Der FC Bayern meint das jetzt wirklich ernst

  01 März 2021    Gelesen: 769
  Der FC Bayern meint das jetzt wirklich ernst

Gewackelt, aber nicht gefallen: Der FC Bayern gibt sich verwundbar, zieht dann aber doch davon. Ein schlechtes Zeichen für den Rest der Fußball-Bundesliga, obwohl Leipzig seine Stärke herausschreit. Beim BVB etabliert sich ein ungewohnter Arbeiter.

Bosz muss ein Déjà-vu haben

"Wie wir gespielt haben, war fußballerisch schon besser als zuletzt", sagte Peter Bosz nach dem 1:2 gegen den SC Freiburg. Zuletzt ist dabei im Falle seiner Mannschaft, also von Bayer Leverkusen, eine Frage der Definition. Vor Weihnachten sah die Werkself aus, als wäre die erste Meisterschaft der Klubgeschichte denkbar. Doch die Tabellenführung ist nach nur einem Sieg aus den jüngsten neun Pflichtspielen weit, weit weg, dazu kam das doppelte Aus gegen Außenseiter im DFB-Pokal (RW Essen) und in der Europa League (Young Boys Bern).

Gegen Freiburg machte Leverkusen Druck, der Gegner aber die Tore. "Eiskalt" sei der Sport-Club bei seinen wenigen Chancen gewesen, konstatierte Lucas Höler, der erst vorbereitete und dann selbst traf. Und so druckvoll die Offensive war, so offensichtlich wurde auch die Formschwäche im Zentrum. Florian Wirtz ist eben doch erst 17 Jahre alt - von ihm eine konstant herausragende Saison zu erwarten, wäre völlig vermessen. Neben ihm schwächelt auch Nadiem Amiri, nachdem beide sich vor allem zum Jahresende um Plätze im deutschen EM-Kader beworben hatten.

Durch die Verletzung von Lukas Hradecky muss Bosz außerdem im Tor auf seinen Rückhalt verzichten und nachdem Niklas Lomb schwächere Tage erwischt hatte, durfte gegen Freiburg der dritte Keeper Lennart Grill ran. Für die Gegentore konnte er allerdings nichts. Ein bisschen wirkt es bei Bosz, als wiederhole sich die Geschichte seiner Zeit bei Borussia Dortmund. Starker Auftakt, eine Hochphase, dann eine brutale Ergebniskrise. Allerdings stellte ihm Geschäftsführer Rudi Völler eine Art Jobgarantie aus: "Wir haben unter Peter Bosz schon gezeigt, welch wunderbaren Fußball wir spielen können. Deshalb haben wir ihn ja auch geholt. Wir sind total von seinen Fähigkeiten überzeugt und dass wir wieder in die Spur zurückkommen." Allzu lang darf die an Erfolgserlebnissen arme Zeit dennoch wohl nicht anhalten.

Nagelsmann brüllt Leipzig zum Sieg

Julian Nagelsmann ist am Spielfeldrand sicher vieles, aber nicht zurückhaltend. "Der Sieg setzt natürlich Emotionen frei", erklärte der Leipziger Coach, nachdem seine Mannschaft in nahezu letzter Sekunde das 3:2 gegen Borussia Mönchengladbach erzielt hatte. Er selbst feierte das Tor, das nach einem leichten Schubser zunächst umstritten war, mit einer Art Urschrei in den sächsischen Abendhimmel. Diese Energie fehlte den Gladbachern, die trotz 2:0-Führung als Verlierer vom Platz gingen. Wobei der frühe Vorsprung so manchen dazu verlockte, eine Parallele zwischen RB Leipzig und RB Salzburg zu ziehen, bei den abseits nahezu identischer Trikots und Logos komplett von Leipzig unabhängigen Österreichern hatte Borussia-Trainer Marco Rose ja vorher gearbeitet.

