Was hätte der FC Bayern denn machen sollen?

  19 April 2021    Gelesen: 1485
  Was hätte der FC Bayern denn machen sollen?

Hansi Flick will den FC Bayern verlassen, nach einer unglaublich erfolgreichen, aber unglaublich kurzen Zeit - zermürbt von Reibereien mit Personen und Strukturen. Der Trainer fand offenbar keinen Weg, seine Ideen und Wünsche von einem größeren Gestaltungsspielraum durchzusetzen, das letzte Wort über die Ausgestaltung des Kaders bleibt beim Verein. So geht eine kurze Ära wohl im Unfrieden zu Ende, weil Flick und allen voran Sportvorstand Hasan Salihamidzic als Vertreter der überaus prominent und meinungsstark besetzten Bayerischen Entscheiderstruktur sich nicht auf eine für beide Seiten funktionierende Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen einigen konnten. Entspricht der FC Bayern dem Wunsch Flicks, wird er den erfolgreichsten Trainer seiner jüngeren Geschichte verlieren. Hätte der FC Bayern sich für seinen Erfolgstrainer mehr verbiegen müssen? Ein Pro & Contra.

Die schädliche Sturheit des FC Bayern

Die ärmste Sau ist doch immer der Trainer. Wir wollen nicht in den dunklen Keller der Fußball-Phrasen hinabsteigen. Aber so abgegriffen der Spruch doch ist: Er hat einen nicht abzustreitenden wahren Kern. Denn: Der Trainer ist an vorderster Front verantwortlich für den Erfolg. Keiner steht so in der Kritik, wenn es nicht läuft. Und wenn der Erfolg ausbleibt, ist der Trainer der Dumme und muss als Erster gehen. Nicht der Sportdirektor, nicht Spieler, nicht irgendein Vorstand – der Trainer, kein anderer. So steht es ganz oben im ungeschriebenen Gesetzestext des Profigeschäfts.

Genau aus dieser Doktrin ergibt sich der Zwist, der beim FC Bayern nun dazu geführt hat, dass Trainer Hansi Flick den Klub verlassen will. Als derjenige, der von der Vereinsführung mit dem klaren Arbeitsauftrag ausgestattet ist, Erfolge in Form von Titeln einzufahren, wünschte sich Flick Mitspracherecht bei Transfers. Das ist eine sehr nachvollziehbare Haltung. Der Druck ist groß, die Anforderungen hoch. Also will der 56-Jährige die aus seiner Sicht besten Mittel, um der ihm anvertrauten Aufgabe gerecht zu werden.

Es ist eben aber auch eine nachvollziehbare Haltung der Vereinsspitze, die Kaderplanung in der Hand behalten zu wollen und gemäß einer klaren Club-Idee zu handeln, die über denen von Einzelpersonen steht. Denn die Halbwertszeit eines Trainers ist im Zweifelsfall gering. Wer will schon auf jeder Menge Altlasten sitzenbleiben, wenn der Trainer aus wie auch immer gearteten Gründen mal den Club verlässt – aber (schlimmstenfalls) seine Armee an Wunschspielern noch unter Vertrag steht? Ja, richtig. Das funktioniert so auch nicht.

Der Fall David Alaba hat die Zwänge gezeigt, denen ein Klub in Sachen Personal unterliegen kann. Der Österreicher wollte im teuren Bayern-Kader zu den Topverdienern aufsteigen. Der FC Bayern wollte ihm die angedachte Summe aber nicht zahlen, sich ebenso nicht von Alaba erpressen lassen, um später nicht auch für andere erpressbar zu werden. So kam es, dass der Rekordmeister sein Angebot zurückzog, der Abwehrchef wird im Sommer ablösefrei gehen.

Nun sind aber längst nicht alle Fälle so vertrackt wie der von Alaba. Jerome Boateng etwa, der im Sommer den Verein nach zehn Jahren verlassen wird, hätte in München wohl einen vergleichsweise günstigen, weil kurzen, Vertrag unterzeichnet. Bleiben darf er dennoch nicht, obwohl Aufwand und Risiko für die Münchner und deren Verhältnisse minimal gewesen wären. Und obwohl Hansi Flick sich das dringend gewünscht hätte.

