Die Sorge vor einem zweiten Ischgl

  13 Februar 2021    Gelesen: 1022
Die Sorge vor einem zweiten Ischgl

Wieder einmal steht Tirol im Fokus: Diesmal ist es das gehäufte Auftreten der südafrikanischen Variante von Sars-CoV-2, das Forscher und Politiker in Österreich und Deutschland alarmiert. Mehr als 400 Fälle könnten es schon sein. Im angrenzenden Bundesland Bayern wächst die Unruhe.

Die Einschläge scheinen näher zu rücken - mit Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol werden erstmals zwei Nachbarländer von Deutschland zum Mutationsgebiet erklärt. Während in Tschechien sich die zuerst in Großbritannien entdeckte Sars-CoV-2-Variante B.1.1.7 ausbreitet, lösen im Fall Tirols hunderte Nachweise der in Südafrika entdeckten Variante B.1.351 Besorgnis aus - vor allem beim Nachbarn Bayern. "Wir sind bei Österreich sehr verunsichert", sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am Mittwoch im ZDF. Die deutsche Virologin Dorothee von Laer hatte in den vergangenen Tagen bereits vor einem "zweiten Ischgl" gewarnt - der Tiroler Skiort war im März 2020 zu Europas Corona-Hotspot geworden.

"Wir haben es mit der südafrikanischen Variante zu tun. Die ist nach bisherigem Wissen noch einmal gefährlicher als die britische Variante", mahnte der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner. B.1.351 sei nicht nur infektiöser, sondern ersten Erkenntnissen nach auch tödlicher - und zusätzlich wirkten manche Impfstoffe weniger gut dagegen. Auch wer schon Corona hatte, könne sich wahrscheinlich erneut anstecken, so Wendtner. Virologin von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck hatte zudem von zusätzliche Mutationen in Tirol berichtet - sie sprach daher von einem "Tiroler Subtyp" der südafrikanischen Variante.

Wie die Variante nach Tirol kam, ist bisher unklar. Ein Politiker der Tiroler Grünen, Gebi Mair, hatte im ORF gesagt, dass man im Moment davon ausgehe, "dass der Eintrag aus dem süddeutschen, Münchner Raum war". Laut österreichischen Medienberichten verfolgen die Tiroler Behörden jedoch nicht diese, sondern eine andere "vielversprechende Spur", die "geografisch in eine andere Richtung geht", erklärte Corona-Einsatzleiter Elmar Rizzoli laut dem "Kurier". Näheres könne er noch nicht sagen. "Da laufen die letzten Abklärungen."

Bereits mehr als 400 Fälle in Tirol

Doch wie verbreitet ist das mutierte Virus in Tirol bereits? Zwischen dem 23. Dezember und dem 9. Februar wurden in dem Bundesland mittlerweile 438 bestätigte und teils unbestätigte Fälle dieser Virusvariante festgestellt. Bei den 262 unbestätigten Fällen gehen die Behörden jedoch davon aus, dass "nach bisherigen Erfahrungen sich der Großteil dieser Fälle bestätigen" werde, heißt es auf der Webseite des Bundeslandes. Insgesamt seien derzeit bis zu 145 Menschen in Tirol akut mit der Corona-Variante infiziert. Besonders stark ist bisher der rund 84.000 Einwohner zählende Bezirk Schwaz betroffen, in dem 60 Prozent aller Fälle aufgetreten sind. Insgesamt sind in Tirol derzeit knapp über 1000 Menschen akut an Covid-19 erkrankt.

Doch der Skiort Ischgl ist diesmal nicht im Zentrum des Geschehens - der Bezirk Landeck, in dem der einstige Corona-Hotspot liegt, ist von der Variante bisher weitgehend verschont geblieben - unter einem Prozent aller Tiroler B.1.351-Fälle sind in Landeck aufgetaucht. Mit 22 aktiven Infektionen pro 100.000 Einwohnern weist der Bezirk zudem das geringste Corona-Aufkommen in Tirol auf. Fast fünfmal so viele sind es im am stärksten betroffenen Bezirk Lienz, eine an der Grenze zu Italien liegende Exklave des Bundeslandes Tirol. Dort wiederum ist die südafrikanische Variante selten.

In Bayern sind laut dem Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bisher 14 Fälle mit der in Südafrika entdeckten Variante B.1.351 bekannt geworden. Einer davon im Landkreis Rosenheim, bei dem es sich um einen Südafrika-Reisenden handelt. Im Landsberg am Lech sind weitere 13 Fälle entdeckt worden - einmal in Zusammenhang mit einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, weitere Fälle in einer Einrichtung für Senioren. Im Gegensatz zu den an Tschechien grenzenden Hotspots, wo die Sieben-Tage-Inzidenz zum Teil über 300 liegt, ist die Lage an der Grenze zu Tirol allerdings weniger dramatisch: Die Inzidenz liegt dort in etwa auf Höhe des bayerischen Durchschnitts von 62,5.

Grenzschließungen als Notbremse?

Dennoch ist die Furcht vor den Mutanten in Bayern groß. Dass Einschleppen der südafrikanischen Variante sei nur mit einem strikten Vorgehen an der Grenze zu verhindern, warnte der Infektiologe Wendtner. Wenn lückenlose Kontrollen nicht funktionierten, bleibe nur eine Schließung der Grenzen.

Die Bundesregierung ist bereits aktiv geworden: Ab Sonntag werden Grenzkontrollen zu Tirol eingeführt. Von dort dürfen im Prinzip nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland sowie medizinisches Personal und - unter bestimmten Voraussetzungen - Transitpassagiere einreisen. Auch Lieferverkehr soll weiterhin erlaubt sein, womöglich aber verbunden mit der Verpflichtung für Lastwagenfahrer, einen negativen Coronatest vorzuweisen.

Auch das österreichische Bundesland Tirol will mit eigenen Maßnahmen die Ausbreitung der Variante verhindern und hat neue Ausreisebeschränkungen in Kraft gesetzt. Ein Verlassen des Bundeslands in Richtung Deutschland oder in angrenzende österreichische Bundesländer ist in den nächsten zehn Tagen nur mit einem negativen Coronatest möglich, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. 1200 Polizisten und Soldaten sollen die Einhaltung der Maßnahmen engmaschig kontrollieren. Ein Verstoß kann bis zu 1450 Euro kosten.

Quelle: ntv.de, mit dpa


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