Die historisch schlechten Ergebnisse der CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben die Union in eine Krise gestürzt. Sechs Monate vor der Bundestagswahl im Herbst sprach CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen von einem "Weckruf" für die gesamte Partei. "Die CDU insgesamt muss gegensteuern", sagte er der "Rheinischen Post". Noch sei Zeit, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, betonte er. Unter anderem müsse die CDU die Korruptionsaffäre um Masken lückenlos aufklären und Konsequenzen daraus ziehen, so Röttgen. Zudem müsse zügig und verlässlich dargestellt werden, "dass und wie Impfen und Testen Teil unserer Strategie zur Pandemiebekämpfung sind".
Auch Bildungsministerin Anja Karliczek pochte auf mehr Teamgeist und Geschlossenheit gerade im Kampf gegen die Corona-Pandemie. "Alle Entscheidungen sollten möglichst einmütig getroffen werden. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger in dieser Pandemie-Zeit gerade von der Union erwarten", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Bereits am Wahlabend hatte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gesagt, den Landtagswahlkämpfern habe "ein straffer Wind ins Gesicht geblasen".
Nach dem vorläufigen Ergebnis errangen die Grünen in Baden-Württemberg mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein bundesweites Rekordergebnis von 32,6 Prozent. Die bisher mitregierende CDU stürzte in ihrer einstigen Hochburg auf 24,1 Prozent (27,0). In Rheinland-Pfalz gewann die SPD mit ihrer populären Regierungschefin Malu Dreyer an der Spitze nach dem vorläufigen Ergebnis 35,7 Prozent der Stimmen (2016: 36,2). Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Baldauf rutschte dagegen auf 27,7 Prozent (31,8).
Oettinger fordert Vision 2030
Laut dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger müsse die Partei in seinem Land jünger und weiblicher werden, um an alte Erfolge im Südwesten anknüpfen zu können, sagte Oettinger der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Zudem riet er der Baden-Württemberg-CDU, sich an der CSU in Bayern zu orientieren. "Markus Söder startet jeden Tag eine Rakete, dort sehe ich riesigen Ehrgeiz", sagte Oettinger: "Baden-Württemberg ist dagegen zurückgefallen, wir haben den Spitzenplatz teils an Bayern verloren." Beim baden-württembergischen Wahlsieger Winfried Kretschmann von den Grünen erkenne er indes keine Vision 2030, sagte er. "Diese Vision muss die CDU entwickeln."
In Rheinland-Pfalz hat nach Einschätzung der CDU-Landesvorsitzenden und Bundesagrarministerin Julia Klöckner die Corona-Krise viele Baustellen der rheinland-pfälzischen Landespolitik überdeckt. "Die Krise war in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg eher Rückenwind für die Amtsinhaber", sagte Klöckner der Deutschen Presse-Agentur. "Der SPD in Rheinland-Pfalz ist es gelungen, so zu tun, als wäre die Bundespartei SPD nicht Mitglied in der Bundesregierung."
Schwesterpartei mahnt
Mit Blick auf den Fehlstart der Schwesterpartei ins Superwahljahr warnte CSU-Generalsekretär Markus Blume vor einer Trotzreaktion und mahnte Verbesserungen bei der Corona-Politik an. "Die Wahlergebnisse sind so schlecht, dass man nicht sagen kann: Einfach weiter so", sagte Blume der "Bild"-Zeitung. Das sei keine Kritik an der Strategie der Corona-Bekämpfung. Aber: "An der Umsetzung hapert es." Die CSU wolle, "dass wir wieder in die Erfolgsspur kommen. Dazu müssen wieder ein paar Dinge gelingen", so Blume.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, forderte ebenfalls Nachbesserungen in der Pandemiepolitik seiner Partei. "Die CDU muss jetzt endlich beweisen, dass sie Corona-Management kann", sagte er der "Welt". Demnach müsse sie jetzt umschalten von einer Strategie der Risikovermeidung zu einem Risikomanagement.
Ungeachtet der herben Schlappen im Südwesten hatte Generalsekretär Ziemiak bereits am Abend versucht, die bundespolitische Bedeutung der beiden Wahlen herunterzureden. Weder hätten sie Auswirkungen auf die Unions-Kanzlerkandidatur, noch seien sie ein Wechselsignal für den Bund.
In der CDU-Spitze hieß es zudem, dass die Union keinen Ministerpräsidentenposten zu verteidigen hatte, sondern "nur" eine Junior-Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg - und die könnte trotz der Verluste möglicherweise erhalten bleiben. "Aber wir wissen, dass die Effekte durch die Glaubwürdigkeitsprobleme in der Maskenaffäre noch gar nicht richtig eingepreist sind", bekannte ein CDU-Bundesvorstandsmitglied.
Dennoch könnten die Ergebnisse aus den beiden Landtagswahlen für den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet eine schwere Bürde bedeuten. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gilt als einer der Unionskandidaten für das Rennen um Bundeskanzleramt bei der Bundestagswahl im Herbst. Bei der ungelösten Machtfrage, wer Kanzlerkandidat wird, wollen der erst seit wenigen Wochen amtierende CDU-Chef Laschet und CSU-Chef Markus Söder nach Ostern entscheiden. Am frühen Nachmittag will Laschet gemeinsam mit Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann (Baden-Württemberg) und Christian Baldauf (Rheinland-Pfalz) die Wahlen auf einer Pressekonferenz analysieren.
Derweil hat der rechte Flügel der CDU als Konsequenz aus den Wahlniederlagen eine zentrale Rolle für Friedrich Merz in der Partei angemahnt. "Aus unserer Sicht ist die Personalfrage der Kanzlerkandidatur wieder offen", erklärte der Vorsitzende der Werte-Union, Alexander Mitsch. Demnach zeige insbesondere das schlechte Wahlergebnis in Baden-Württemberg, "dass eine Koalition mit den Grünen unserer CDU schadet, denn wirtschaftsliberale und konservative Positionen gehen in einem solchen Bündnis verloren". Die Werte-Union versteht sich als konservative Basisbewegung von CDU und CSU. Sie hatte im Rennen um den CDU-Vorsitz den Kandidaten Merz unterstützt, der dann aber NRW-Ministerpräsident Armin Laschet unterlag.
Quelle: ntv.de, cri/dpa/AFP
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