Am Ende aber half auch das nichts, weil Gladbach einfach müde wirkte, während Leipzig unaufhörlich auf den Sieg drängte. Ein extrem wichtiger, weil so weiter ein Ausrutscher des FC Bayern reicht, um mindestens gleich- und vielleicht sogar vorbeizuziehen. Zudem festigte der mit vielen Getränke-Millionen nach oben finanzierte Klub seine Stellung als derzeit einziger ernsthafter Verfolger des Münchner Serienmeisters. In einer Saison, in der die Bayern so oft schlagbar wirken wie lange nicht mehr, bleibt der Titelkampf damit spannend. Die Rasenballsportler werden von Nagelsmann unaufhörlich nach vorne geschrien, die schrillen Ansagen des Übungsleiters sind über die Stadionmikrofone deutlich zu verstehen. Aber vielleicht ist es gerade diese Energie, die es in dieser so kräfteraubenden, weil pausenarmen Saison braucht.

Sancho reift zum fleißigen BVB-Arbeiter

Mit jungen Offensivspielern hatten sie bei Borussia Dortmund schon so manch unangenehme Erfahrung machen müssen. Trauriger Höhepunkt: Ousmane Dembélé streikte sich zum FC Barcelona. Auch Pierre-Emerick Aubameyang, der als Diva geltende Marcio Amoroso und zuletzt auch Jadon Sancho machen es dem Klub nicht immer leicht. Letzterer ist noch immer im Team - und scheint in nur wenigen Monaten um Jahre gereift.

Der Engländer ist immer noch erst 20 Jahre alt, doch seine Top-Form ist zurück, wohingegen seine Undiszipliniertheiten gewichen sind. Partys trotz Corona, Trainingsverspätung, Verschlafen - spielen bei Sancho keine Rolle mehr. Stattdessen steht harte Arbeit auf dem Tagesplan - und die macht sich bezahlt, so sieht es Verteidiger Mats Hummels: "Das müssen Offensivspieler manchmal lernen, dass Arbeit sich auszahlt. So spielt er herausragend und gibt mit die Richtung vor."

Gegen Arminia Bielefeld traf Sancho selbst per Elfmeter, zuvor hatte er den Treffer von Mo Dahoud vorbereitet. In diesem zwei Monate alten Jahr war er an 12 der 21 BVB-Toren beteiligt, traf sechsmal selbst, bereitete sechs weitere vor. "Wir sind sehr zufrieden, wie sich Jadon zurzeit präsentiert", lobte Trainer Edin Terzic. "Wir haben eine neue Trainingsatmosphäre geschaffen und fordern viel - jeden Tag. Jadon lebt das vor." Der Engländer selbst unterstreicht in Interviews seine neue Art - von Egoismus keine Spur: "Ich fühle mich sehr gut im Moment und arbeite hart an mir. Das zahlt sich aus. Ich bin froh, dass ich dem Team heute wieder helfen konnte."

Der Coach selbst kann auch aufgrund Sanchos Arbeit so langsam aufatmen. Seitdem feststeht, dass er nach der Saison wieder Co-Trainer wird, hat sein Team nur noch Siege eingefahren. Einer in der Champions League, nun der zweite in der Liga. "Aus den letzten drei Spielen nehmen wir sehr viel Selbstvertrauen mit. Siege helfen immer", erklärte Terzic. Und so klettert der BVB auf Platz vier, die Champions League ist nur noch drei Zähler entfernt. Im direkten Aufeinandertreffen des Noch-BVB-Trainers mit seinem zukünftigen Chef Marco Rose am Dienstag hilft das freilich nicht: Im DFB-Pokal zählt nur ein Sieg. Mit Sancho in Top-Form könnte der aber gelingen.

Beim FC Schalke geht es nur noch um den Zeitpunkt

Ein Trainerwechsel ist ja meist dafür gedacht, einen Umschwung zu bringen, im Idealfall eine Verbesserung. Beim FC Schalke haben sie allein in dieser Saison schon vier Trainer verschlissen. Einen Wandel einleiten konnte keiner der Neuen, stattdessen verlor der einstige Europapokal-Dauergast seit Anfang 2020 öfter (26-mal) als er ein eigenes Tor bejubeln durfte (25-mal). Mit erbärmlichen neun Punkten aus 23 Bundesliga-Spielen und einem Torverhältnis von minus 45 - schlechter war zuletzt Hertha in der Saison 1990/91 und das nach 34 Partien - stellt sich die Abstiegsfrage nur noch hinsichtlich des "Wann". Der Nachfolger von Christian Gross ist nicht zu beneiden, sollte aber nun endlich die Aufgabe vorbereiten, die den FC Schalke in der kommenden Saison erwartet.

