Die Super League: Nicht jammern! Handeln!

  20 April 2021    Gelesen: 984
  Die Super League: Nicht jammern! Handeln!

Zwölf Topklubs aus England, Spanien und Italien einigen sich auf die sogenannte Super League. Die UEFA kritisiert sie als ein "zynisches Projekt". Doch nur Kritik reicht nicht: Sollten die Topklubs wirklich ihre Ligen verlassen, reicht es nicht, den Bayern und Co. nachzuweinen.

Die zwölf Topklubs sind jetzt lediglich den letzten Schritt gegangen. Wenn die UEFA nun überlegt, die am Super-League-Projekt beteiligten Klubs aus ihren Wettbewerben zu verbannen, kann sie ihre Champions League in die Tonne kloppen. Diese Drohung läuft ohnehin ins Leere, da die Super-League-Klubs neben ihren bis zu 23 Spielen nicht noch die CL und die nationalen Wettbewerbe spielen wollen. Die Super League soll die Champions League ersetzen. Auch die Drohung mit dem Ausschluss der Spieler dieser Klubs von Welt- und Europameisterschaften wird kaum verfangen. Stars werden in Klubspielen geschaffen.

Mein größtes Problem ist nicht die Super League - sie wird kommen. Mit oder ohne UEFA. Mein größtes Problem ist, dass ich nicht den Eindruck habe, dass der Rest der Veranstaltung an eigenen Plänen arbeitet. Beispielsweise an Plänen für nationale Ligen ohne Super-League-Klubs. Ich gehe davon aus, dass Rainer Koch, Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im UEFA-Exekutivkomitee, für die Reform der Champions League votieren wird. Mit der Begründung, er wolle Schlimmeres verhindern.

Das hören wir seit vielen Jahren vom DFB und von der Deutschen Fußball Liga (DFL). Was aber nichts daran ändert, dass die Entwicklung in Richtung Super League geht. Bestenfalls - vermutlich nicht einmal das - wird aus der Geschichte etwas Tempo genommen. Mit Drohungen (s.o.) wird man auch nichts verändern.

Prozess der De-Regulierung eskaliert

Warum starrt man auf die SL-Kandidaten wie das Kaninchen auf die Schlange? Und lässt sich von diesen regelmäßig erpressen? Ohne, dass dies in irgendeiner Weise honoriert wird. Warum geht es stets vorrangig darum, die Bedürfnisse der Großen zu befriedigen? Nur damit diese nicht komplett ihren eigenen Weg gehen. Warum kuscht man ständig vor ihnen, anstatt eine eigene Zukunftsvision zu entwickeln?

Wir befinden uns seit Jahren in einem Prozess der De-Regulierung, der derzeit eskaliert. Befeuert durch die Pandemie und deren finanzielle Konsequenzen für den Profifußball. Die Niederlande und Belgien denken über eine gemeinsame Liga nach, die BeNeLeague. Die Glasgower "Giants" Celtic und Rangers wollen aus der schottischen Liga raus - entweder in die Premier League oder in eine europäische Super League. In der Republik Irland und in Nordirland wird immer wieder das Projekt einer gesamtirischen Liga diskutiert - aber auch ein Anschluss an den Fußball auf der britischen Insel. In Skandinavien wird auch schon seit Jahren über eine multinationale Liga diskutiert. Es ist also einiges in Bewegung.

Ich befürworte weder das Super-League-Projekt von Pérez, Agnelli, Glazer und Co. noch die Reform der CL. Das SL-Projekt hat den Vorteil, dass es JETZT für klare Verhältnisse sorgt - und nicht erst mit der übernächsten Reform der CL. Es beendet diese elende Salamitaktik, die am Ende auch nur in die Gründung einer Super League mündet. Und dazu verführt, dass sich der "Rest" der Veranstaltung der falschen Hoffnung hingibt, diese sei zu verhindern.

Eine Bundesliga ohne Bayern und BVB? Absolut vorstellbar!

