Nach dem zögerlichen Start wächst die Hoffnung auf einen schnellen Abbau des Astrazeneca-Impfstaus. Mehrere Bundesländer rechnen mit einem deutlichen Hochfahren der Impfungen mit dem britisch-schwedischen Vakzin. Bis zuletzt hatte nur ein kleiner Teil der gelieferten Dosen den Weg in die Oberarme der Menschen gefunden. Die Gründe dafür sind teils überraschend.
Insgesamt fast 3,2 Millionen Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs sollen bis Donnerstag an die Länder geliefert sein, wie aus Angaben des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Bis einschließlich Montag sind nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) jedoch lediglich 514.000 Dosen verabreicht worden. Verglichen mit den Impfstoffmengen ist das Impftempo noch sehr überschaubar: Am Montag wurden rund 59.000 Menschen mit Astrazeneca geimpft, über die beiden Wochenend-Tage waren es rund 91.000. Klar ist: Bleibt es bei dem Tempo, könnten bis Ende der Woche über zwei Millionen Dosen auf Halde liegen.
In mehreren Bundesländern werden bereits Impftermine für die zweite Prioritätsgruppe vergeben, andere planen das - und somit könnten zusätzlich Millionen von Menschen bald ein Recht auf eine Astrazeneca-Impfung haben. In Nordrhein-Westfalen etwa sollen ab Montag rund 750.000 Kita-Erzieher, Tageseltern, Grundschullehrer und Streifenpolizisten ein Impfangebot erhalten. "Wir wollen halt einfach impfen, was das Zeug hält", sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. In Hessen haben zuletzt 12.000 Ärzte und medizinisches Personal ihre Astrazeneca-Dosis erhalten, auch Lehrer, Erzieher und Polizisten sollen bald drankommen.
Schleswig-Holstein musste Software umstellen
Und die Vorbehalte scheinen zu schwinden: Brandenburg meldete zum Wochenstart eine Auslastung von rund 90 Prozent bei der Terminvergabe, in Thüringen sind die Impftermine für Personal an Kitas und Grund- und Förderschulen binnen weniger Stunden vergeben worden. Auch Baden-Württemberg verzeichnet eine stärkere Terminnachfrage, es gebe wenig Vorbehalte bei Lehrern oder Erziehern. Mittlerweile seien mehr als eine Million Menschen im Land zusätzlich impfberechtigt, heißt es von dort. Zuvor hatten die Länder bereits die Kapazitäten in den Impfzentren hochgefahren.
Wie es fix gehen könnte, zeigt die Stadt Krefeld in NRW. Dort wurden am Dienstag kurzerhand 600 Beschäftigte von Schulen und Kitas mit kurzfristig erhaltenen und nicht eingeplanten Astrazeneca-Dosen geimpft - sechs Tage vor dem landesweiten Impfstart für diese Gruppe.
Dennoch liegt noch stapelweise Impfstoff im Kühlschrank. Zuletzt hatte es geheißen, das Astrazeneca-Vakzin habe ein Imageproblem und werde deswegen so zögerlich verabreicht. Die Erfahrungen aus den Ländern zeigen: Das ist nur ein Teil der Wahrheit. In Schleswig-Holstein etwa musste zunächst die Buchungssoftware umgestellt werden, um Astrazeneca in großem Stil in den Impfzentren einsetzen zu können.
In Nordrhein-Westfalen wurde das Impftempo in Krankenhäusern zuletzt bewusst gedrosselt, weil teilweise Mitarbeiter nach der Impfung kurzzeitig ausgefallen waren. Die Impftermine wurden daher über einen längeren Zeitraum gestreckt - damit nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig mit Impfreaktionen ausfallen.
"Impfstoff verkommt teils in Impfzentren"
Baden-Württemberg begründete die niedrigen Impfzahlen mit einer statistischen Verzögerung: Impfungen in den Krankenhäusern werden demnach erst verspätet in den Impfzentren statistisch erfasst. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte sich jüngst gegen den Eindruck verwehrt, dass Impfstoff einfach ungenutzt rumliege. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für eine zweite Impfung zurückgehalten werden oder noch nicht verimpft, aber für bestimmte Impfungen vorgesehen sein.
Nach Ansicht des Sozialverbands VdK sollten die Länder dennoch Tempo machen. "Der Impfstoff ist da, verkommt aber teils in den Impfzentren", sagte Präsidentin Verena Bentele. Beim Verband meldeten sich immer mehr Mitglieder, die chronisch krank oder behindert seien und sich impfen lassen wollten, aber verzweifelt auf Termine warteten. Der VdK monierte, dass der Bund das Verfahren den Ländern und Landräten überlasse. Diese seien offensichtlich heillos überfordert, Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen ausfindig zu machen.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa
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