Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg droht mit seinen Bemühungen um eine deutliche Steigerung der Gemeinschaftsausgaben für Abschreckung und Verteidigung zu scheitern. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben etliche Alliierte in bündnisinternen Beratungen deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, so weitreichende Vorschläge zu unterstützen. Da die Nato Entscheidungen grundsätzlich nach dem Konsensprinzip trifft, dürfte es demnach keine grundlegende Reform der Finanzierung von Abschreckung und Verteidigung geben.
Stoltenberg hatte Mitte Februar im Rahmen seiner Reforminitiative "Nato 2030" vorgeschlagen, die Kosten für Maßnahmen innerhalb des Bündnisgebiets wesentlich stärker zu vergemeinschaften. Demnach sollten Nato-Mitglieder nicht mehr alle Kosten selbst tragen müssen, wenn sie sich zum Beispiel an der Stationierung von Truppen im Baltikum, an Übungen oder an Luftüberwachungseinsätzen beteiligen. Wenn ein Teil der Kosten für solche Aktivitäten aus der Gemeinschaftskasse komme, werde das Alliierte dazu anregen, mehr Fähigkeiten bereitzustellen, argumentierte der Norweger. Gemeinsam mehr Geld auszugeben, würde zudem das Versprechen zur gegenseitigen Verteidigung untermauern und zu einer faireren Lastenteilung beitragen.
Etliche der 30 Alliierten sehen ein solches System allerdings sehr kritisch. So wird zum Beispiel argumentiert, dass Anstrengungen für die gemeinsame Sicherheit und kollektive Verteidigung selbstverständlich sein und nicht von Bezahlung abhängig gemacht werden sollten. Zudem erinnert der Vorschlag nach Ansicht von Kritikern an die "Cash for troops"-Überlegungen der Regierung des Ex-US-Präsidenten Donald Trump. Diese sahen vor, dass die USA den Bündnispartnern für die Stationierung von US-Truppen saftige Rechnungen ausstellen.
Strategisches Konzept soll überarbeitet werden
Bislang zahlt etwa Deutschland lediglich Zuschüsse zum Beispiel für Baukosten der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik. Wie aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervorgeht, lagen die Kosten für den Aufenthalt ausländischer Truppen in Deutschland im vergangenen Jahr bei gerade einmal 48,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: Allein die USA gaben 2020 schätzungsweise 785 Milliarden US-Dollar (659 Mrd. Euro) für Verteidigung aus, wobei das gemeinschaftliche Militärbudget der Nato in dem Jahr auf gerade einmal 1,5 Milliarden Euro veranschlagt wurde.
Zu weiteren Vorschlägen Stoltenbergs, die von Alliierten skeptisch gesehen werden, zählen nach dpa-Informationen der Aufbau eines neuen Bündniskommandos für Ausbildungseinsätze und neue Vorgaben zu Mindeststandards für die Widerstandsfähigkeit von kritischer Infrastruktur. Ein weiteres Kommando werden von einigen Alliierten als überflüssig angesehen, heißt es. Beim Thema Resilienz befürchteten Mitgliedstaaten eine inakzeptable Beschneidung nationaler Kompetenzen.
Als konsensfähig gilt hingegen der Plan, das strategische Konzept der Nato zu überarbeiten und zusätzliche Konsultationen einführen, um die politische Koordinierung zu stärken. So ist zum Beispiel im Gespräch, künftig ein Mal im Jahr auch ein informelles Treffen der Außenminister zu organisieren. Das erste könnte nach Angaben aus Bündniskreisen noch in diesem Halbjahr zur Vorbereitung des geplanten Gipfeltreffens organisiert werden. Bei ihm sollen der neue US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs abschließend entscheiden, welche Reformprojekte umgesetzt werden. Ein Termin für den Gipfel gibt es noch nicht. Als eine Option gilt, ihn im Juni vor oder nach dem G7-Treffen in Großbritannien zu organisieren.
Öffentlich wollte sich auf Anfrage der dpa niemand zu den internen Diskussionen äußern. Aus Stoltenbergs Stab hieß es, die Gespräche über die Reformvorschläge würden sehr konstruktiv geführt und stünden erst am Anfang. Diplomaten aus Mitgliedstaaten betonten, es gebe weiter sehr breite Unterstützung für den Generalsekretär - auch wenn ein Teil seiner Reformvorschläge bei einigen auf erhebliche Ablehnung stoße.
Quelle: ntv.de, mli/dpa
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