Was ich mir wünsche: Dass sich die Klubs der Bundesliga (ohne die SL-Kandidaten), 2. Bundesliga, 3. Liga sowie Profiklubs aus der Regionalliga (Kickers Offenbach, Rot-Weiss Essen, Jena, Chemnitz, Cottbus, Chemie und Lok Leipzig, Münster, Aachen etc.) zusammensetzen und eine Zukunft für einen finanziell stabilen Profifußball und integren Wettbewerb entwerfen. (Ein Vorbild könnte die alte Football League sein.)

Eine Bundesliga ohne zwei oder drei der Topklubs, ohne Bayern, BVB und RB Leipzig? Für mich absolut vorstellbar! Ohne die Bayern und Co. lassen sich die Fehlentwicklungen leichter korrigieren, ist ein solidarischer Profifußball vorstellbarer. Ich glaube auch nicht, dass der Bundesliga immens viele Sponsorengelder flöten gehen würden. Qatar Airways, Emirates, Gazprom und Co. würden von Bord gehen. Aber eine geschlossene europäische Gesellschaft von 20 Klubs beschränkt die Sponsorenplätze. Auch wäre sie nur für ein bestimmtes Segment von Interesse, nämlich für extrem global operierende Unternehmen.

Für die nationalen Ligen würde noch ausreichend Geld übrigbleiben. Jedenfalls würde der Profifußball überleben - wenngleich auf einem etwas niedrigeren Niveau, aber das wünschen sich ohnehin viele. Unterhalb der Super League würde der Fußball wieder "normaler" werden. Internationale Wettbewerbe lassen sich auch ohne die 20 veranstalten. Man könnte die alten Wettbewerbe - Europapokal der Landesmeister (EC1) und Europapokal der Pokalsieger (EC2) - wiederbeleben. Also zurück zum alten K.-o.-System und einem echten europäischen Wettbewerb, der Europa nicht auf sechs, sieben Länder beschränkt. Der EC1 wäre mindestens so attraktiv wie der alte UEFA-Pokal - und der war ziemlich attraktiv! Die Einnahmen, die man in diesen Wettbewerben generieren kann, würden deutlich unter denen der CL liegen. Was gut für die nationalen Wettbewerbe wäre.

Kein "Fußball zum Anfassen"

Das Super-League-Projekt verfolgt auch den Zweck, das Rattenrennen der Großklubs einzuhegen, das für viele am Ende der Saison mit einer "Überfinanzierung" endet. Eine Reihe von Klubs, die dabei sind, plagen ja große finanzielle Probleme. Darum muss es auch den nationalen Ligen gehen. Auch dieses Problem lässt sich ohne die Bayern und Co. einfacher bearbeiten.

Für Fans des FC Bayern oder des BVB wäre es natürlich bitter, müssten ihre Klubs die Bundesliga verlassen. Die Europareise wäre für viele Fans finanziell und zeitlich nicht machbar. Die Super League wäre TV-Fußball. Als Fan (und Noch-Mitglied des BVB) würde ich mir die Spiele erst ab dem Viertelfinale anschauen - am TV. Den Klubs kann es egal sein. Es geht um die globale Vermarktung der Spiele. Der Fan in den USA oder in China ist nicht weniger wichtig als der in München oder Dortmund. Aber das Gros der hiesigen Fußballfans fiebert weder mit den Bayern noch mit dem BVB. Der Rest der Veranstaltung könnte hier von der Super League profitieren. Denn "Fußball zum Anfassen" kann die Super League kaum bieten. Ein Aufstand gegen die Pläne müsste in erster Linie von den Fans der betroffenen Klubs kommen.

Fazit: Nicht jammern! Handeln! Klare Kante zeigen und eigene Vorstellungen entwickeln. Denn auch hier gilt: Angriff ist die beste Verteidigung.

PS: Bayern und BVB haben sich gegen die Super League ausgesprochen. Vermutlich genügt ihnen aktuell die unsägliche Reform der CL.

Quelle: ntv.de


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