Folgende These: Wäre der FC Bayern Flick bei dieser und einer Handvoll anderer Personalien entgegengekommen, wäre der Trainer, der im vergangenen Jahr maximal erfolgreich war und jeden nur möglichen Titel einfuhr, heute noch da. Stattdessen muss der Klub für den Sommer wohl einen neuen Trainer suchen – auf einem aktuell schwierigen Trainermarkt. Und ob der Neue auch nur annährend so erfolgreich sein wird wie Flick, das ist völlig offen. Der FC Bayern hätte dieses unternehmerische Risiko mit etwas mehr Kompromissbereitschaft und einem angemessenen Konfliktmanagement vermeiden können. Wenn sich das mal nicht rächt. (sfu)

Klinsmanns Schatten erklärt Flicks Ende

Nein, das hat Jürgen Klinsmann sicher nicht gewollt: Der 2006 noch fürs "Sommermärchen" gefeierte Trainer ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass es zwischen Hansi Flick und dem FC Bayern nach dann wohl sieben Titeln (!) nach nicht einmal zwei Jahren im Unfrieden zu Ende geht.

Mit viel, viel Geld und gewaltigem Gestaltungsfreiraum ausgestattet, organisierte Klinsmann 2008/09 zwar Buddhas fürs Trainingszentrum aber keine Pokale für den Trophäenschrank. Nach wenigen Monaten musste Klinsmann wieder gehen. Zurück blieb ein ordentlich durchgeschüttelter, international vom FC Barcelona gedemütigter, in der Liga abgeschlagener FC Bayern, dessen Verantwortliche sich schworen, niemals wieder einem Trainer die Schlüssel zum Fundament des Klubs in die Hand zu drücken.

Diese Vorgeschichte muss man kennen, wenn man verstehen möchte, warum die Granden des FC Bayern sich im Machtkampf zwischen Hasan Salihamidzic und Hansi Flick eben nicht vorbehaltlos auf die Seite des Erfolgstrainers schlugen. Beim FC Bayern hat der Einfluss des Trainers Grenzen, das ist spätestens seit dem Klinsmann-Debakel Klub-Konsens. Früher wurde das Dogma vom durch die Erfahrungen mit Klinsmann traumatisierten Uli Hoeneß personifiziert, der Gedanke hat den Rückzug des ewigen Patrons überlebt.

Damit hatten sich auch renommierte Welttrainer wie Louis van Gaal, Jupp Heynckes, und Carlo Ancelotti arrangieren, sogar Reformer Pep Guardiola arbeitete unter strenger Aufsicht der Klubvorderen. "Der große Unterschied zu anderen Vereinen war", erzählte van Gaal einst "11 Freunde", "dass dort viele Ex-Spieler involviert waren. Alle wollten mitreden und das Geschehen beeinflussen." Was er meint: Der Klub vertraut zuvorderst auf die eigene Expertise, die eigenen Ideen. Dazu muss der Trainer passen oder sich passend machen, nicht umgekehrt. Das findet der immer noch im Münchener Kosmos mächtige Ehrenpräsident Hoeneß und davon ist auch Sportvorstand Salihamidzic überzeugt.

Es ist zu mutmaßen, dass man Hansi Flick in den vergangenen Wochen sehr deutlich gemacht hat, dass seinem legitimen Wunsch nach mehr Macht nicht entsprochen werden würde. So waren die andauernden Hinweise – ebenso berechtigt – dass der ihm zur Verfügung stehende Kader gar nicht seinen Vorstellungen entsprach, letztendlich nur fürs Protokoll. Salihamidzic, der ihm das Personal maßgeblich zusammengestellt hat, überdauert Flick beim FC Bayern. Wider die öffentliche Meinung, die Salihamidzic für verzichtbarer hält, als Sextuple-Trainer Flick. Aber eben auch streng gemäß der Klub-DNA, die einen von den Überzeugungen der Vereinsinstanzen entkoppelten Cheftrainer nicht vorsieht. Sicher, man hätte gerne mit Flick weitergearbeitet, aber offenbar nicht um den Preis weitreichender Zugeständnisse.

Dass Salihamidzic im Stande ist, einen titelreifen Kader bereitzustellen, hat ausgerechnet Hansi Flick bewiesen: Der führte ein von Vorgänger Niko Kovac dekonstruiertes, um die eigenen PS beraubtes Kollektiv zu sechs Titeln. Ein weiterer wird unter Flick folgen. Den eigenen Trainer bei der Zusammenstellung seines Werkzeugkastens zum Berater ohne Vetorecht zu degradieren, ist diskutabel. Mit Blick auf die Erfolge eines Jürgen Klopp, der sich sein Erfolgsteam mit vielen, vielen Millionen Euro selbst zusammenbauen durfte, ist es vielleicht sogar eine überholte Idee. Aus Sicht des FC Bayern ist es aber mindestens konsequent, auch legitim. Der Klub gewann in den letzten zehn Jahren neunmal die Meisterschaft, wurde zweimal Champions-League-Sieger. Spannend wird aber sein, wie Salihamidzic das Klubcredo einem der selbstbewussten Trainerkandidaten aus der allerersten Riege vermitteln kann. (ter)

Quelle: ntv.de


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