Was nun, Deutschland? – Die Landtagswahlen haben ein Zeichen gesetzt

  14 März 2016    Gelesen: 839
Was nun, Deutschland? – Die Landtagswahlen haben ein Zeichen gesetzt
Die Kreuze sind gemacht, die Wahlen in drei Bundesländern sind entschieden. Unterschiedlicher hätten die Menschen in Mainz, Stuttgart und Magdeburg nicht wählen können, einzig die AfD kann überall punkten. Doch warum eigentlich?
Klar, eine Niederlage möchte im politischen Berlin nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt niemand einräumen. Die CDU kann im Magdeburger Landtag weiterhin die meisten Sitze ergattern, SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer wird wohl auch in Zukunft die Regierung im Mainzer Landtag anführen und auch im Ländle verteidigte Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen Posten als Landesvater. Selbst die tot geglaubte FDP wird allem Anschein in mindestens zwei Landesparlamenten vertreten sein. Haben die etablierten Parteien also wirklich Grund zur Freude? Nein, das nun wirklich nicht.

Die AfD macht allen einen dicken Strich durch die Rechnung. In Baden-Württemberg konnte sie aus dem Stand zur drittstärksten Kraft anwachsen, ebenso in Rheinland-Pfalz. Und ein Blick auf das Ergebnis in Sachsen-Anhalt zeigt schnell: Fast ein Viertel aller Wähler trauen der AfD mehr Geschicke zu, als den übrigen Parteien. Doch liegt das an dem überzeugenden Wahlprogramm der Alternative für Deutschland? Oder an den jeweiligen Spitzenkandidaten der AfD? Beides ist wahrscheinlich falsch.
Es ist schwer vorzustellen, dass sich ein Viertel aller Menschen in Sachsen-Anhalt für eine Abschaffung der Schulpflicht begeistern können – so lautet nämlich die Forderung im Wahlprogramm der AfD in dem Bundesland. Auch ist es schlecht vorstellbar, dass sich ein Viertel aller Wähler in dem ostdeutschen Bundesland für die Einrichtung von freiwilligen Bürgerwehren einsetzen will. Doch diese Forderung findet sich ebenfalls im dortigen AfD-Wahlprogramm. Aber wer liest schon Wahlprogramme?
Schon vor der Wahl war ja klar: Wer mit der Politik von Kanzlerin Angela Merkel unzufrieden ist, der wird sein Kreuz am Wahlsonntag eben bei der AfD machen. Das würde den abrupten Zulauf der Alternative für Deutschland und die zweistelligen Ergebnisse für die Partei bei den jetzigen Wahlen jedenfalls erklären. Doch mit dieser Antwort haben es sich viele Wähler etwas einfach gemacht. Denn die Flüchtlingskrise wird nicht im Magdeburger Landtag gelöst. Auch nicht in Stuttgart oder Mainz. Und wahrscheinlich wird sie noch nicht einmal im Berliner Bundestag gelöst, sondern auf europäischer und internationaler Ebene.

Ein Warnschuss sind die Wahlergebnisse für die Kanzlerin allemal. „Rechts von der CDU darf es keine demokratische Alternative geben“ – sagte jüngst noch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haselhoff. Jetzt gibt es in Sachsen-Anhalt sogar eine sehr große Alternative am rechten Rand, immerhin demokratisch gewählt. Wird sich Deutschland jetzt also möglicherweise auf einen Rechtsruck der CDU einstellen müssen?
In Frankreich hat der massive Zulauf des rechten Front National dafür gesorgt, dass sich Frankreichs Regierung in der Flüchtlingsfrage sehr weit von Kanzlerin Merkel entfernt hat. Der Stimmgewinn bei der britischen UKIP-Partei hat dazu geführt, dass der Britische Premier Cameron grundsätzlich über einen Verbleib seines Landes in der EU abstimmen möchte. Sorgt nun auch die AfD in Deutschland dafür, dass die Bundesregierung ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ändern wird? Möglich, doch die Rechnung dafür wäre hoch: Ein Europa der Abschottung wäre das Ergebnis. Ein Europa, in dem jeder sein eigenes Süppchen kocht. Doch allein sind die Krisen unserer Zeit kaum zu bewältigen. Einen Krieg in Syrien – Hauptgrund der jetzigen Flüchtlingswelle – löst kein Land alleine.
Ein weiteres Problem könnten die aktuellen Wahlergebnisse ebenfalls mit sich bringen: Einen politischen Stillstand auf Landesebene. In Baden-Württemberg haben fünf Parteien den Einzug ins Landesparlament geschafft. Für eine stabile Mehrheit muss Ministerpräsident Kretschmann viele Zugeständnisse machen, um weitere Parteien ins Boot zu holen. In Rheinland-Pfalz gab es lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU, das die Sozialdemokratin Malu Dreyer nun für sich entschieden hat. Doch was nun? Es bleibt ihr wohl nur die Möglichkeit einer großen Koalition. Der bisherige Konkurrent soll nun zum rot-schwarzen Verbündeten werden — ein Unterfangen, das ebenfalls durch Kompromisse lebt. Und in Sachsen-Anhalt sieht es noch schwieriger aus: Mit welchen Parteien die dortige CDU eine stabile Mehrheit gründen will, bleibt abzuwarten. Bei mindestens Parteien im Magdeburger Landtag werden die Koalitionsgespräche nicht einfach sein.

Als ein Wähler in Baden-Württemberg dem LINKE-Chef Bernd Riexinger vor den Wahlen „viel Glück“ wünschte, antwortete dieser: „Danke, das können wir brauchen“. Doch mit Glück hatte diese Wahl wenig zu tun. Trotz Proteststimmung im Land konnte die LINKE bei den drei Landtagswahlen nicht punkten. Was übrigens seltsam ist, denn sie stellt sich ebenfalls thematisch in vielerlei Hinsicht gegen die großen Parteien. Auf Landesebene konnte sie in der Vergangenheit sogar zeigen, dass sie nicht nur Opposition kann, sondern auch Regierungsverantwortung übernehmen will. Der Protestwähler hat aber an diesem Wahlsonntag anders entschieden.
Nun wird die AfD also in drei Landtage einziehen. An provokanten Fragen mangelte es der Partei bisher nicht, doch jetzt muss sie auch Antworten liefern. Der Wahlkampf ist vorbei und die Partei muss beweisen, dass sie es nicht nur auf einen gemütlichen und gut bezahlten Stuhl im Landtag abgesehen hat. Auch muss die AfD beweisen, dass sie thematisch mehr zu bieten hat, als Kritik an der Flüchtlingskrise. Das dürfte schwer fallen, praktikable Lösungen zu vielen landespolitischen Fragen lieferte die AfD bisher jedenfalls noch nicht.
Der Wahlkampf ist nun zu Ende, jetzt wird wieder Politik gemacht. Selbst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich in den vergangenen Wochen mit Kritik an der Kanzlerin zurückgehalten. Er wollte sich einfach nicht nachsagen lassen, er hätte den Wahlkampf negativ beeinflusst. Doch die Schonzeit ist vorbei und das gute Abschneiden der AfD wird vor allem bei der Union, aber auch bei den übrigen Parteien im Bundestag noch für sehr viel Gesprächsstoff sorgen. Die Menschen sind zunehmend unzufrieden mit ihren Politikern. Die Wähler sehen Probleme in der Flüchtlingsfrage, im Sozialsystem, auf dem Arbeitsmarkt. Hier muss eine Regierung, hier muss ein demokratisches System jetzt liefern. Denn sonst wird es dazu vielleicht irgendwann keine Möglichkeit mehr haben.

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