Experten-Diskussion zu Bidens Russland-Politik: Rationale Konfrontation vs. irrationale Eskalation

  28 Januar 2021    Gelesen: 752
Experten-Diskussion zu Bidens Russland-Politik: Rationale Konfrontation vs. irrationale Eskalation

Joe Biden im Amt: Hoffnung für die internationalen Beziehungen? – so hieß eine Online-Konferenz des Deutsch-Russischen Forums, auf der unter anderem auch die Fragen diskutiert wurden, was das Ende der Trump-Ära für den Kreml bedeutet und ob ein Neustart im russisch-amerikanischen Verhältnis möglich ist.

Für Russland ist Joe Biden kein Unbekannter. Als junger Mann traf er sogar mit dem damaligen sowjetischen Außenminister Andrey Gromyko zusammen. Und auch Wladimir Putin und Biden kennen sich, ein harmonisches Verhältnis wird es aber wohl kaum werden, hieß es bei der Diskussion. Wird der harte Kurs in den US-Beziehungen zu Russland fortgesetzt? Kommt es zu Meinungsdifferenzen mit Europa und speziell Deutschland.

Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe ist der Meinung, dass die Präsidentschaft von Joe Biden gute und schlechte Nachrichten für die amerikanisch-russischen Beziehungen biete. Er geht jedoch davon aus, dass Rüstungsentscheidungen eine Chance böten, konstruktiv miteinander umzugehen.

Kann das Zeitalter der irrationalen Eskalation durch eine mehr rationale Auseinandersetzung gemildert werden?

Joe Biden habe eine Chance, so der Abgeordnete, „dass es etwas besser wird, aber es wird nicht so, wie manche in Deutschland glauben: Jetzt werde alles gut. Biden wird auf der einen Seite konstruktiver umgehen, weil er weiß, dass Politik kein Nullsummenspiel mit Fragen der Abrüstung ist. Also außen- und abrüstungspolitisch könnte es etwas konstruktiver werden.“

Zugleich warnt der Dpolitiker davor, dass die antirussische Haltung in den USA, die sich in diversen Sanktionsbeschlüssen ausdrücke, parteiübergreifend sei. Und die bereits spürbare Konfrontation könne deutlicher werden. Seine vorsichtige Einschätzung ist:

„Es wird rationaler, aber die Konfrontation kann an bestimmten Stellen durchaus auch deutlicher werden. Wir alle erinnern uns an den Satz, den nicht Donald Trump, sondern Barack Obama gesagt hat, wonach Russland bloß eine Mittelmacht sei. Insofern könnte das Zeitalter der irrationalen Eskalation durch eine mehr rationale Auseinandersetzung gemildert werden, aber es bleibt eine Auseinandersetzung.“

Nach der Verlängerung des New-START-Abkommens rechnet Trittin damit, dass Biden Schritte gehen wird, auch das Iran-Abkommen wieder in Kraft zu setzen. Das wäre im Interesse Russlands wie der Europäer. „Das wird aber schwierig sein, angesichts der Vorbedingungen, die da gestellt worden sind. Das ist ja aber ein Feld, wo die EU, Russland und China gemeinsam mit den USA etwas bewegen könnten.“ In anderen Bereichen könnte Russland aus der Sicht des Außenpolitikers von der amerikanischen Politik sogar profitieren, „wenn die USA Abzüge aus bestimmten Räumen, die unter Trump begonnen worden sind, Afghanistan, der Mittlere und Nahe Osten fortsetzen.“

Biden werde stark innenpolitisch agieren, so Trittin, und dafür brauche er Ressourcen. „Russland versucht, in solche Vacui einzudringen. Hier wird es sicherlich einen Wettlauf, möglicherweise auch eine Konkurrenz und Reibung mit der Europäischen Union geben, die nicht unbedingt davon überzeugt ist, dass eine starke russische Präsenz im Sahel, in Sudan oder in Libyen die Sicherheit Europas fördert.“

Dmitri Trenin, Direktor des Carnegie Moscow Center sagt, dass der New-Start-Vertrag für die USA genauso wichtig ist wie für Russland. „Und es ist gut, dass die Biden-Administration im Gegensatz zu Trump die Verlängerung des Vertrages nicht in Abhängigkeit von russischem Nachgeben stellt. Es geht um gegenseitige Kompromisse, aber auf Augenhöhe.“ Der außenpolitische Experte äußert sich aber verhalten: „In meinen Augen bedeutet die Präsidentschaft von Biden keine fundamentalen Änderungen der US-Politik gegenüber Russland. Die Konfrontation wird sich vielleicht anders fortsetzen, etwas anders verlaufen, weil Präsident Biden im Unterschied zu Trump ein gefestigtes Team hat.“

Seine Politik werde vorhersagbarer sein, so Trenin weiter, „der Druck wird sich jedoch mit dem Ziel erhöhen, dass sich Russland innenpolitisch ändert. Es wird Bestrebungen geben, die Kräfte in Russland zu unterstützen, die Präsident Putin gegenüberstehen, also die Opposition. Wir haben ja die Duma-Wahlen im September 2021 und die Präsidentschaftswahlen 2024. Die beiden Wahlen werden für das russische politische System ein ernst zu nehmender Test sein, und die USA werden das natürlich beachten. Sie werden das nicht einfach so passieren lassen, sondern sehr aktiv auf dem russischen innenpolitischen Feld arbeiten.“

snanews


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