Casteels baut sich ein Wolfsburger Denkmal

Der VfL Wolfsburg hat sich heimlich, still und leise auf Platz drei der Tabelle gemogelt. Dort festgesetzt und den Rang erfolgreich verteidigt. Während der ärgste Verfolger Eintracht Frankfurt am Freitagabend bei Werder Bremen stolpert (1:2), siegen die Niedersachsen 2:0 gegen Hertha BSC. Schön war es nicht, so richtig verdient auch nicht, denn die abstiegsbedrohten Berliner hätten mindestens einen Punkt verdient gehabt. Doch es passt zur Situation der Wölfe, in solchen Spielen auch noch Glück zu haben. Glück - und einen bärenstarken Koen Casteels im Tor.

Der 28-jährige Belgier ist zu einem der besten der Liga gereift. Im Spiel gegen die Hertha zeigte er sein Können: überaus präsent, stark auf der Linie, stark beim Rauslaufen. Nur 19 Gegentreffer hat der VfL bislang in 23 Spielen kassiert - das ist Ligabestwert ebenso wie die nur zwei Niederlagen. An einem weiteren Rekord arbeitet Casteels noch: Der Torhüter wurde nun seit 666 Minuten - sechs Spielen in Folge - in der Bundesliga nicht mehr überwunden. Nur drei Torhüter vor ihm schafften längere Serien, zwei davon gleich doppelt: Oliver Kahn (802/736) und Manuel Neuer (770/688). Spitzenreiter in der Liste aber ist Timo Hildebrand, der beim VfB Stuttgart übergreifend in den Saisons 2002/03 und 2003/04 insgesamt 884 Minuten lang kein Tor kassierte.

Casteels sorgt damit beeindruckend konstant dafür, dass der VfL sich auf einem Champions-League-Rang festsetzt. Er selbst bleibt bescheiden: "Momentan lassen wir wenig Torchancen zu. Und wenn mal was durchkommt, dann bin ich da, wo ich gebraucht werde."

Wenn der FC Bayern Ernst macht ...

5:1, das klingt nach Demontage, nach einer eindeutigen Sache, nach einem Sieg, der nie in Zweifel gezogen werden konnte. Für den VfB Stuttgart gilt das auch durchaus, der dem bemitleidenswerten FC Schalke die Gegentore 57 bis 61 einschenkte. Auch der FC Bayern gewann mit 5:1, eine Machtdemonstration war das gegen den 1. FC Köln aber nur phasenweise. Etwa, als Thomas Müller und Serge Gnabry eingewechselt und binnen weniger Minuten aus dem knappen 2:1 ein beruhigendes 5:1 wurde. "Wir wollen jetzt wieder jedes Spiel gewinnen und am Ende Meister werden", sagte Gnabry anschließend. Das klingt nach Floskel, war angesichts der wechselhaften Auftritte zuvor - 3:3 gegen Bielefeld, 1:2 in Frankfurt - aber wohl als Warnung zu verstehen.

An den Rest der Liga, besonders an oben beschriebene Leipziger, die natürlich und völlig zu Recht darauf hoffen, den ewigen Meister vom Thron zu stürzen. Der aber plant laut Gnabry, "nicht mehr diese wackligen Phasen im Spiel zu haben". Auch das klingt nach Fußballerinterview-Standard, allerdings beschlossen die Münchner die abgelaufene Woche mit zwei Siegen und 9:2 Toren.

Es ist seit Jahren die Stärke des FC Bayern, in den wichtigen Momenten die beste Leistung zu zeigen. Und es deutet vieles darauf hin, dass dies auch im Frühjahr 2021 der Fall ist. (Das Pokalspiel bei Holstein Kiel war einfach zu tief im Winter angesetzt worden.) Dass jetzt die ersten Blüten blühen, dürfte somit für den nächsten Gegner Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr im ntv.de-Liveticker) nur wenig Zuversicht erlauben.

Quelle: ntv.de


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