Der Staat muss nach Ansicht von Kritikern sein Krisenmanagement so schnell wie möglich verbessern. Mit ihrem Machtwort bei Anne Will setzte sich Kanzlerin Angela Merkel an die Spitze der Kritik am uneinheitlichen Krisenkurs. Merkel las am Sonntagabend angesichts immer steiler steigender Infektionskurven den deutschen Bundesländern mit Öffnungsabsichten die Leviten und kündigte mögliche bundeseinheitliche Regelungen an. Doch Sorgen um schädliche Folgen der Bund-Länder-Politik in der Pandemie sind schon vorher gewachsen.
So fordert Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus bereits länger grundsätzlich, den Föderalismus auf den Prüfstand zu stellen. Brinkhaus kritisierte zu viele Entscheidungsebenen, zu langsame Verwaltungsabläufe und zu komplizierte Genehmigungsverfahren. "Wir brauchen Mechanismen, wie wir schneller werden und Verantwortung klarer zuordnen können", hatte er in einer Talkshow gesagt.
Was nicht geht: Flexibilität und Spontaneität
Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, sagte nun: "Wir sehen gerade auf dramatische Weise: Der deutsche Staat kann keine Pandemie." Silberbach, seit Jahrzehnten in der Verwaltung zu Hause, fordert ein Bündel von Gegenmaßnahmen. "Ein großes Problem ist der Flickenteppich an Zuständigkeit - bis hin zu den Regierungschefs von Bund und Ländern." Kompetenzgerangel und Haftungsfragen sieht der Gewerkschafter und Verwaltungsexperte als die Haupthindernisse für wirkungsvolle Kriseneindämmung.
Doch auch jenseits der politischen Leitungsebene sieht der Gewerkschafter hier vieles im Argen liegen. "Die Verwaltung muss viel zu viele Vorgaben auch in der Krise minutiös befolgen", sagt Silberbach. Möglichkeiten zu übergreifenden und ad hoc getroffenen Entscheidungen gebe es kaum. "Wir sind sehr gut, wenn Vorgänge vorher schon geregelt und Strukturen aufgebaut sind", sagt Silberbach. So zahle die Bundesagentur für Arbeit völlig reibungslos millionenfach Kurzarbeitergeld aus. "Aber Deutschland kann sich nicht gut auf große unvorhergesehene Ereignisse einstellen."
"Von der politischen Ebene müssen die Menschen etwas anderes erwarten können als Improvisationstheater", mahnt Silberbach. Gefragt seien jetzt klare Regelungen und Agilität. Silberbach sieht eine Ertüchtigung der Bürokratie aber auch in anderer Hinsicht als Gebot der Stunde an. Aus Sicht des Gewerkschafters sind vor allem zwei Dinge vordringlich: Digitalisierung und Personal.
Es fehlt an allen Ecken und Enden
Nach Schätzung des dbb beamtenbund und tarifunion fehlen dem Staat derzeit fast 330.000 Mitarbeiter - allein 145.000 in den Kommunen, hier schwerpunktmäßig den Kitas, 45.000 in der Kranken- und Altenpflege, 38.000 an den Schulen und 27.000 bei der Bundespolizei. Und fast jeder Dritte gehe innerhalb der nächsten zehn Jahre in den Ruhestand. "Niemand kann sagen, dass das keiner gewusst hätte", sagt Silberbach.
Der Bedarf wachse seit Jahren um zehn Prozent im Jahr. Bund, Länder und Kommunen steuerten viel zu wenig gegen die Abwärtsspirale an. So seien Experten aus den Bereichen IT, Technik, Mathematik oder Statistik für öffentliche Arbeitgeber nur sehr schwer zu finden. "Oft legt eine Kommune dann eben 1000 Euro extra drauf, um überhaupt jemanden zu bekommen", so Silberbach. "Das kann aber nicht das Prinzip vorausschauenden staatlichen Handelns sein."
Quelle: ntv.de, Von Basil Wegener, dpa
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