Mit einer Moschee der Superlative gegen Islamisten

  15 März 2016    Gelesen: 803
Mit einer Moschee der Superlative gegen Islamisten
Ein todkranker Präsident, zerfallender Ölpreis, Arbeitslosigkeit – der Stoff, aus dem Bürgerkriege sind. Mittendrin ein deutscher Architekt, der die drittgrößte Moschee der Erde in Algier baut.
Das Projekt ist ambitioniert. Ein Bauwerk für die Ewigkeit auf 374.000 Quadratmetern. Das Minarett wird mit 265 Metern das höchste der Welt sein. Der Gebetssaal für bis zu 35.000 Menschen ist eine Säulenhalle, die etwa 45 Meter hoch und von einer Kuppel abgeschlossen sein wird. Der deutsche Architekt Jürgen Engel baut in Algier eine Moschee der Superlative, die drittgrößte der Erde. Nur die Gebetshäuser in den heiligen Städten Mekka und Medina sind größer.

Engel vollstreckt in Algerien das anachronistische Prestigeobjekt des seit 17 Jahren amtierenden, 79 Jahre alten und todkranken Präsidenten Abd al-Aziz Bouteflika. Denn angesichts hoher Arbeitslosigkeit, einer durch den Ölpreisverfall drastisch schrumpfenden Staatskasse und diverser ungelöster ordnungspolitischer Aufgaben, wie wirtschaftliche Diversifizierung, Aufbau einer starken Zivilgesellschaft sowie Integration von ehemals militanten Islamisten, wären die etwa eine Milliarde Euro Baukosten sicher auch woanders sinnvoll investiert.

Das größte Land Afrikas – etwa sieben Mal so groß wie Deutschland – konnte sich in der Vergangenheit seinen sozialen Frieden mit den üppigen Erträgen aus dem Öl- und Gasexport erkaufen. Doch nun taumelt das Land einem Staatsbankrott entgegen und könnte zum nächsten "failed state" werden – und damit zum nächsten Opfer der Islamisten, des Al-Qaida-Ablegers in Nordafrika. Seit 2014 sind die Staatseinnahmen von 58 Milliarden auf 22 Milliarden Dollar gefallen, die Währungsreserven reichen angesichts eines gigantischen Haushaltsdefizits von fast 13 Prozent noch für etwa drei Jahre.

Der islamistische Terror ist nie ganz verschwunden. Er sei in dem Maghrebland endemisch, urteilt die französische Zeitung "Le Figaro". Algeriens Gesellschaft sei am Rande eines Bürgerkrieges, das Regime befinde sich "im Todeskampf". Wiederholt sich die Geschichte? 1992 putschte das Militär nach einem Wahlsieg der Islamischen Heilsfront. Vorausgenagen war ein rasanter wirtschaftlicher Niedergang. Das Land versank dann in einem zehn Jahre währenden Bürgerkrieg, der bis zu 120.000 Menschen das Leben kostete.

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150 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm

Und jetzt, da die Krise ähnlich ernst ist, solch eine Moschee. Der Plan dafür allerdings stammt aus besseren Zeiten. Die Staatskasse war gut gefüllt. Die euphorische Regierung legte ein 150 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm auf und die Moschee war eines der Projekte. Ausschreibung, Wettbewerb, im Januar 2008 gewinnt KSP Jürgen Engel Architekten Frankfurt den 1. Preis, Grundsteinlegung 2011, Baubeginn Anfang 2012. "Heute würde man die Situation sicherlich anders bewerten", sagt Jürgen Engel.

Der 61-jährige Baumeister mit einem Abschluss des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, gerät ins Schwärmen, wenn er von der Großbaustelle in der Bucht von Algier erzählt. In seinem Entwurf entschied er sich für den nordafrikanischen "Pfeilerhallen-Baustil". Blaupause im engeren Sinne war die Moschee in Cordoba mit ihren eng gestaffelten parallelen Säulenreihen. Für Algier sollte es eine "florale Säule" sein, der erhabenen, nach oben sich kelchartig öffnenden Calla nachempfunden.

Die Fertigstellung war für Juni diesen Jahres avisiert, aber "hat sich verzögert", sagt Engel. Nun rechnet er mit Anfang 2018. Die Zusammenarbeit mit der staatlichen chinesischen Baufirma klappe "hinreichend". Chinesische Baufirma? Man sollte doch annehmen, dass solch ein Projekt in Algerien, wo jeder vierte Jugendliche arbeitslos ist, ein Katalysator sein und viele Menschen in Lohn und Arbeit bringen sollte. Stattdessen tummeln sich knapp 1200 Arbeiter der "China State Construction Engineering Corporation" in Algier.

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Statement gegen den radikalen Islam

Jürgen Friedemann, Engels Prokurist und Leiter Vertragsmanagement, bedauert das zwar, liefert aber eine Erklärung: "Algerien hat keine hoch entwickelte Bauindustrie. Das Dilemma der algerischen Volkswirtschaft ist, dass sie fast allein vom Rohstoffexport lebt." Es sei eben zu bequem, einfach Öl und Gas zu verkaufen. "Deshalb ist der Effekt auf dem einheimischen Arbeitsmarkt leider sehr bescheiden." Nur etwa 30 Algerier beschäftigt das Architekturbüro.

So bauen also Christen das Prestigeobjekt des Präsidenten, Bouteflikas Pyramide gewissermaßen. Ein Zeichen der religiösen Toleranz? "Das hat zunächst mit Religion überhaupt nichts zu tun. Wir müssen abstrahieren von der Funktion, eine Form finden, Gestalt prägend sein. Und Gestalt entsteht aus einer objektiven Betrachtung, die Funktion und Inhalt sowie eine formale gestalterische Idee miteinander kombiniert." Die algerische Regierung wolle "den Islam modern interpretieren, mit Religion offener umgehen".

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Friedemann stimmt zu: "Dieses Bauwerk ist ein Statement des Staates gegen den radikalen Islam, in gewisser Weise ein Plädoyer für eine moderate Auslegung des islamischen Glaubens." Die Moschee, davon ist Engel überzeugt, werde "ein Ort des intellektuellen Austausches sein". Es seien solche wichtigen staatlichen Gebäude, die "im Idealfall die Emanzipation der Bevölkerung, ihr freies Denken fördern".

Aber gelingt das in ausreichendem Maße? Wird die große Moschee von Algier ein Hort gedanklicher Unabhängigkeit, ein Leuchtfeuer der Freiheit sein? Jürgen Engel gibt sich da keinen Illusionen hin, aber er hofft: "Architektur kann niemals Demokratie schaffen. Architektur kann nur die Hülle bieten, in der demokratisches Leben möglich ist. Architektur ist immer ein Angebot. Bauen ist ein Angebot. Kunst ist ein Angebot." Was man daraus mache, sei Sache derjenigen, die diese Angebote annähmen.

"Wir schaffen den Ort, an dem man sich wohlfühlt. Und wir hoffen, dass an diesem Ort Gespräche stattfinden können, die weit über das hinausgehen, was heute gedacht wird."

Quelle :welt.de

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