Allrad mal anders

  19 Februar 2021    Gelesen: 551
Allrad mal anders

GM und Ford verabschieden sich vom Verbrennungsmotor, nicht ganz so weit ist Jeep. Doch der Renegade als Plug-in-Hybrid überzeugt im Test mit einer besonderen elektrischen Technik fürs Gelände.

Der erste Eindruck: Durch den bulligen Auftritt und das handliche Format sieht der Jeep Renegade aus wie ein groß geratenes Spielzeugauto — nur, dass es jetzt auch einen Stromanschluss gibt.

Das sagt der Hersteller: Für Francesco Cimmino, Chef der Antriebsentwicklung bei Jeep, sind die Modelle Renegade 4xe und dessen großer Bruder Compass die »die Pioniere einer grünen Evolution« bei Jeep. Ausgerechnet die Marke, die mit ihren Geländewagen die Lust am Groben pflegt, soll zum Vorreiter der E-Mobilität im einstigen Fiat-Chrysler Konzern FCA (jetzt Stellantis) werden? Dass Konkurrenten wie Hyundai-Kia, der VW-Konzern oder auch die neuen Schwestermarken Peugeot und Opel schon viel weiter sind, ficht Cimmino nicht an. »Schon im nächsten Jahr werden wir in allen Baureihen mindestens einen elektrifizierten Antrieb anbieten, und der erste voll elektrische Jeep ist auch in Arbeit«, sagt Cimmino.

Für ihn sind Elektrifizierung und Offroadfahrten kein Widerspruch. Im Gegenteil: Jeep ist so überzeugt von dem 4xe genannten Antriebskonzept, dass zum Debüt der neuen Modelle nicht nur die Dieselversionen ausgemustert wurden. »Allradantrieb gibt es in diesen Baureihen nur noch mit Plug-in-Hybridtechnik«, sagt der Jeep-Mann.

Das ist uns aufgefallen: Der Jeep Renegade ist ein bisschen rustikaler designt als andere Modelle der Marke. Nett sind versteckte Details wie die Silhouette des allerersten Jeeps am Rand der Windschutzscheibe und der stilisierte Kühlergrill auf der Lautsprecherabdeckung. So etwas täuscht aber etwas darüber hinweg, dass der Wagen im Grunde ein kompaktes SUV wie so viele andere ist. Ambiente und Ausstattung unterscheiden sich nicht nennenswert von Konkurrenten wie dem Hyundai Kona, dem Kia Stonic, dem Ford Puma oder dem VW T-Roc. Auch das Platzangebot ist vergleichbar.

Beim Antrieb jedoch fährt die US-Marke einen anderen Kurs. Das fällt zunächst kaum auf: Im standardmäßig aktivierten »Hybrid«-Modus geht es ein wenig träge über die Straße, ganz ähnlich den anderen PHEVs. In der »Sport«-Einstellung wird es munterer, der Teilzeitstromer balanciert souverän zwischen Otto- und E-Maschine. Doch wenn der Asphalt endet, fährt der Renegade komfortabel weiter: Während sich viele Konkurrenten den Allradantrieb sparen oder ihn bei ihren Ökomodellen abschaffen, gibt der Jeep Renegade gerne den kleinen Dreckskerl.

Bei der Vorstellung des Autos schickt Francesco Cimmino die Testfahrer auf einem »Dschungel-Track« durchs Unterholz. Das zusätzliche Drehmoment des E-Motors kommt dem Renegade gerade recht, wenn er im Schlamm wühlt oder Rampen erklimmt. Einen leeren Akku zu fürchten braucht der Fahrer dabei nicht. Das System ist so programmiert, dass dem E-Motor nie der Saft ausgeht. Sollte sich der Vorrat an elektrischer Energie dem Ende neigen, dreht der Benziner einfach ein bisschen höher und treibt neben den Vorderrädern auch noch einen Generator an, der Strom für die E-Maschine im Heck produziert. Selbst als der Wagen bis zur Brüstung im Wasser steht, bleibt Cimmino ganz cool. »Wir haben die Batterie versiegelt und besonders gut geschützt, damit es keine Einschränkungen im Gelände gibt.«

Aber Jeep hat den teilelektrischen Renegade nicht nur fürs Gelände optimiert, sondern auch für die Stadt. Am Fiat-Stammsitz in Turin haben die Entwickler schon Schutzzonen im Navigationssystem hinterlegt: Fährt der Jeep dort hinein, schaltet er automatisch auf Elektrobetrieb und stromert emissionsfrei weiter.

Das muss man wissen: Die 4xe-Modelle sind seit Herbst im Handel und kosten mindestens 38.200 Euro: Dafür gibt es im Bug einen neuen 1,3 Liter großen Vierzylinder-Turbobenziner, dem ein elektrischer Riemenstarter Beine macht. Es gibt ihn mit 130 oder 180 PS Leistung. Dazu gibt es im Heck eine E-Maschine mit 44 kW Leistung (60 PS) sowie unter dem Rücksitz und im ehemaligen Kardantunnel ein Akku mit einer Speicherkapazität von 11,4 kWh. Das reicht im WLTP-Zyklus für 50 Kilometer.

Arbeiten beide Maschinen, entwickelt der Renegade eine Leistung von 190 oder 240 PS. Die Höchstgeschwindigkeit der stärkeren Variante liegt bei 199 km/h, rein elektrisch sind bis zu 130 km/h möglich. Zumindest in der fragwürdigen Systematik der Prüfstandsmessungen liegt der Verbrauch der sparsamsten Version bei 1,9 Liter auf 100 Kilometern. Die Antriebstechnik mit 240 PS Systemleistung bietet Jeep für 4000 Euro Aufpreis auch im moderner designten und größeren Modell Compass an.

Das werden wir nicht vergessen: Die quälend langen Ladestopps. Weil der Renegade in der Standardversion die elektrische Energie mit maximal 3 kW zieht, sind für ihn Schnellader tabu. Es dauert rund dreieinhalb Stunden, bis der Akku wieder voll ist. Und selbst mit dem optionalen 7,4 kW-Lader dauert es mehr als eineinhalb Stunden – da lässt sich der Jeep viel zu viel Zeit.

spiegel


Tags:


Newsticker