Der beispiellose Bedarf und die Produktion der Corona-Impfstoffe bringen die Industrie an ihre Kapazitätsgrenzen. "Impfstoffhersteller und Zulieferer berichten zunehmend über Engpässe bei Roh- und Verpackungsmaterial und Ausrüstung", berichtete die Denkfabrik Chatham House in Genf. Sie hatte ein Treffen mit Vertreter der Industrie, von Verbänden und der UN-Impfinitiative Covax organisiert, um Lösungen zu suchen.
In einem Strategiepapier, das bei dem Treffen diskutiert wurde, heißt es, größere Produktionsmengen seien durch Effizienzsteigerungen in den bestehenden Fabriken, dem Umbau bestehender älterer Fabriken für die Herstellung der neuen Stoffe und den Bau neuer Fabriken nötig. Die Beratungen sind heikel. Pharmafirmen stehen unter Druck, die Patente der von ihnen entwickelten Corona-Impfstoffe vorübergehend auszusetzen. Damit sollen mehr Firmen in aller Welt in die Lage versetzt werden, die Impfstoffe zu produzieren.
Südafrika und Indien sind Vorreiter dieser Forderung in der Welthandelsorganisation (WTO). Die Länder mit ansässigen Pharmafirmen lehnen das ab, ebenso die Pharmaindustrie. Sie argumentiert, dass die Produktionsprozesse hochkomplex seien und sie mit allen Herstellern, die zur Produktion in der Lage seien, schon Lizenzverträge geschlossen hätten. Dahinter steckt auch Sorge, dass der Ruf einer Firma irreparablen Schaden nehmen könnte, wenn ein Hersteller im Produktionsprozess Fehler macht und der Impfstoff nicht wirkt oder schwere Nebenwirkungen hervorruft.
Teilweise mehr als 100 Bestandteile nötig
Die Industrie habe die Produktion von bis zu 14 Milliarden Impfdosen bis Ende 2021 in Aussicht gestellt, heißt es in dem Papier. Das wäre drei bis viermal so viel Impfstoff, wie bislang pro Jahr hergestellt wurde. Engpässe bei den Rohmaterialien für die Impfstoffe und die Verpackung drohten aber, die Zusagen zunichte zu machen. Die Lieferketten seien komplex, weil teils mehr als 100 Bestandteile für einen Impfstoff sowie die Verpackung nötig seien.
Sowohl Zuliefer- als auch Produktionskapazitäten müssten ausgebaut werden. Herausforderungen seien, dass angesichts der Virusvarianten der Bedarf schwer zu schätzen sei. Mancherorts würden vorsichtshalber schon Glasfläschchen gehortet. Es gebe zu wenig Standardgrößen, sodass eine Bestellung bei anderen als den üblichen Zulieferern schwierig werde. Bestrebungen, Exporte zu begrenzen, erschwerten die Marktlage noch. Große Produktionsanlagen lägen in Regionen, die bereits Exportkontrollen haben.
Engpässe zeichneten sich bei vielem ab, etwa bei Bioreaktorbeuteln für Zellkulturen, fötalem Kälberserum als Medium für Zellkulturen, bei Glasfläschchen und Nanopartikeln, in die manche Impfstoffe eingelagert werden müssen. Die Diskussionen fanden hinter verschlossenen Türen statt und den Teilnehmern wurde Vertraulichkeit zugesichert. Konkrete Lösungen wurden zunächst nicht präsentiert.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa
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