Kritik an der „Kehrtwende“ der Bundesregierung

  16 März 2021    Gelesen: 506
Kritik an der „Kehrtwende“ der Bundesregierung

Die Entscheidung der Bundesregierung zur Aussetzung der Corona-Impfungen des Herstellers Astrazeneca ist auf breite Kritik gestoßen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Montgomery, sagte, es spreche vieles dafür, dass die als Begründung angeführten Thrombosefälle in keinem kausalen Zusammenhang mit der Impfung ständen.

Montgomery sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, nach internationalen Studien sei die Thrombose-Häufigkeit in der Placebo-Gruppe und in der Gruppe mit dem Impfstoff etwa gleich gewesen. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Brysch, kritisierte, Bundesgesundheitsminister Spahn habe mit dem Impfstopp einen „Flächenbrand“ ausgelöst. Es werde massiv Vertrauen in der Bevölkerung verspielt.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach bezeichnete das Vorgehen der Bundesregierung als „großen Fehler“. Der Schritt schaffe nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankomme, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“. Irritiert äußerte sich auch die SPD-Europapolitikerin Barley. „Die neueste Generation der Antibabypille hat als Nebenwirkung Thrombosen bei acht bis zwölf von 10.000 Frauen. Hat das bisher irgendwen gestört?“, fragte sie auf Twitter.

EMA will in Sondersitzung über Impfstoff beraten

Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen bei Geimpften hatte die Bundesregierung die Astrazeneca-Impfungen vorsorglich ausgesetzt. Sie folgte damit einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts. Bundesgesundheitsminister Spahn sagte in Berlin, es handele sich um eine „reine Vorsichtsmaßnahme“. Man setze aus, um zu überprüfen. Der CDU-Politiker betonte, für das Vertrauen in den Impfstoff sei es am wichtigsten, den fachlichen Empfehlungen zu folgen. Nun soll die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) entscheiden, ob sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken.

Die Behörde will am Donnerstag auf einer Sondersitzung über den Impfstoff beraten. Die EMA teilte mit, gegenwärtig werde das Auftreten von Thrombosen bei einer kleinen Zahl von Personen untersucht. Man sei aber nach wie vor der Überzeugung, dass die Vorteile einer Impfung mit dem Mittel größer seien als die Risiken durch Nebenwirkungen. Die Weltgesundheitsorganisation kündigte ebenfalls Beratungen an.

Bundesländer sagen Impftermine ab

Mehrere Bundesländer erklärten, dass Zehntausende bereits vereinbarte Termine mit diesem Impfstoff vorerst nicht stattfinden könnten und von den zuständigen Stellen abgesagt würden. Als Folge müssen sogar einzelne Impfzentren ihren Betrieb ganz einstellen. „In Berlin betrifft die Aussetzung die Corona-Impfzentren Tegel und Tempelhof, die vorübergehend geschlossen werden, ebenso das Impfen der Mitarbeitenden in den Krankenhäusern sowie das Pilotprojekt für Impfungen durch niedergelassene Ärzte“, teilte die Landesregierung mit.

CDU-Chef Laschet befürchtet, dass der vorläufige Stopp der Astrazeneca-Impfungen die Impfkampagne empfindlich beeinträchtigt. Man habe darauf gesetzt, jetzt sehr schnell und viel impfen zu können, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident am Abend im ZDF. Und nun sei ein Impfstoff nicht mehr da, jedenfalls nicht in den nächsten Tagen. Darauf müsse die Politik reagieren. Am Mittwochabend werde es Gespräche zwischen Bund und Ländern geben.

Der CSU-Vorsitzende Söder sprach sich dafür aus, das Präparat von Astrazeneca nach einer wissenschaftlichen Überprüfung für alle Willigen freizugeben. Bei diesem Impfstoff sollten die geltenden Priorisierungen ausgesetzt werden, sagte Söder im ARD-Fernsehen. Jeder, der den Impfstoff wolle, solle ihn auch bekommen.


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