wunsch die Trittfrequenz sehr niedrig ausfallen. Der kurze Daumendruck auf den Gangwahlschalter am Lenker sorgt, begleitet von einem typischen Servosurren, für den schnellen und präzisen Gangwechsel. Auch Gangsprünge sind möglich. Bei einer Rohloffschaltung kann man leicht den Überblick verlieren, doch praktischerweise informiert das Display am Lenker darüber, welche Übersetzungsstufe eingelegt wurde. Praktisch außerdem: Wer bei einem plötzlichen Halt das Runterschalten vergisst, wird auch hier von der smarten Technik unterstützt, die dank "Automatic Downshift" auf einen vom Fahrer definierten Anfahr-Gang runterschaltet.

Neben der souveränen Antriebstechnik hat Tern für das R14 eine gute Akkulösung gewählt. Hier kommt der 500-Wh-Riegel von Bosch gleich im Doppelpack zum Einsatz. Selbst im Winter ist somit eine Reichweite auf dreistelligem Niveau garantiert. Laut Tern sollen sogar bis 250 Kilometer möglich sein. Ob das stimmt, kann an dieser Stelle nicht gesagt werden. Fakt ist aber, dass während des mehrwöchigen Tests nicht nachgeladen werden musste. Ein sicheres Energiepolster ist beim Tern auch wichtig, denn während einer Tour, vielleicht noch mit Zuladung, dürfen die Akkus auf gar keinen Fall schlapp machen. Denn das GSD allein mit Muskelkraft antreiben zu wollen, wird niemandem Freude bereiten.

Das schleppt richtig was weg

Dank XXL-Akku könnte sich das GDS auch als Reiserad eignen. Mit großzügiger Gepäcklösung und hoher Reichweite wäre auch ein Zelturlaub mit Kindern und viel Geraffel denkbar. Für längere Touren gewiss nicht jedermanns Sache ist allerdings die betont aufrechte Sitzposition, die man auf dem Tern einnimmt. Als wiederum angenehm erwiesen sich im Alltagseinsatz - egal ob auf langen Touren oder im Stadtverkehr - die komfortabel gefederte Creek-Sattelstütze von Cane, eine Federgabel vorne sowie die voluminösen Schwalbe-Reifen. Die Härten der Straße verlieren so schnell ihren Schrecken.

Überzeugen konnten auch die Magura-MT5-Stopper mit Vierkolben-Bremssattel, die angesichts eines zulässigen Gesamtgewichts von bis zu 200 Kilogramm auch kräftig zupacken müssen. Ebenfalls für viel Vertrauen sorgt der besonders stabile Geradeauslauf des GSD. Anders als manches andere Modell aus dem Hause Tern ist das Flaggschiff des Herstellers aus Taiwan allerdings kein wilder Kurvenfeger, den man lustvoll und mit reichlich Schräglage um enge Ecken scheucht. Ein Lastenrad ist und bleibt ein Lastenrad.

Auch mit einigen anderen Detaillösungen hinterlässt das GSD einen gediegenen Eindruck. Dazu gehören die großzügigen Verstellbereiche für Lenker und Sattel, die LED-Lampen mit einem Fernlicht-fähigen Superscheinwerfer oder das Abus-Speichenschloss am Vorderrad, dessen Schlüssel auch für die Sicherung der Akkus genutzt wird.

Besonders loben muss man schließlich noch die vielen praktischen Transportlösungen, die Tern für das GSD anbietet. 74 Liter passen etwa in die bei Nichtgebrauch flach ans Rad fixierbaren Textiltaschen. Sind diese am Heck montiert, können dennoch gleichzeitig zwei Kinder oder alternativ auch ein Erwachsener hinten mitreisen. Statt der Sitzgelegenheiten lässt sich am langen Heck auch ein großer Gepäckträger montieren, der eine passgenaue Aufnahme für eine Eurobox bietet. Mit einigen dieser Extras kann der Preis für ein neues R14 leicht über 9000 Euro steigen. Im Fall des Dacia Sandero reicht das übrigens für die mittlere Ausstattung "Essential" und für ein Multimedia-System.

Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x


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